5 | 32. Kapitel

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Es gab sicherlich tausend Orte, an denen ich jetzt lieber wäre, zig Aktivitäten, die ich jetzt lieber ausüben würde. Das Licht hier unten in der Myteriumsabteilung war schummerig. Wir waren mit keinerlei Hindernissen konfrontiert worden, was mich irgendwie stutzig machte. Ich hätte meine Ahnung ja gerne mit den anderen sechs geteilt, doch Harry war viel zu versessen darauf, seinen Paten zu finden und Ron warf mir alle paar Sekunden einen schneidenden Blick zu. Beinahe schien es, als warteten sie nur auf einen Fehler meinerseits.

Die Anzahl meiner Besuche im Ministerium konnte ich an einer Hand abzählen, allerdings war es da nur in die gut belebten Abteilungen gegangen, in denen man aufpassen musste, dass einem niemand auf die Füße trat. Ich konnte mich noch gut an unseren Besuch in der Aurorenzentrale erinnern, auch wenn mir partout der Grund dafür nicht mehr einfallen wollte. 

Sehr wohl erinnerte ich mich an die zahlreichen Auroren, Alastor Moodys magisches Auge hatte mir damals eine Heidenangst eingejagt, insbesondere da er damit jeden meiner Schritte zu verfolgen schien. Ein anderer Zauberer, Edwardius Limpley, hatte einmal den gesamten Nachmittag auf mich aufgepasst, während mein Ziehvater wer weiß was zu erledigen hatte. Er war äußerst nett gewesen, wenn ich ihm vermutlich auch unendlich auf die Nerven gegangen sein musste. Soweit ich mich richtig entsann, hatte ich ihm sein halbes Büro auseinander genommen, was er schlussendlich nur mit einem leisen Schwenk seines Zauberstabs wieder bereinigt und angefangen hatte, mir zu erklären, wie man hinter einige Tarnzauber blicken konnte und verhinderte, in einen Hinterhalt zu geraten.

Damals war ich noch viel zu klein gewesen, um wirklich zu realisieren, dass es auf dieser Erde nicht nur nette Menschen gab. Es hatte mir einfach Spaß gemacht, diese Techniken mit ihm zu üben, die für mich ein wunderbar neues Spiel darstellten.

Viele von diesen Strategien hatte ich seit dem nicht vergessen, wenn sie sich in den letzten Jahren bei mir auch eher als Bauchgefühl geäußert hatten statt als wirkliches Wissen. Die Abschiedsworte Limpleys, längst vergessen und doch in mein Gedächtnis eingebrannt, hatten mich mit Stolz erfüllt. Sie waren mir eben wieder eingefallen, da wir das Atrium im Laufschritt durchquert hatten. "Du wirst einmal eine ganz Große werden. Höre immer schön auf dein Bauchgefühl, ja, kleine Caitlyn?"

Die Zähne fest aufeinander gebissen, krallte ich die Finger um meinen dünnen Haselstab. Ich wünschte, das wäre so einfach. Einfach auf das zu hören, was mein Herz und Bauch mir sagten. Viele Dinge hätte ich mit dieser Weisheit im letzten Jahr sicher nicht getan. Allerdings wusste wohl nur Merlin, ob das die Sachlage merklich verändert hätte.

Keine fünf Minuten war es nun her, dass mein Bruder mit einem triumphierenden Ausruf vorwärtsgestürmt war und uns andere quasi links liegen ließ. Der Raum, in dem wir uns nun befanden, war hoch wie eine Kirche und lediglich mit emporragenden Regalen gefüllt, die voller kleiner, staubiger Glaskugeln waren. Ihr Anblick beunruhigte mich. Sie schimmerten dumpf im schwachen Schein der Kerzen an der Wand. Eine Kälte schien von ihnen auszugehen, die der in den Kerkern von Hogwarts Konkurrenz machte. 

Ich fröstelte, weigerte mich aber, die Arme um mich zu schlingen. Ein solcher Zug würde nur unnötig meine Bewegungsfreiheit einschränken und meine Reaktionsgeschwindigkeit verlangsamen. Jeder Laut hallte von den Wänden wieder, der gleichzeitig schallfrei wirkte.

"Du hast gesagt, er befände sich in Reihe siebenundneunzig", hauchte Hermine urplötzlich neben mir und bescherte mir damit einen halben Herzinfarkt. Beinahe hätte ich meinen Zauberstab hochgerissen und ohne Zögern auf sie gerichtet. Bei Merlin, hier musste etwas faul sein. Sollte nicht zumindest irgendetwas zu sehen sein, wenn der dunkle Lord Sirius tatsächlich hier gefangen hielt? Genauso wäre ein Laut möglich, das Rascheln eines Umhangs oder Schritte – mal abgesehen unserer eigenen.

Zögernd tat ich es Harry gleich, entfernte mich immer mal wieder einige Meter von unserer kleinen Gruppe, leuchtete mit meinem Zauberstab in die einzelnen Regalreihen hinein. Hinter mir konnte ich ihr Flüstern hören, sie diskutierten leise.

Irgendwann verstummten ihre Stimmen. Beunruhigt warf ich einen Blick über die Schulter zurück, das Licht meines Stabs reflektierte sich in dem kleinen Messingschild, welches den Anfang von Reihe neunundneunzig markierte. Sie standen eng beisammen, blickten alle auf ein etwas erhöhtes Regalbrett, auf einen kleinen Gegenstand. "Ich glaube nicht, dass du das anfassen solltest, Harry", sagte Hermine scharf, was meinen Bruder dazu veranlasste, mitten in der Luft mit seiner Hand zu verharren.

"Wieso nicht?" Der Trotz in seiner Stimme war unschwer zu überhören. "Da steht mein Name drauf, es muss was mit mir zu tun haben, oder nicht?"

Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Umgehend ging mein Atem schneller, ich wandte meinen Kopf von links nach rechts und hob unterdessen meinen Zauberstab etwas höher vor mich. Nichts mehr. Ich lauschte angestrengt, doch auch dabei konnte ich nichts Verdächtiges feststellen. Dennoch schrie mich ein Instinkt in meinem Innern an, dass ich etwas übersah. War der Schatten da hinten nicht etwas düsterer als der Rest? Gelangte dort hinten in die Ecke womöglich etwas weniger Licht hin, als normal wäre?

Schritt für Schritt wich ich rückwärts zurück. Hatte ich dieses mulmige Gefühl etwa einer neu erwachten Paranoia zu verdanken? "Leute?", fragte ich leise, meine Stimme deutlich fester, als ich mich innerlich fühlte.  

Keiner hörte auf mich. "Nicht anfassen, Harry." Longbottom klang erschöpft.

Ich wagte es, der Schwärze der Gänge den Rücken zu kehren und fand mich nun Auge in Auge mit Hermine wieder, der die Angst ins Gesicht geschrieben war. Mein Herz schien aus meiner Brust brechen zu wollen, so heftig klopfte es. In meinen Ohren konnte ich mein Blut pochen hören. Für einen Moment blieb es still, dann spürte ich einen Lufthauch über meinen verschwitzten Nacken streichen, beinahe wie eine liebkosende Hand. Ein Lufthauch, der definitiv nicht in einen Raum tief unter der Erde gehörte, in welchem sich niemand anderes außer uns sieben befinden sollte.

"Da steht mein Name, ich habe jedes recht, sie anzufassen", verteidigte er sich, den Blick fast hypnotisch auf den Gegenstand seiner Begierde gerichtet. Es war eine kleine, staubige Glaskugel. Auf einem vergilbten Schild darunter war in spinnenartiger Handschrift ein sechzehn Jahre zurückliegendes Datum geschrieben. Direkt unter dem Datum stand:

S.P.T. an A.P.W.B.D.
Dunkler Lord und (?) Harry Potter

"Nicht, Harry", fauchte ich, bemüht darum, meine Stimme gedämpft zu halten. 

Doch es war zu spät. Seine Finger, die er vorher ja bereits nach der Kugel ausgestreckt hatte, schlossen sich um das Glas. Langsam und bedächtig nahm er sie von ihrem angestammten Platz, starrte sie an. Nichts passierte. Alles blieb still.

Ich atmete noch immer hektisch, wagte es jedoch, mich zu entspannen. Mein Gefühl hatte mich wohl doch getäuscht. Wir alle musterten die Glaskugel, als würde sie nun vor unseren Augen anfangen zu sprechen und uns ihre Geheimnisse offenbaren, was sie natürlich nicht tat. Toll, kein Sirius, dafür eine verstaubte Kugel und vermutlich lebenslanges Nachsitzen, sobald wir nach Hogwarts zurückkehrten. Blieb allerdings die Frage, wie wir das anstellen wollten.

Und dann, aus dem Nichts, sprach hinter uns eine gedehnte Stimme, die in meinen Ohren so schrecklich vertraut klang. 

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt