6 | 23. Kapitel

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Selbstverständlich behielt mein Vater recht. Von diesem Tag an trug ich die Erinnerung an unsere Aufgaben nicht nur konstant im Kopf mit mir herum, sowie in den glücklichen Momenten, da ich ungünstigerweise einen Blick auf meinen entblößten Unterarm riskierte. Ich spürte sie als konstantes Brennen, mal stärker mal schwächer. Vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche. Dass ich mir ehrlich gesagt unsicher war, wie sich dies von einem wirklichen Ruf unterschied, machte die Sache nicht besser. Genauso wenig wie die Nachrichten, die mir gerade eben erst zu Ohren gekommen waren.

Zornig stürmte ich die zu dieser Uhrzeit bereits leeren Kerkerkorridore entlang. Mein Umhang flatterte hinter mir her. Es war bereits weit nach Sperrstunde, wenn mich jetzt irgendein Lehrer erwischen würde, wäre ich tot. Gut. Nicht im wörtlichen Sinne. Doch wenn meine Zeit neben Unterricht, Apparierstunden und Quidditch durch Nachsitzen noch weiter reduziert würde, konnte ich gleich zum dunklen Lord rennen und ihm meinen Misserfolg mitteilen.

"Salazar", fauchte ich die Steinwand bereits auf vier Meter Entfernung an, die sich gerade rechtzeitig öffnete, damit ich meine Schritte nicht verlangsamen musste. "Draco Lucius Malfoy, wo steckst du?"

Einige Köpfe wandten sich zu mir um, als ich wutschnaubend im Durchgang zum Gemeinschaftsraum erschien. Der Saal war beinahe leer. Hauptsächlich ein paar Schüler aus meinem Jahrgang, die noch über ihren Hausaufgaben hockten. Aber kein Blondschopf unter ihnen.

"Falls du deinen Verlobten suchst, er ist im Schlafsaal." Blaise hatte lässig einen Arm über die Rückenlehne der Couch gehängt und sah zu mir hinüber. "Solltet ihr ein ähnliches Stelldichein wie an Weihnachten planen, schließt doch bitte vorher die Vorhänge. Muss ja nicht jeder wissen, was ihr alles schon vor eurer Hochzeit treibt."

Ich schenkte ihm einen finsteren Blick. "Halt einfach die Klappe, Zabini." Wenigstens wusste ich jetzt, wem wir unsere Privatsphäre am Morgen zu verdanken gehabt hatten. Ein Wunder, dass es er es geschafft hatte, uns so lange im Unklaren zu lassen.

"Hast du von den Neuigkeiten gehört, Cat?", fragte er weiter, in seinen Zügen ein schadenfroher Ausdruck. "Wegen Weasley?"

"Ja", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, ohne ihn oder sein Feixen noch weiter zu beachten. Ich hörte mein Blut in meinen Ohren rauschen, meine Finger zitterten und schafften es kaum, den Türgriff zu den Schlafsälen der Jungen herumzudrehen. Dass das Brennen in meinem Unterarm in diesem Moment noch schärfer wurde, stachelte meine Wut weiter an.

Die Mühe machte ich mir bei der Tür zu Dracos Schlafsaal gar nicht mehr. Mit einem Wink meines Zauberstabs ließ ich sie auffliegen, weshalb Crabbe vor Schreck beinahe der Muffin aus der Hand fiel, den er sich gerade in den Mund hatte stopfen wollen. "Raus hier", fauchte ich ihn und den zweiten Gorilla an. "Oder ich sehe mich gezwungen, euch zu verhexen."

"Was ist in dich gefahren?" Eine steile Falte zwischen den Augen drehte die Ursache für meinen Zorn sich just in dem Moment um, da die Tür hinter Crabbe und Goyle erneut ins Schloss fiel. Er hatte sich bereits bettfertig gemacht, sein blondes Haar war nicht länger so perfekt nach hinten gegelt, was ihn um einige Jahre jünger aussehen ließ.

"Dasselbe könnte ich dich fragen!" Nun da ich nicht mehr Gefahr lief, von jemand anderem als ihm gesehen zu werden, erlaubte ich mir endlich, meine Gefühle auch nach außen zu tragen. Nervös fuhr ich mir durchs Haar und zupfte an meinem Kragen. "Kannst du mir erklären, wieso der beste Freund meines Bruders im Krankenflügel liegt?"

Draco zuckte die Schultern, wandte sich offenbar gelangweilt ab und begann, ein paar herumliegende Kleidungsstücke zusammenzusammeln. "Ich dachte schon, es wäre irgendetwas Schlimmes passiert." Sein Ton war schnarrend und wenn ich ihn nicht so gut gekannt hätte, hätte ich ihm die Nummer sogar abgenommen. "Du kennst das Weasel doch. Wahrscheinlich ist er gegen eine Wand gelaufen und hat sich dabei die überlange Nase gebrochen. Ich hätte nicht gedacht, dass es dich derart kümmert."

"Sei nicht albern." Abermals fuhr ich mir durchs Haar und atmete tief durch. "Vergifteter Met, Draco? Was Besseres ist dir nicht eingefallen?" Stockend trat ich an das Fenster zum schwarzen See. Eine kalte Dusche wäre jetzt vermutlich genau das Richtige. "Schlimmer noch, Slughorn hat ihnen mitgeteilt, für wen die Flasche als Geschenk gedacht war. Er weiß es."

"Er wusste es doch die ganze Zeit."

Ich wusste nicht, ob sein Geständnis meine Wut schürte oder abklingen ließ. Vermutlich eher ersteres. Mir war selbst klar, dass er es sehr wahrscheinlich wusste. Mit gezwungen ruhiger Stimme fragte ich: "Wieso wusste ich nichts davon?"

"Hättest du mich handeln lassen?" Endlich gab er das Schauspiel auf, voll und ganz mit seiner Kleidung beschäftigt zu sein. "Du hilfst mir bei meiner Aufgabe und ich darf dir nicht bei deiner helfen?"

Am liebsten hätte ich bei seinen Worten die Hände in die Luft geschmissen. Oder wahlweise irgendetwas verhext. Crabbe oder Goyle wäre dafür vielleicht eine gute Wahl gewesen, viel Schaden konnte man in ihren Köpfen eh nicht mehr anrichten. Wieder zwang ich mich angestrengt zu Beherrschung. "Das Thema hatten wir schon einmal! Nichts ohne das Wissen des anderen."

Seine grauen Augen fanden meine. Er musste es nicht aussprechen. Auch so wusste ich sehr genau, was er sagen würde. Aus irgendeinem Grund machte es mich in diesem Moment aber noch zorniger. Meine Stimme bebte von der erzwungenen Ruhe, die ich ihn sie legte. "Ich wusste sehr genau, worauf ich mich eingelassen habe, als ich in seine Reihen eingetreten bin." Allmählich kam ich mir wirklich vor wie eine Schallplatte, so oft hatte ich diese Worte in letzter Zeit vermutlich ausgesprochen. "Du kannst mich nicht andauernd schützen. Ich bin alt genug, um -"

Ich kam nicht dazu, meinen Satz zu vollenden, da er aufsprang. "Diese beiden Schmuckstücke -" Er deutete auf meine Hand, an der ich noch immer das Armband trug und an deren Finger der schwere Verlobungsring lag. "- bedeuten aber genau das. Ich werde dein Ehemann sein und als solcher ist es meine Pflicht, dich zu schützen." Ich zuckte bei seinen Worten zusammen. Wir hatten darüber gesprochen, aber so offen wurde er selten in diesem Bezug. "Sei es vor dem dunklen Lord selbst."

"Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert!", fuhr ich ihn an und wandte mich von ihm ab. An einem ähnlichen Punkt hatten wir schon einmal gestanden. Damals in den Weihnachtsferien im Raum der Wünsche, als der Druck unfassbarerweise noch nicht ganz so schwer auf unseren Schultern lastete. Früher hätten wir uns nie wegen etwas so Banalem gestritten.

"Verdammt noch mal, Mariah", schrie er mich plötzlich an und trat gegen einen herumliegenden Gegenstand. Sein Schuh. "Er fordert Ergebnisse. Du hast deinen Vater doch gehört! Ich will keine Beerdigung anstelle einer Hochzeit abhalten müssen. Denn wenn nur einer von uns beiden sterben sollte, weißt du selbst, wer das sein wird." Für einen Moment blieben seine Worte unheilvoll zwischen uns in der Luft hängen. "Dann wird dein Geheimnis vermutlich das Einzige sein, was dich vielleicht noch wird retten können. Momentan aber bist du nichts weiter als die Tochter eines seiner Diener und die Verlobte desjenigen, der gescheitert ist. Die perfekte Strafe. Und eine Ausrede würdest du ihm auch noch liefern."

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt