5 | 30. Kapitel

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"Nein." Hermines Schrei sprach mir aus der Seele. Genau vor solch einem Moment hatte ich Angst gehabt. Ich hatte Angst gehabt, mich womöglich entscheiden zu müssen. Hektisch suchte ich den Blick aus Dracos grauen Augen, versuchte ihn aufzufangen und einen Ratschlag darin zu finden. Unmerklich schüttelte er den Kopf. "Nein", formte ich stumm mit den Lippen.

"Was Cornelius nicht weiß, macht ihn nicht heiß", murmelte Umbridge vor sich hin und drehte bedächtig ein Bild auf ihrem Schreibtisch um, sodass es nun mit dem Glas nach unten da lag. Langsam zückte sie ihren Zauberstab und begann beinahe fieberhaft, ihn auf verschiedene Stellen auf Harrys Körper zu richten, als suche sie nach der Stelle, an der es am meisten weh täte.

Meine Gedanken rasten, aber noch ehe ich in irgendeiner Art handeln konnte, schrie Hermine hinter Millicent hervor: "Nein, Harry. Wir müssen es ihr sagen."

Den Zauberstab mit zitternder Hand auf Harrys Stirn gerichtet, sah die Schulleiterin auf. "Mir was sagen?"

Hermine zögerte, ich konnte sehen, wie sie zitterte. Oh bitte, lass die Lüge gut sein. "Wir wollten ... wir wollten mit Professor Dumbledore reden."

"Mit Professor Dumbledore?" Die Skepsis in Umbridges Stimme war kaum zu überhören.

Ohne nachzudenken, sandte ich meinen Geist aus und drang oberflächlich in Hermines ein. Es war einfach. Sie hatte kaum mentalen Schutz um sich errichtet und das bisschen, was vorhanden war, riss ich mit Leichtigkeit nieder. Ich sah sie zusammenzucken. 'Hermine, alles ist gut, ich bin es', flüsterte ich ihr zu und mir blieb nur zu hoffen, dass sie mich verstand. In dieser Art hatte ich noch nie kommuniziert, hatte lediglich einmal in einem verstaubten Wälzer darüber gelesen.

Das Buch hatte davor gewarnt, es  allzu leichtfertig zu versuchen, da die Versuchung zu groß werden konnte. Damals hatte ich nicht verstanden, was damit gemeint war, doch jetzt bestand keine Frage mehr darin. All die unbeantworteten Fragen – wie viel wussten die drei, was hatten sie herausgefunden? - die Antworten darauf schlummerten irgendwo im Kopf der Gryffindor und ich hatte Mühe, mich zu bändigen. Auf gar keinen Fall wollte ich ihre Privatsphäre auf diese Weise verletzen.

'Du musst überzeugender werden. Weine oder bettle, tue so, als fiele es dir richtig schwer, der Kröte davon zu berichten', beschwor ich sie.

Bei Merlin, bitte lass sie verstehen.

Mit einem Mal schlug Hermine sich die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. Jammernd erklärte sie: "Es tut mir leid ihr alle. Aber ich halte das nicht aus."

Angewidert wich Millicent vor ihr zurück. Unsere Gefangenen verstummten und selbst Ginny vergaß, mir auf die Zehen zu treten. Umbridge und die anderen Mitglieder des Inquisitionskommandos waren zu fixiert auf Harrys beste Freundin, um diese unpassende Reaktion zu bemerken. Ich entspannte mich, als sie schluchzend weitersprach: "Wir sollten ihm Bescheid sagen, sobald sie ..., sobald sie fertig ist." Sie hatte verstanden.

"Was soll fertig sein, Mädchen?" Ungeduldig trat die Ministeriumshexe vor. Ich kam nicht umhin zu registrieren, wie auch Dracos Blick gieriger wurde.

"Die Waffe."

Hermines Worte schlugen ein, wie eine dieser zerstörerischen Bomben der Muggel. Eine solche Lüge war dumm und schlau zugleich. Dumm, da ich nicht wissen wollte, was Umbridge mit Harry und Hermine anstellen würde, sobald sie herausfand, dass eine solche Waffe überhaupt nicht existent war und schlau, weil sie die schlimmsten Ängste des Ministeriums schürte und Umbridge zudem aus dem Büro lockte. Nun mussten wir nur irgendwie sehen, wie wir es aus dem Büro schafften.

Leicht würde das jedenfalls nicht werden, so wie ich meinen Freund kannte, der Umbridges Anweisungen sehr wahrscheinlich zu hundert Prozent nachkommen wollte, die da lautete, keinen von den Übeltäter entkommen zu lassen.

Missmutig sah er mich an und mir war klar, woran er dachte. Zu gerne wäre er mit den Dreien gegangen, um einer der ersten zu sein, der diese Waffe entdeckte. Seine Schritte führten ihn zum Fenster, an dem er, noch immer mit Harrys Zauberstab spielend, auf die Ländereien hinabsehen konnte. Ich nutze meine Chance. "Ich habe gehört, ihr habt in eurer Freizeit einige nützliche Zauber gelernt", flüsterte ich Rons Schwester ins Ohr, die daraufhin erneut in ihren Versuchen, mir irgendeinen Schaden zuzufügen, verharrte. "Wenn du mich fragst, es wird so allmählich Zeit, dein Können unter Beweis zu stellen."

Als hätten meine Worte einen Hebel umgelegt, riss sie sich von mir los und hatte innerhalb weniger Sekunden ihren Zauberstab in der Hand. Rasch feuerte sie einen Zauber in Richtung Draco ab. So war das irgendwie nicht geplant.

Ein kleiner Schlenker meines Zauberstabs und der Fluch landete nicht in Dracos Rücken, sondern zersplitterte einige der Ziertellerchen an der Wand.

Geschockt wandte Ginny sich nun mir zu, der Ausdruck auf ihrem Gesicht vertraut. So hatte auch Ron mich die letzten Jahre mit Vorliebe immer mal wieder angesehen, wenn er fest von meinem Verrat überzeugt gewesen war. Hinter mir konnte ich eben jenen erbost schreien hören. Ich verzichtete darauf, einen nähren Sinn aus seinen Worten zu ziehen. "Kümmere du dich lieber um die anderen", rief ich ihr über den einsetzenden Lärm der Rangeleien zu.

Ich sah sie zögern – Bei Merlin, war sie denn genauso voreingenommen und stur wie ihr Bruder? Ebenso verbohrt? - doch schlussendlich entschied sie sich wohl dafür, mir zu trauen. Sie wandte sich von mir ab und schleuderte ihren nächsten Fluch nun in Crabbes Richtung, der augenblicklich seinen Griff um Longbottoms Hals lockerte.

"Ich wusste, dass du dich so entscheiden würdest. Von dem Moment an, da Professor Umbridge drohte, den Cruciatus zu verwenden", schnarrte Draco und schlenderte ein paar Schritte auf mich zu. Harrys Zauberstab balancierte er locker zwischen den Fingern, seinen zückte er nicht einmal. "Danke, dass du mich gerade vor dem kleinen Weasleygör beschützt hast, obwohl es selbstverständlich nicht nötig gewesen wäre."

Tatsächlich zweifelte ich in diesem Augenblick kein bisschen an seinen Worten, dennoch schwieg ich. Versuchte seinen stechend grauen Augen auszuweichen und konzentrierte mich auf den schmalen Haselstab zwischen meinen Fingern. Insofern dies möglich war, versuchte ich mich zu wappnen, gegen das, was ich gleich machen würde. Machen musste.

"Dir ist bewusst, dass ich euch nicht kampflos werde gehen lassen."

"Wie kommst du darauf, ich würde mit ihnen gehen?" Dies war eine Option, über die ich, wenn ich ehrlich war, noch überhaupt nicht nachgedacht hatte. Wenn der dunkle Lord wirklich Sirius hatte, konnte ich dann hier im Schloss zurückbleiben? Einfach so die Hände in den Schoß legen? Wissend, in welche Gefahr mein Bruder sich begab?

Draco lächelte gezwungen und platzierte Harrys Zauberstab hinter sich auf der Fensterbank. "Weil ich dich kenne, Mary."

Ich nickte ernst, ließ ihm keine Chance mehr, sich umzudrehen. Hätte ich dies getan, würde ich diesen Schritt vermutlich nicht mehr gehen können. Mit einem gehauchten, "Es tut mir leid", schwang ich den Zauberstab. Ein roter Lichtblitz schoss daraus hervor und mein Freund brach zusammen.


Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt