5 | 8. Kapitel

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Sie war pink. Die Ursache war pink und klein genug, dass nicht nur ich einige Sekunden brauchte, um sie zu entdecken. Es war Noreen, die uns schließlich auf sie aufmerksam machte, dicht gefolgt von ihrem geziemten Dank an Dumbledore – "für diese freundlichen Worte des Willkommens."

Mit kurzen, getrippelten Schritten erhob sich die neue Professorin von ihrem Platz und nahm den Platz ein, den sonst eigentlich Dumbledore innehatte, ehe sie ein gehüsteltes Räuspern von sich gab: "Nun, es ist wunderbar wieder in Hogwarts zu sein, muss ich sagen. Und solch glückliche, kleine Gesichter zu mir aufblicken zu sehen."

Bei ihren Worten grinste ich belustigt und ließ den Blick durch die Halle schweifen. Vielleicht hatte diese Frau ja eine getrübte Wahrnehmung, doch keines der Gesichter, das ich sah, zeigte einen anderen Ausdruck als Irritation. Von den Lehrern wollen wir gar nicht erst sprechen. Mein Vater schaute düsterer, denn eh und je, Professor McGonagall hatte die Lippen so fest zusammengepresst, dass ich als Schüler schon vor Stunden abgehauen wäre – einzig der Schulleiter machte den Anschein, als täte er nichts lieber, als ihrer Rede zu lauschen.

Als sie nun weitersprach, nicht ohne sich zu räuspern, nahm ihre Stimme einen drögen Ton an. Ich hätte darauf gewettet, dass ihre Worte auswendig gelernt waren: "Das Zaubereiministerium hat der Ausbildung junger Hexen und Zauberer immer die größte Bedeutung beigemessen. Obwohl jeder Schulleiter und jede Schulleiterin etwas Neues zu dieser historischen Schule beigetragen hat, muss dem Fortschritt um des Fortschritts willen eine Absage erteilt werden. Lasst uns bewahren, was bewahrt werden muss, vervollkommnen, was vervollkommnet werden kann und säubern, wo wir Verhaltensweisen finden, die verboten gehören."

Kaum hatte sie sich wieder gesetzt, begann Dumbledore zu applaudieren und auch der Rest der versammelten Schüler fiel langsam mit ein. Ich selbst klatschte nur ein oder zweimal in die Hände. Diese Frau spielte dem dunklen Lord geradewegs in die Hände. Wenn niemand mehr lernte, um besser zu werden und das Ministerium weiter seinen bisherigen Kurs beibehielt, würde er leichtes Spiel haben. Er könnte aus der Dunkelheit heraus, ganz ähnlich einer Spinne, gemütlich seine Fäden ziehen und niemand würde Verdacht schöpfen.

"Kommst du, Cat?"

Überrascht blickte ich auf. Offenbar hatte Dumbledore das Ende der Feier verkündet, denn Bänke wurden gerückt und das Geräusch der Schritte hunderter Schüler erfüllte die Halle. "Wo ist Draco?"

Noreen wackelte übertrieben heftig mit ihren Augenbrauen und grinste zu mir hinunter. Dann nickte sie zum unteren Ende des Tisches, wo Draco mitten im Gang stand und die neuen Erstklässler zu sich beorderte. Sein Blondschopf war unverkennbar und ich war mir beinahe sicher, sein übliches, überhebliches Grinsen auf seinem Gesicht erkennen zu können. "Genug geschmachtet, Cat? Kommst du mit mir runter in den Gemeinschaftsraum? Ich hätte nicht so viel von der Cremetorte essen dürfen – mir ist schlecht und ich möchte einfach nur noch ins Bett."

"Natürlich", antwortete ich abgelenkt. Am Lehrertisch hatte sich Professor Snape erhoben, tief in ein Gespräch mit Professor McGonagall versunken. "Entschuldige mich bitte, Reen. Ich muss noch mal eben."

Ich hörte sie empört hinter mir herrufen, verstand ihre Worte allerdings nicht mehr, da ich schon im Strom der Schüler verschwunden war. Langsam bahnte ich mir den Weg in die entgegengesetzte Richtung und bekam mehrmals einen Ellenbogen ins Gesicht. Als mir eine dunkelhaarige Gryffindor schließlich auf den Fuß trat, hätte nicht mehr viel gefehlt, bis ich ihr einen Fluch auf den Hals gehetzt hätte.

Da ich jedoch in diesem Augenblick direkt vor den Stufen ankam, die hinauf aufs Podium führten, begnügte ich mich mit einem bösen Blick in ihre Richtung. "Caitlyn." Kühl, so unendlich kühl erklang diese Stimme hinter mir und ich schluckte schwer, ehe ich mich zu ihrer Ursache umdrehte. Sofort stieg mir jener vertraute Geruch nach Kräutern in die Nase und ich konnte nicht anders, als beide Arme um ihn zu schlingen. Die Umarmung war kurz, zu kurz für meinen Geschmack, doch er schob mich schließlich wieder unerbittlich von sich. "Entschuldige uns bitte, Minerva", wandte er sich mit einem knappen Nicken an seine Kollegin, dann bedeutete er mir, ihm in den angrenzenden Raum hinter dem Pult zu folgen. 

Es war der Gleiche, in dem sich schon letztes Jahr die trimagischen Champions hatten versammeln müssen. Mit einem dumpfen Knall fiel die Tür hinter uns ins Schloss und einen raschen Schwung seines Zauberstabs später, hatte Severus Snape sie sowohl versiegelt, als auch geräuschundurchlässig gemacht. "Also, ich nehme an, du hast mich nicht ohne Grund aufgesucht", sagte er schließlich, noch immer mit reservierter Miene.

Ich neigte leicht denn Kopf und setzte mich auf einen Hocker nahe der Wand. Lange musterte ich ihn. Schon in der Halle war mir aufgefallen, wie wirr ihm sein Haar ins Gesicht hing, doch der flackernde Kerzenschein hatte zumindest die dunklen Schatten unter seinen Augen gut übertüncht. Der Blick aus seinen schwarzen Augen war erschöpft und seine Haltung unnatürlich starr und angespannt, als erwartete er jeden Augenblick einen Angriff aus dem Hinterhalt. "Geht es dir gut?"

"Das ist nicht der Grund für deine Anwesenheit." Seine schwarzen Augen bohrten sich in meine und augenblicklich zog ich meine Okklumentikschilde hoch, auch wenn ich mir sicher war, dass er keine solche Handlung geplant hatte. "Es ist spät, Mariah. Vielleicht wäre es besser ..."

"Du nennst mich gerade zum ersten Mal so." Meine Stimme zitterte leicht und ich schlang meine Arme um mich, als könnte ich ohne diesen Halt auseinanderbrechen. "Du hast mich bisher nie Mariah genannt."

Reue spiegelte sich in seinem Gesicht, aber er zwang sich zu einem leisen Lächeln. Es erreichte nicht seine Augen: "Ich dachte, es würde langsam Zeit. Ich habe dir diese Tatsache lange genug verschwiegen."

Du hast mich angelogen, mich hintergangen, traf es wohl eher, doch obwohl ich mit mir kämpfen musste – ihm diese Worte nicht an den Kopf zu werfen – schluckte ich sie schlussendlich hinunter. Es gab wichtigere Dinge zu klären. "Wieso habe ich dich ..." Ich zögerte. Trotz des Muffliato war es vermutlich zu gefährlich, gewisse Dinge auszusprechen. Gerade jetzt, da wir hier in Hogwarts eine Ministeriumshexe beherbergten. "Wieso habe ich dich dort nie gesehen? Es hieß, du wärst Mitglied? Ich hatte gehofft, du hättest mich wenigstens einmal aufgesucht." Schwer schluckte ich und drehte den Kopf, um meinen Ziehvater nicht mehr ansehen zu müssen. "Ich habe jeden Abend im Flur gesessen, auf dein Erscheinen gewartet. Gehofft, dich wenigstens einmal zu sehen. Wieso hast du mich nie aufgesucht? Bist mir aus dem Weg gegangen?"

Schritte ertönten, dann spürte ich seine Hand unter meinem Kinn. Sanft zwangen mich seine kühlen Finger dazu, ihn wieder anzusehen. Und was ich sah, tat weh. Er sah fast ebenso gebrochen aus, wie damals nach der ersten Aufgabe. An jenem Abend, als mein Leben mit einem Schlag zu einem großen Trümmerhaufen zerfiel. "Vermutlich aus demselben Grund, aus dem du dich von deinem Bruder fernhälst", murmelte er leise.

Hastig sprang ich auf. "Du warst bei ihm." Es war eine Feststellung, keine Frage und seine plötzlich erneut verkrampfte Haltung, war Antwort genug. "Du warst beim dunklen Lord, hast mit ihm gesprochen." Aufgeregt tigerte ich in dem schmalen Raum auf und ab. "Hat er irgendetwas gesagt, was dich beunruhigt hat?"

"Nein." Hatte sein Gesicht eben noch Gefühle zugelassen, erstarrte es nun wieder zu seiner ausdruckslosen Maske. "Ich konnte ihn von meiner Treue und meinem Nutzen überzeugen, was mich mehr als beruhigt hat."

Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen, doch seine ausgebreiteten Arme überzeugten mich schließlich von der Wahrheit. Zumindest um sein Leben würde ich mir vorerst keine Sorgen mehr machen müssen.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt