6 | 31. Kapitel

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Bellatrix war die Erste, die uns erreichte. Ihr Umhang wirbelte geisterhaft um sie herum, als sie am oberen Ende der Treppe zum Stehen kam und uns drei mit einem gierigen Funkeln in den Augen betrachtete. Mit der Zungenspitze befeuchtete sie ihre schmalen Lippen. Sie schien sprachlos, den Moment auskostend.

"Dumbledore in der Falle!", sagte einer der Zauberer, der nun direkt zwischen Draco und mich trat, als er sich der einzigen Hexe außer Bellatrix und mir zuwandte. Offengestanden überraschte es mich ein wenig, dass er es unbeschadet hier herauf geschafft hatte. "Dumbledore ohne Zauberstab, Dumbledore allein! Gut gemacht, Draco, gut gemacht!"

Ich biss die Zähne zusammen und umklammerte meinen Zauberstab fester.

"Guten Abend, Amycus. Und Alecto haben Sie auch mitgebracht wie reizend." In diesem Moment dankte ich Merlin dafür, dass er den Schulleiter mit einer solchen Ruhe gesegnet hatte.

Die Frau, Alecto Carrow, stieß ein kurzes, wütendes Kichern aus. "Sie glauben wohl, Ihre kleinen Scherze helfen Ihnen auf dem Sterbebett?", höhnte sie und es war offenkundig, wie sehr sie von Dumbledores Art provoziert war. Auch die kalten Emotionen der anderen Todesser um mich herum gingen in diese Richtung, während das dunkle Mal an meinem Unterarm stach und brannte. So fokussiert, wie jeder von ihnen auf den weißbärtigen Zauberer war, würde niemand das Zittern sehen, welches nicht nur von meiner Hand, sondern allmählich auch von meinem Unterarm Besitz ergriff.

"Scherze? Aber nein, das sind gute Manieren", erwiderte Dumbledore, wofür ich ihm unwillkürlich Respekt zollen musste.

"Tu es." Fenrir Greyback trat von der anderen Seite an mich heran, sodass er gut durch das Licht des Schädels erkennbar war. Der von ihm ausgehende Geruch bereitete mir Übelkeit und es gelang mir nur schwer, den Würgereiz zu unterdrücken.

"Sind Sie das, Fenrir?", fragte Dumbledore. Ihm war meine Reaktion nicht entgangen.

"Ganz recht", schnarrte der Werwolf, inzwischen so dicht hinter mir, dass ich meinte, kleine Spucketröpfchen an meinem Ohr zu spüren. Abermals musste ich die aufsteigende Galle hinunterschlucken. "Erfreut, mich zu sehen, Dumbledore?"

"Nein, das kann ich nicht gerade sagen."

"Ich könnte Sie zum Nachtisch nehmen, Dumbledore ..." Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er einen seiner gelben Fingernägel hob und an seinem Vorderzahn kratzte. Im Stillen wägte ich ab, ob es wohl auffallen würde, wenn ich etwas Abstand zwischen uns brachte.

Als ein anderer meiner Begleiter sprach, wurde ich schlagartig wieder in die Gegenwart gerissen. "Wir haben Befehle. Caitlyn muss es tun. Also, Caitlyn, schnell jetzt."

Schwer schluckend fixierte ich meinen Blick wieder auf Albus Dumbledore, zu dem ich inzwischen hinabsehen musste, da er so weit an der Brustwehr hinuntergerutscht war. Ich achtete nicht auf das Spotten, welches er sich dafür von den anderen einhandelte. Bellatrix blieb überraschend still. Ich konnte ihren Blick auf mir ruhen spüren.

"Komm schon, Snape, tu es!" Dieses Mal kam die Aufforderung von dem anderen Zauberer, Gibbon, der vorausgegangen war, um die Falle zu stellen.

Doch in diesem Moment waren erneut Kampfgeräusche von unten zu hören und eine Stimme rief: "Sie haben die Treppe versperrt – Reducto! REDUCTO!"

Mein Herz trommelte schneller und pumpte mir das Blut in die Ohren. In diesem Moment blendete ich alles um mich herum aus. Alles, was ich sah, war die zitternde Spitze meines Zauberstabs, an der entlang ich auf den Mann blickte, der nicht nur mein Geheimnis jahrelang gekannt hatte, sondern auch eine Art Mentor für meinen Bruder darstellte. Ich hatte ihn kennengelernt, hatte ihn knapp sechs Jahre jeden Tag oben am Lehrertisch sitzen gesehen. Wie oft hatte ich über seine ausgefallenen Umhänge gelacht oder mich über seine pinke Tinte lustig gemacht?

Hier sollte all das vorbei sein. All das Grübeln der letzten Monate hatte mich nicht auf diesen Moment vorbereiten können. Bereits in den Sommerferien hatte der schwarze Lord mich mit dieser Aufgabe betraut, noch bevor ich sein Zeichen überhaupt getragen hatte, hatte ich von dem gewusst, was auf mich zukam. Er oder ich.

Hier oben auf dem Astronomieturm hatte ich so viele schöne Erinnerungen gesammelt. Ein Streit mit Draco im dritten Jahr, von dem ich mir im Nachhinein fast sicher war, dass er den Grundstein für unsere Beziehung gelegt hatte. Dort, wo Dumbledore nun in sich zusammengesunken saß, hatten mein Verlobter und ich uns stundenlang lachend über die Weltmeisterschaft unterhalten und die wildesten Theorien über einen möglichen Sieger aufgestellt. Wochenlang war dies der Treffpunkt unseres Quidditchteams gewesen, wo sich die älteren unter uns illegalerweise auch den ein oder anderen Schluck Feuerwhiskey erlaubt hatte.

Das war vor dem Ganzen gewesen. Bevor alles den Bach hinuntergegangen war. Bevor ich um meine wahre Abstammung gewusst hatte. Mein Bruder war der Gute. Ich biss mir auf die Unterlippe. Da blieb wohl nur noch ein Platz für mich.

"Erinnerst du dich an meine Worte vor rund einem Jahr?"

Funkelnd blaue Augen musterten mich mit einer Intensität, die mir sehr deutlich sagte, dass er keine Okklumentik brauchte, um zu wissen, was in mir vorging. Ich schluckte, umklammerte meinen Zauberstab fester, bis die Knöchel meiner Finger weiß hervortraten. Der Schulleiter hatte mir damals zwei Sachen gesagt. Zum einen solle ich jeden Befehl befolgen, den der dunkle Lord mir gab, unwissend, dass er damit sein eigenes Todesurteil unterschrieben hatte. Und zweitens hatte er gesagt ...

"Manchmal muss man das eigene Schicksal zurückstellen und sich der Gemeinschaft widmen", flüsterte ich leise. Mir blieb nur zu hoffen, dass keiner der anderen Todesser größeren Sinn aus diesen Worten würde lesen können. "Lerne, wann diese Zeit gekommen ist. Kämpfe fürs höhere Wohl."

Genau in diesem Moment stieß eine weitere Person zu uns. Da stand der Meister der Zaubertränke, den Zauberstab in der Hand. Ich war mir sicher, dass seine schwarzen Augen die Szene genauestens in sich aufnahmen. Mir blieb keine Zeit.

Doch der Schulleiter hatte meine Worte vernommen. Das Funkeln wich aus seinen Augen. "Bald wird sie kommen", flüsterte Dumbledore, seine Worte fast von dem tosenden Wind verschluckt.

"Avada Kedavra!"

Der Zauber kam mir überraschend leicht über die Lippen. Nur am Rande bemerkte ich, dass auch mein Vater neben mir seinen Zauberstab schwenkte.

Ein Strahl grünen Lichts schoss aus der Spitze meines Stabs. Er traf Dumbledore mitten in die Brust. Die Welt schien einen Herzschlag lang stillzustehen, als der ehemals größte Zauberer seiner Zeit in die Luft geschleudert wurde. Unendlich lange Sekunden schwebte er im Licht des dunklen Mals, dann fiel er rücklings über die Zinnen.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt