5 | 16. Kapitel

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Ich kam beinahe zu spät zu Zaubertränke, die Zeit, den Brief zu lesen, hatte ich nicht mehr. Im letzten Augenblick schaffte ich es noch ins Klassenzimmer zu schlüpfen, gerade als mein Vater die Tür schließen wollte. Eine Augenbraue emporgezogen, musterte er mich, dann bedeutete er mir mit einem knappen Nicken, mich auf meinen Platz zu setzen.

"Wo warst du?", flüsterte Noreen und nahm rasch ihre Tasche von meinem Stuhl, um mir Platz zu machen, während der Meister der Zaubertränke nach vorne zu seinem Pult schritt. Durch den langsam einsetzenden Wasserdampf, der von den Kesseln aufstieg, schien seine Statur verhüllt zu werden und es fiel mir schwer, sein Gesicht genau zu erkennen.

"Hat Draco nichts gesagt?" Ich warf einen kurzen Blick zu meinem Freund, der ungewöhnlich konzentriert zur Tafel blickte. Auch der Blick, den ich verbotenerweise meinem Bruder zuwarf, wurde von diesem nicht bemerkt, zu sehr war er in sein geflüstertes Gespräch mit Ron vertieft. "McGonagall hat mich heute Morgen vor der großen Halle abgefangen, weil sie -" Ein schrecklich vertrautes Räuspern ließ mich innehalten.

Beinahe wagte ich es nicht, meinen Kopf zu drehen, doch als ich es tat, wurde mir klar, wieso alle so ungewöhnlich konzentriert wirkten. Mal abgesehen von meinem Bruder, seinem besten Freund, Noreen und mir. Umbridge – wie üblich in ihrem pinken Outfit, ausstaffiert mit einem Klemmbrett – stand in der Ecke und musterte meinen Ziehvater aus großen Glubschaugen. "Sie haben keine Zutatenliste angeschrieben. Wie sollen die Schüler also diesen Trank brauen?"Ihre Stimme wurde zum Ende ihrer Frage so ekelhaft hoch, dass ich unwillkürlich schauderte.

Wäre dies ein anderer Unterricht gewesen, war ich mir sicher, die Klasse wäre in Gelächter ausgebrochen. Hier wagten es jedoch nur wenige zu einem vorsichtigen Grinsen, wollte sich schließlich keiner mit den beiden Professoren anlegen. Mein Vater kräuselte die Lippen. "Insofern die Schüler in meinen letzten Stunden aufgepasst und nicht ihren Gesprächen mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben ..." Er stoppte seine Wanderung durch die Klasse direkt vor Harry und Ron. Sein Gesichtsausdruck war nicht zu lesen, doch sein Tonfall sprach für sich. Die Ungeduld und leise Drohung darin war kaum zu überhören. "... müssten sie problemlos in der Lage sein, diesen Stärkungstrank zu brauen."

Obwohl er durchaus freundliche Worte gebraucht hatte, fing die Ministeriumshexe hektisch an, auf ihrem Klemmbrett herumzukritzeln. Ich verdrehte die Augen, zu genervt, um mich wirklich darüber aufzuregen. "Worauf warten Sie? Erheben Sie sich von ihren faulen Hintern und fangen Sie an zu brauen oder habe ich mich unklar ausgedrückt?"

Umgehend ging das hektische Stühlerücken los. Neville Longbottom gelang es in seiner Hektik sogar irgendwie seinen Kessel umzustoßen, woraufhin sich das Wasser darin über den ganzen Tisch ergoss. Kaum traf ihn der Blick meines Ziehvaters, zog er den Kopf zwischen die Schultern und machte sich klein. Ein kleines Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Nur zu gut erinnerte ich mich an Nevilles Irrwicht in der dritten Klasse. Das Kleid hatte ihm aber auch außerordentlich gut gestanden. "Reen, magst du mir meine Zutaten mitbringen?"

Ich wartete, bis die Blonde in Richtung Zutatenschrank verschwunden war, dann vergewisserte ich mich, dass sowohl Professor Umbridge, als auch mein Vater momentan noch anderweitig beschäftigt waren. Longbottom schien tatsächlich immer kleiner werden zu können, auch sein Gesicht verlor mehr und mehr an Farbe.

Langsam tastete ich nach dem Brief in meiner Tasche. Es schien mir, als würde alle Aufmerksamkeit auf mir ruhen, dabei sah eigentlich niemand direkt zu mir. Alle waren viel zu beschäftigt damit, nicht das Missfallen unseres Lehrers auf sich zu ziehen. Auch ich haderte mit mir. Nicht auszudenken, was passieren würde, sollte mein Vater mich beim Lesen der Nachricht erwischen oder noch schlimmer – Umbridge. Doch als sich meine Finger um das Pergament schlossen, gewann die Neugier. Ein kurzes Überfliegen würde doch gewiss nicht schaden?

Möglichst unauffällig zog ich das Kuvert aus meiner Tasche und entfaltete die enthaltene Nachricht unter dem Tisch. Das Rascheln, welches dabei entstand, schien mir in dem Trubel um mich herum schon viel zu laut, außer mir hörte es aber offenbar niemand. Keiner sah zu mir. Nachdem ich mich dieser Tatsache noch ein letztes Mal versichert hatte, senkte ich den Blick unter den Tisch und begann zu lesen.

Liebe Mary,
tatsächlich hat mein Patensohn mir von eurer neuen Lehrerin berichtet. Sie scheint äußerst nett zu sein, seinem Bericht nach sogar beinahe so freundlich wie meine Mutter, was schon etwas heißen möchte. Lass dich von ihr bitte nicht provozieren. Ich kannte deinen Vater und mir ist durchaus bewusst, dass er in manchen deiner Handlungen aus dir spricht.
Wobei ich dir allerdings durchaus recht geben muss, ist die Gefahr, in der ihr euch unter ihrer Nase befindet. Wenn du dich schon nicht deiner nächsten Verwandtschaft anvertrauen möchtest, würde ich dir wärmstens eine andere Person ans Herz legen. Ich mag nicht ewig da sein und mit etwas Pech könnten die düstersten Zeiten meines Lebens bald wieder über mich hereinbrechen.
Jedenfalls ist eine der Personen sicherlich die Hexe, über die dieser Brief an dich gelangt ist. Sie kann durchaus streng und unnachgiebig wirken – dein Vater und ich haben dies nicht nur einmal am eigenen Leib zu spüren bekommen – aber im Grunde ist sie immer loyal. Bitte sie, dir zuzuhören und ich bin sicher, sie wird dies ohne ein Wort des Protests tun. Eine andere Option wäre natürlich auch dein Pate. Er ist -

"Miss Snape." Zu vertieft in Sirius' Nachricht, hatte ich die sich nährenden Schritte des Tränkemeisters nicht wahrgenommen und so traf mich seine Aussage umso mehr. Nur mit Mühe gelang es mir, nicht zusammenzuzucken oder das Gesicht zu verziehen.

"Ja, Professor?", fragte ich honigsüß und faltete das Pergament vorsichtig zusammen, während ich den Blick seiner schwarzen Augen erwiderte. Noch vor Beginn der ersten Klasse, hatte er mir aufgetragen, ihn in aller Öffentlichkeit sowohl zu siezen, als auch beim Nachnamen anzusprechen, was er im Gegenzug dazu auch bei mir tat. Trotz allem fand ich es immer wieder komisch. "Habe ich irgendetwas getan?"

Ein seltsamer Ausdruck blitzte in seinen Augen auf, doch seine Miene blieb ausdruckslos. "Packen Sie, was auch immer sie gerade unter dem Tisch lesen, umgehend in ihre Tasche oder ich werde mich gezwungen sehen, es zu konfiszieren. Dann gehen Sie und holen sich ihre Zutaten aus dem Schrank und beginnen zu brauen." Seine Stimme war gefährlich leise und beinahe nicht mehr zu verstehen.

Mir war klar, dass ich ihn eigentlich nicht mehr provozieren sollte, da ich allerdings just in diesem Augenblick den Brief in meiner Tasche verstaut hatte, lächelte ich unschuldig und zeigte ihm meine leeren Hände. "Meinen Sie etwa, ich solle die Luft in meiner Tasche verstauen? Das Studium der Zusammensetzung aus Stickstoff, Sauerstoff und Argon mag zwar durchaus interessant sein, allerdings ziehe ich es vor, sie lieber als das Wahrzunehmen, was sie ist. Sie ist da. Fertig."

Aufs Neue erschien diese Gefühlsregung in seinen Augen, doch wieder hatte er sich zu schnell im Griff, als dass ich sie hätte zuordnen können. "Treib es nicht zu weit, Mariah." Meinen Namen flüsterte er nur noch und ich konnte ihn alleine von seinen Lippen ablesen. Ergeben nickte ich. Vielleicht hatte er recht.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt