Diese Erkenntnis noch nicht ganz verdaut, stolperte ich bereits neben Bellatrix aus der Feuerstelle hinaus ins Kaminzimmer der Familie Malfoy. Ein lautes Scheppern ertönte.
"Es tut Filly unglaublich leid, Herrin, sie bittet um Entschuldigung für diese Sauerei." Die Hauselfe, die sich bei unserem Eintreffen offenbar so erschrocken hatte, dass ihr das Tablett aus den Händen gefallen war, verneigte sich tief. Sie kam mir vage bekannt vor. Ihre Hände zitterten, als sie sich hastig bemühte, die Scherben wieder einzusammeln.
Bellatrix hatte nur einen kurzen, abfälligen Blick für sie übrig, dann steuerte sie ohne das kleinste Zögern die Tür zum Esszimmer an. Ihre langen Fingernägel bohrten sich schmerzhaft in meinen Oberarm und hielten mich aufrecht. Eine Stütze, die dringend nötig war. Ohne sie wäre ich vermutlich hier und jetzt zu Boden gesunken, so sehr zitterten meine Knie.
Der Gang zum Galgen. Von heute an würde sich mein Leben von Grund auf verändern. Es war das erste Mal, dass ich ihm leibhaftig gegenüberstehen würde. Ihm, der damals meine Familie entzweigerissen hatte. Ich war mir sicher, es würde sich anders anfühlen. Er hatte seinen Körper zurück. Der schwarze Lord war nicht länger auf die Hilfe eines Lakaien angewiesen, der ihn von morgens bis abends unter seinem Turban versteckt hielt und an der einfachen Aufgabe scheiterte, mit zwei Kindern umzugehen. Es gab so viele offene Fragen. In der Halloweennacht des Jahres 1981 war ich ein Baby gewesen, gerade erst ein Jahr alt und seitdem waren gut fünfzehn Jahre vergangen. Eigentlich war es unmöglich, dass er mich erkennen könnte. Damals im ersten Schuljahr hatte er es nicht getan, aber was sollte ich tun, wenn er es jetzt tat? Was hatte mein Ziehvater mir alles über ihn erzählt?
Panisch kramte ich in meinem Gedächtnis, suchte nach winzigen Gesprächsfetzen all unserer gemeinsamen Abende, in der Hoffnung etwas zu finden, was mir jetzt gleich vielleicht den Hintern retten konnte.
Mir fiel nichts ein. Mein Gehirn schien wie leergefegt. Nur noch um eine Ecke und die letzten paar Stufen hinauf, dann stünden wir im Wohnzimmer; Angesicht zu Angesicht dem Mörder meiner Eltern und Todfeind meines Bruders gegenüber. Narzissa hielt Abstand zu uns beiden, doch ich konnte ihre unsicheren Atemzüge hören. Ahnte, dass sie womöglich ebenso viel Angst hatte, diesen Raum zu betreten wie ich.
Ich tat, als müsse ich stolpern. Verschaffte mir ein wenig Aufschub des Unvermeidbaren. "Ungeschicktes Mädchen", herrschte mich Bellatrix sogleich an, riss mich wieder auf die Füße. Ihre dunklen Augen blitzten auf mich herab. Der Wahnsinn in ihnen war unverkennbar.
Und dann traten wir ins Wohnzimmer.
Wenn mich die Hexe nicht dermaßen fest im Griff gehabt hätte, wäre ich vermutlich auf der Schwelle verharrt. Der Raum, der ursprünglich von seiner Aufmachung ohnehin eher an einen Salon erinnert hatte, sah verändert aus. Die Möbel waren unordentlich an den Rand gerückt, als hätte sie jemand mit einem unbedachten Zauber aus dem Weg geräumt. Der grüne Teppich war das Einzige, was den Holzboden in der Mitte des Zimmers unter dem großen Kronleuchter noch bedeckte.
Zudem konnte ich einen Blick auf mein Spiegelbild im Spiegel über dem Kamin erhaschen. Ich sah schrecklich aus. Deutlich schlimmer, als ich gedacht hatte. Meine ehemals weiße Bluse war fleckig. Im Bauchbereich vollkommen Blut getränkt, am Hals aufgerissen. Kein Wunder, dass mir im Liegen das Atmen schwergefallen war. Nicht nur war meine Nase gebrochen, auch war sie dementsprechend braun verkrustet. Wie hatte ich mir all diese Verletzungen zuziehen können? Die Strähnen meines roten Haares hingen fettig um mein Gesicht, noch ein zwei Tage mehr und ich könnte meinem Ziehvater an weniger guten Tagen Konkurrenz machen.
"Ihr seid reichlich spät." Ruhig, beinahe bedächtig, trat eine hochgewachsene, dürre Gestalt in den Lichtkreis des Kronleuchters, den weißen Zauberstab in der Hand balancierend. Seine fließenden schwarzen Gewänder wogten um ihn herum, umhüllten seine Gestalt wie lebendig gewordene Schatten. Kaum spürte ich seine mächtige Präsenz, wusste ich, wovor mich Severus Snape immer gewarnt hatte. 'Der dunkle Lord ist ein hervorragender Legilimentor. Er ist fähig deine Schwäche zu erkennen, noch ehe du selbst sie erkannt hast.' Darin bestand kein Zweifel. Hastig überprüfte ich meine Okklumentikschilde, zog sie noch etwas enger um meinen Geist. "Narzissa, ich bin sicher, dein Gatte wäre glücklich über meine Wahl, ihm mit meiner Anwesenheit hier die Ehre zu erweisen."
"Natürlich, mein Lord." Brav neigte Dracos Mutter den Kopf, sorgte so dafür, dass ihr blondes Haar ihr Gesicht verbarg. Sicherlich war auch ihr nicht entgangen, welche Botschaft der dunkle Lord mit dieser Entscheidung wirklich setzte. Sie konnte nicht glücklich darüber sein. Zumindest ließ ihr Auftreten eben anderes vermuten.
"Gut. Du darfst dich entfernen." Ein Befehl, so unendlich sanft ausgesprochen, die Gefahr dahinter kaum zu verleumden. Eine Schlange, jederzeit bereit zuzuschlagen. Stille, einzig erfüllt von den bebenden Atemzügen der Hexe neben mir und dem leisen Klicken, sobald Narzissa die Tür hinter sich ins Schloss zog. Dann sprach der dunkle Lord erneut, seine Stimme noch kälter als ich sie in Erinnerung hatte. Sie sandte mir eine Gänsehaut nach der anderen den Rücken hinunter. "Nun, Bella. Ich sehe, du hast mir einen Gast mitgebracht."
Ich hatte mit dem Stoß gerechnet, den Bellatrix mir sogleich in den Rücken versetzte. Die klare Aufforderung, weiter in den Salon hineinzutreten. Dennoch kämpfte ich um meine Balance während ich einige Schritte vortaumelte.
Wenn ich es eben vermeiden könnte, würde ich vor diesem Magier nicht zu Boden kriechen. Niemals würde ich vor ihm den Kopf neigen oder auf die Knie sinken. Entschlossen hob ich das Kinn. Gab mir Mühe, Stolz und Arroganz auszustrahlen, insofern das in dem Wissen möglich war, in einem derartig ramponierten Zustand vor ihm aufzutauchen. "Mein Name ist Caitlyn Snape. Wie ich hörte, habt ihr nach meiner Anwesenheit verlangt, Herr." Es gelang mir erstaunlich gut, so viel Spott wie möglich in meine Stimme zu legen. Nein, ich würde kämpfen. Dieses eine Mal zumindest.
"Wie kannst du es wagen?", kreischte Bellatrix sogleich los, schien sich deutlich mehr aus meiner unterschwelligen Herausforderung zu machen als ihr Herr. Dieser kräuselte den Mund zu einem lippenlosen Lächeln und gebot seiner Dienerin mit halbherzig gehobener Hand Einhalt. Zornfunkelnd hatte diese ihren Zauberstab gezückt, verweilte jedoch auf ihrem Platz.
"Zu dir komme ich später, Bella."
Obwohl der dunkle Lord ihr den Rücken zugewandt hatte, neigte sie den Kopf. "Natürlich, mein Lord."
Die roten Augen, welche mich bis in meine Albträume verfolgt hatten, fixierten sich auf mich. Schienen mir in die Seele zu blicken und doch konnte ich keinen mentalen Angriff von ihm verspüren.
Schwindel ließ mich beinahe taumeln, nur durch einen kleinen Schritt zur Seite bewahrte ich mich vor einem Sturz. Ich wäre nicht wieder aufgestanden.
In gemessenen Schritten begann der dunkle Lord seine Wanderung um mich herum, musterte mich von allen Seiten. "Tatsächlich hatte ich deinen Vater bereits vor gut einem Jahr darum gebeten, deine Bekanntschaft machen zu dürfen. Hast du eine Erklärung für den offensichtlichen Aufschub meines Wunsches?" Seine Bewegungen verursachten nicht das leiseste Geräusch, nicht einmal sein Umhang raschelte. Seltsam schlangenhaft schlich er um mich herum, wartete auf einen Fehler in meiner Deckung.
Keine Sekunde später spürte ich bereits seinen Geist, der sich auf tastende Weise auf meinen zubewegte. Hätte ich nicht mit einer solchen Attacke gerechnet, hätte ich ihn bei dieser Taktik vermutlich nicht einmal bemerkt. Entschlossen baute ich meinen Schutzschild höher, nicht gewillt, die kleinste Lücke zu lassen. Einen offenen Gegenangriff wagte ich nicht.
"Mein treuer Diener hat dich einiges gelehrt. Selbst in diesem, zugegeben, recht unpässlichen Zustand, bist du fähig die Kontrolle zu bewahren. Eine Fähigkeit, die einigen meiner Todesser zu fehlen scheint." Bellatrix zischte nicht, kniff nur die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Insofern dies möglich war, war ich sogar beinahe froh über die Anwesenheit des dunklen Lords. Ohne ihn läge ich jetzt vermutlich bereits leblos auf dem Teppich. "Nun, ich könnte kaum erfreuter über diesen Zustand sein."
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Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...