Das Quidditchauswahlspiel am nächsten Morgen war nervenaufreibend. Vier Jahre lang hatte ich Flint dabei beobachtet, wie er Anweisungen gab, uns zum Teil ziemlich hart forderte und mich natürlich wie alle anderen auch darüber beschwert. Jetzt, an seiner Stelle stehend, musste ich mir eingestehen, dass er seinen Job hervorragend erledigt hatte.
Entnervt strich ich mir eine Haarsträhne, die der Wind zum wiederholten Mal aus meinem Zopf gelöst hatte, hinters Ohr und krampfte die Hand fester um den schmalen Besenstiel meines Nimbus2001.
Wenigstens hatte ich bereits einen Jäger ausgewählt, der, mit ein wenig Training, sicher gut mit Adrian und mir harmonieren würde. Cassius Warrington würde uns jedoch auch nur für ein Jahr erhalten bleiben, ehe er von der Schule abging. Wenn ich mir jetzt vorstellte, das gleiche Affentheater nächstes Jahr noch einmal mitmachen zu müssen, graute es mir. Der Haufen rangelnder Freiwilliger vor mir, ließ mich zudem daran zweifeln, dass diese Slytherins auch nur den Hauch Würde besaßen.
"Wärt ihr so freundlich, euch in einer Reihe aufzustellen?" Meine Stimme triefte vor gespielter Freundlichkeit, doch die Einzigen, die mir ihre Aufmerksamkeit schenkten, waren die Mitglieder meines Teams. Ich konnte Draco hinter mir feixen hören – offenbar fanden sie die Situation auch noch komisch.
Dann halt auf die harte Tour! Ich steckte mir zwei Finger in den Mund und pfiff energisch. Fast augenblicklich starrten mich alle an: "Um hier eins klar zu stellen – wer mich nicht respektiert oder meint, sich nicht an Regeln halten zu müssen, kann sich gleich wieder umziehen gehen. Das ist meine Mannschaft und ich habe mir vorgenommen, uns dieses Jahr zum Sieg zu führen. Ich werde nur die Besten dulden und zum Gutsein gehört definitiv Disziplin."
Missgelaunt ließ ich meinen Blick über die versammelten Schüler vor mir schweifen. Keiner rührte sich. "Nun gut, dann will ich euch jetzt alle auf euren Besen sehen. Dreht ein, zwei Runden ums Feld, schnappt euch einen Schläger und zeigt mir, ob ihr wenigstens in der Lage seid, den Klatscher zu treffen."
Sie waren es nicht. Alleine fünf Leute musste ich schon aus der engeren Wahl streichen, da sie sich so schon nur mit Mühe und Not auf den Besen halten konnten, wieder drei schafften es selbst beim zehnten Versuch nicht, den Klatscher mit ihrem Schläger zu treffen und einer trieb es sogar so weit zu versuchen, den Klatscher zu fangen, mit der späteren Aussage, er habe die Regeln wohl doch nicht so wirklich verstanden – ich könne sie ihm sicher noch einmal erklären.
Wirklich zufrieden war ich am Ende also nicht, als nur noch die beiden Gorillas, dümmlich grinsend, mit ihren Schlägern vor mir standen. Sie waren nicht gut, das Einzige, was sie von den anderen unterschied, war ihre pure Gewalt, mit denen sie auf die Klatscher losgingen. Sie scherten sich nicht darum, ob etwas zu Bruch ging und seien es auch ihre eigenen Knochen – vielleicht schaffte ich es ja, ihnen zumindest noch ein wenig Feingefühl im Umgang mit ihren Besen beizubringen.
"Crabbe, Goyle, ihr seid im Team", teilte ich ihnen das Offensichtliche kurz und schmerzlos mit, dann wandte ich mich dem Rest meines Teams zu. "Wir haben besonders in Gryffindor dieses Jahr wieder einen harten Gegner und ich würde den Pokal am Ende des Jahres nur ungern in Johnsons Händen sehen. Wir müssen uns anstrengen. Fürs Erste würde ich sagen, wir trainieren dreimal pro Woche – mittwochs, freitags und samstags. Ich will, dass ihr pünktlich seid, die genauen Zeiten können wir noch festlegen. Noch Unklarheiten?"
Es gab keine Fragen mehr. Kopfschüttelnd und erleichtert, dass das Training vorbei war, verzogen sich meine Mitspieler und auch die Schaulustigen auf der Tribüne, entweder in die Umkleiden oder zurück ins Schloss. Ich griff unterdessen nach dem großen roten Quaffel und wog ihn in den Händen. Sollte ich noch ein zwei Runden fliegen? Ein wenig an meinen Würfen feilen? Ich wusste, der auffrischende Herbstwind würde mir wenigstens für den Moment Ablenkung versprechen.
Doch ehe ich schließlich wirklich nach meinem Besen greifen konnte, schlossen sich plötzlich zwei Arme um mich und ein Kopf legte sich auf meine Schulter. Sofort stieg mir die leise Wacholder-Minznote in die Nase und ich entspannte mich. "Das war wirklich beeindruckend heute, Mary. Ich wusste ja schon, dass du Durchsetzungsvermögen besitzt, aber das ..." Er drückte mir einen sanften Kuss aufs Haar, dann ließ er mich los. "Willst du nicht mit mir hinaufkommen? Es dauert nicht mehr lange bis zum Abendessen."
Abwehrend schüttelte ich den Kopf und legte den Quaffel sanft in die für ihn vorgesehene, Halterung, dann klappte ich den Deckel der Truhe mit einem dumpfen Schlag zu. "Ich muss noch in die Eulerei."
"Okay, ich komme mit."
"Draco ...", setzte ich, zugegeben, etwas halbherzig dazu an, ihn umzustimmen. Tatsache war, dass ich seine Gesellschaft genießen würde. "Du kannst auch schon einmal hoch ins ..."
Seine Lippen auf meinen brachten mich zum Verstummen. Wie ein Fels in der Brandung stand er da und ich konnte nicht anders, als seinen Kuss zu erwidern. Wie von selbst wanderte meine Hand hinauf in seinen Nacken und krallte sich in seinem weichen Haar fest.
Ich spürte seine Hand an meinem Hinterkopf, die nach dem Gummi in meinem Haar griff und es langsam herauszog, ehe er sich schwer atmend von mir löste und seine Stirn gegen meine lehnte. "Du weißt gar nicht, welchen Einfluss du auf mich hast, oder?" Er sprach gedankenverloren, den Blick aus seinen grauen Augen noch immer auf meine Lippen gerichtet.
Sanft legte den Kopf schief und hob eine Hand an seine Wange: "Vermutlich den gleichen, den du auch auf mich hast." Kaum war der Satz meinen Lippen entglitten, biss ich mir darauf. Solche Sätze machten mich verletzlich, mit ihnen gestand ich mir selbst ein, zu welcher Schwäche Draco für mich schon geworden war. Entschlossen löste ich mich von ihm, wandte ihm den Rücken zu und sorgte mit einem Schwenk meines Zauberstabs dafür, dass die Balltruhe wieder an ihren angestammten Platz an Rande des Platzes schwebte. Dann griff ich rasch nach meinem Besen und lief eilig in Richtung Umkleiden.
Draco war offenbar zu überrumpelt von meinem abrupten Abgang, um mir nachzukommen. Hoffentlich blieb das so. Mein Daumen strich sanft an dem dünnen, hell goldenen Besenstiel entlang, von dem ich mir einbildete, dass er mir Halt gab. Eine der wenigen Konstanten in meinem Leben, die sich nie verändert hatte.
"Mariah!"
Als seine Hand mich am Unterarm packte, wirbelte ich herum. "Nicht so laut!"
Die Verletzung und das Unverständnis standen ihm ins Gesicht geschrieben, wurden jedoch rasch von einer ausdruckslosen Miene abgelöst. Das blonde Haar hing ihm wirr ins Gesicht und ich konnte nicht anders, als wie hypnotisiert in seine grauen Augen zu starren. "Ich warte vor den Umkleiden auf dich. Dann können wir noch zusammen hinauf in die Eulerei gehen."
"In Ordnung", hauchte ich mehr, als dass ich es sagte und beeilte mich, in die Umkleiden zu kommen, damit er meine bröckelnde Miene nicht sah.
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Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...