5 | 21. Kapitel

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Nach dem ersten Abend bei Umbridge im Büro wartete Draco noch im Gemeinschaftsraum auf mich. Das Feuer im Kamin war schon beinahe vollständig heruntergebrannt und erhellte alleine einen kleinen Teil des Raums. Ich hatte ihn schon beinahe vollständig durchquert, als ich meinen Freund bemerkte. Offenbar aufgeschreckt durch meine unruhigen Schritte richtete er sich auf. "Du warst lange weg."

Sein Tonfall war seltsam und unwillkürlich hatte ich das Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben. Als hätte ich ihm etwas Wichtiges verschwiegen. Ich räusperte mich: "Professor Umbridge hat mich länger bei sich behalten." 

Abwesend nickte er und fuhr sich mit der rechten Hand durchs blonde Haar. Trotz meines schmerzenden Handrückens musterte ich ihn besorgt. Seine gesamte Haltung drückte Erschöpfung aus und ich hatte so ein vages Gefühl, seine Miene hätte einen besorgten Ausdruck inne. Sicher sein konnte ich mir jedoch nicht, da sein Gesicht im Schatten lag. 

"Alles in Ordnung bei dir?", fragte ich leise und trat einige Schritte auf ihn zu. Eigentlich hatte ich vorgehabt, rasch ins Bett zu gehen, doch auf die paar Minuten mehr oder weniger kam es nun auch nicht mehr an. Morgen früh würde ich als aller erstes Zaubertränke haben, daher befand ich, wäre es nicht so schlimm, unausgeschlafen zu sein. "Draco?"

"Schon gut, Mary", schnarrte er, ein wenig ungehalten. "Mir geht es gut."

Beunruhigt warf ich einen hastigen Blick über die Schulter in Richtung Schlafsäle. Umbridges beiläufige Bemerkung vor gut drei Stunden wollte mir nicht aus dem Sinn gehen. Konnten wir wirklich allen Slytherins vertrauen? Hatte uns vielleicht jemand belauscht oder gar das Flohnetzwerk benutzt, um uns auszuspionieren? Im Folgenden vielleicht sogar das Ministerium über meinen ominösen Namen informiert, eventuell sogar eins und eins zusammenzählen können? Jedoch konnte ich mir schwerlich vorstellen, irgendjemand könne genügend Interesse an der Tochter Professor Snapes haben, um Ressourcen auf mich zu verschwenden. Dennoch mussten wir vorsichtig sein.

Mit einem kleinen erleichterten Seufzen wandte ich mich wieder dem jungen Malfoy vor mir zu. "Irgendetwas hast du doch!" Zögernd trat ich näher an ihn heran, bis uns nur noch etwa zwei Schritte trennten. "Was hast du da?"

Lässig steckte Draco das helle Stück Pergament in seinen Umhang, wobei etwas Silbernes an seinem Finger aufblitzte, und zuckte die Achseln. "Nichts." Alleine dieses eine Wort verriet mir alles, was ich wissen musste. Nicht ich war es, die etwas vor ihm zu verbergen hatte – auch ihn plagten Sorgen, die er noch nicht bereit war mit mir zu teilen. "Uns kann niemand hören, Mary. Ich habe diesen netten kleinen Zauber ausgeführt, den du mir letztes Jahr beigebracht hast. Komm bitte einfach her."

Er breitete die Arme aus und ich konnte nicht anders, als dieser Einladung zu folgen. Der Tag war anstrengend und auslaugend gewesen, die ganze Zeit war ich von einer inneren Anspannung bestimmt gewesen, welche nun in seinen Armen endlich von mir abfiel. Mit geschlossenen Augen atmete ich seinen vertrauten Geruch ein und vergrub meinen Kopf an seinem Hals, während er sein Kinn auf mein Haar bettete.

Eine Zeit lang standen wir einfach so da, aneinander gelehnt, die Arme um den jeweils anderen geschlungen und unseren eigenen Gedanken nachhängend. Das Knistern des Kaminfeuers schuf eine heimelige Atmosphäre und konnte mich beinahe davon überzeugen, dass es auf der ganzen Welt nur noch uns beide gab. Keinen dunklen Lord, keine Todesser und keine Bedrohung direkt hier in Hogwarts.

"Weißt du, Mary, du solltest eines wissen ..." Dracos Stimme war rau und ließ mich zusammenzucken, so plötzlich begann er zu sprechen. Ich gab nur ein leises Brummen von mir, als Zeichen, dass er meine Aufmerksamkeit hatte. Die Ruhe war so angenehm gewesen, dass nicht mehr viel gefehlt hätte, bis ich eingeschlafen wäre. Angestrengt blinzelte ich, um meine müden Augen wieder öffnen zu können, doch seine nächsten Worte machten es mir um einiges leichter. Sie waren wie Eiswasser, als wäre die Glasscheibe, die uns vom schwarzen See trennte, zerbrochen und ließe nun das eisige Seewasser hinein. "... falls in nächster Zeit irgendetwas geschehen sollte ..."

Misstrauisch löste ich mich ein Stückchen von ihm und blickte zu ihm hinauf. Seine grauen Augen blickten sanft auf mich hinunter, wenn sich auch eine kleine Spur von Angst in sie mischte. Ein Ausdruck, den ich schon eine Weile nicht mehr in ihnen gesehen hatte. "Was sollte denn geschehen? Wir sind in Hogwarts, es gibt keinen Ort, der sicherer wäre. Solange Dumbledore hier ist, wird der dunkle Lord es nicht wagen, irgendetwas zu unternehmen." Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, wusste ich, dass sie so nicht ganz stimmten. Mein Vater und ich waren vielleicht nicht in Gefahr, solange wir uns hier auf den Schlossgründen befanden, Draco hatte jedoch eine Familie. Sein Vater stand in direktem Dienst des schwarzen Lords. Zwar war ich diesem nur einmal in meinem ersten Jahr begegnet, aber ich hatte keinen Zweifel daran, dass schon der kleinste Fehltritt reichte, um bei ihm in Ungnade zu fallen.

Auch Draco war mein Gedankengang nicht entgangen. Ein freudloses Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Ja, bestimmt werden wir alle in Sicherheit sein."

"Hey, Draco, es tut mir leid, hörst du? Ich habe nicht so weit gedacht, ich ..." Urplötzlich löste er die Arme von mir. Sofort fröstelte ich. "Was ...?"

Meine kaum angefangene Frage wurde von ihm erstickt, als sich seine Lippen mit einer grimmigen Entschlossenheit auf meine senkten. Beide Hände nun in meinem Haar versenkt, zog er mich dichter zu sich heran, sodass ich nun beinahe auf den Zehenspitzen stand. 

Wild trafen unsere Zungen aufeinander. Ich legte meinerseits meine linke Hand auf seine Brust und fuhr mit meiner rechten hinauf in seinen Nacken. Der Kuss war erfüllt von unseren Emotionen, der Panik, die wir beide vor der Zukunft hatten und keiner von uns beiden dachte daran, sich zurückzuziehen. Funken schienen zwischen uns hin und her zu springen, selten hatten wir uns so geküsst und in diesem Moment wusste ich, die Welt musste stillstehen. Es gab keine andere Erklärung. Ich war glücklich, nicht auf dieser Erde konnte dieses Glück übertreffen. Noch im Nachhinein hätte ich dieses Gefühl nicht in Worte fassen können.

Aber irgendwann brauchten wir beide Luft. Um Atem ringend lösten wir uns voneinander. "Du sollst wissen, dass, was immer auch geschehen mag, sich nie etwas zwischen uns stellen wird. Ich hoffe sehr, keiner von uns wird je daran zweifeln müssen." Kaum spürbar hauchte er mir einen weiteren Kuss auf die Stirn, dann löste er sich von mir. "Hier, ich habe etwas für dich."

Als er nach meiner linken Hand griff, konnte ich ein schmerzvolles Aufkeuchen nicht unterdrücken. Die Strafarbeit bei Umbridge hatte ich schon beinahe vergessen. 

"Was hast du da?", fragte er forsch. Natürlich war ihm der Laut keinesfalls entgangen.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt