5 | 44. Kapitel

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Kurz machte sich Erleichterung in mir breit, die sich jedoch umgehend verflüchtigte, kaum sah ich, wem ich meine abrupte Rettung zu verdanken hatte. Missmutig stieß ich Ron demonstrativ noch ein Stück von mir weg und wollte mich schon umdrehen, da wurde ich zurückgerufen. "Caitlyn, würdest du bitte warten?"

Ich biss mir auf die Unterlippe und verharrte an Ort und Stelle. Die ... ja die wievielte Person war es eigentlich, der ich aus dem Weg gehen wollte? Irgendwo hatte ich in dem Punkt inzwischen die Übersicht verloren. Jedenfalls war sein Gesicht eines derjenigen, die mich bis hinein in meine Träume verfolgte. Bitterkeit und Trauer in seinem Blick hatten sich in mein Gedächtnis gebrannt und ließen mich gleichzeitig an Sirius denken.

"Was wollen Sie von mir, Professor Lupin?", fragte ich, kaum hatten Ron und Hermine den Rückzug in Richtung große Halle angetreten. Ich überwand die letzten paar Meter zum Fenster und sah auf die Schlossgründe hinab. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand schon lange überwunden und bereits ihren Abschied angetreten, tauchte das Gelände in ihr rotgoldenes Licht.

Die zögerlichen Schritte hinter mir verrieten, dass Lupin näher trat. "Erinnerst du dich an meine Worte von damals, Mariah?"

Inzwischen hatte ich mich viel zu gut im Griff, um noch zusammenzuzucken. Weiterhin starrte ich hinaus, beobachtete einen kleinen Punkt am Waldrand beim Fangenspiel mit einem großen Hund. Bei diesem Anblick von Fang musste ich erneut an Sirius denken. Dieser hatte mir so oft gesagt, ich solle mich jemand weiterem anvertrauen. War jetzt ein Zeitpunkt dafür gekommen? "Würde es etwas bringen, wenn ich es abstritte?"

"Nein." Unüberhörbar lag ein leichtes Schmunzeln in seiner Stimme, als er neben mich ans Fenster trat. "Ich liege also richtig?"

Leicht neigte ich den Kopf zur Bestätigung. "Woher wissen Sie es?"

Er seufzte schwer, drehte sich um und setzte sich auf den Fenstersims. Unweigerlich rückte ich ein wenig von ihm weg, lehnte meinen Kopf gegen die Wand zu meiner rechten. "Sirius hat ein Erbe hinterlassen. Und damit meine ich nicht das Materielle", schob er rasch hinterher, da ich skeptisch eine Augenbraue emporgezogen hatte. "Wobei er dir und Harry sein gesamtes Vermögen sowie sein Haus überschrieben hat. Nein. Ehe wir aufbrachen, um dir und deinem Bruder zu Hilfe zu eilen, hat er mich zur Seite genommen. Ich denke, auf eine gewisse Art wusste er, dass etwas geschehen würde."

Sein Kehlkopf wippte, als er schwer schluckte. Auch er hatte seinen besten Freund verloren, wurde mir mit einem Mal auf schreckliche Art bewusst. Nun war Lupin der Einzige, der noch von den wahren Rumtreibern übriggeblieben war.

"Du meinst, er wusste, dass er sterben würde?" Ohne es zu wollen war ich auf die persönliche Anrede umgestiegen, doch es kümmerte ihn nicht.

Zur Antwort nickte er gedankenverloren. "Sirius sagte, ich solle meinem Instinkt vertrauen und an jene Nacht vor zwei Jahren zurückdenken, in der ich nicht nur über eine Gegebenheit endlich die Wahrheit erfahren hätte. Als ich dich dann vor wenigen Tagen vor den Toren des Schlosses fand, kostete es mich nicht viel Erfindergeist. Es ist so offensichtlich. Du siehst Lily so unheimlich ähnlich." Vorsichtig zupfte er an einer meiner braunroten Strähnen und schob sie mir hinters Ohr. "Bei deinem Bruder muss man sagen, er ist das Ebenbild seines Vaters ... Nur die Augen ..."

"Die Augen hat er von seiner Mutter", vervollständigte ich seinen Satz bedrückt. Zu mir würde das vermutlich nie jemand sagen. Ich war immer nur die Tochter des Zaubertrankmeisters, der jeden einzelnen nur mit einem Blick ins Jenseits schicken konnte. Doch auch als eine Potter wäre ich nichts weiter als die kleine Schwester des Jungen der Überlebte.

"Bei dir ist es umgekehrt."

"Was?" Aus meinen Gedanken gerissen sah ich auf. Worüber hatten wir bis gerade noch einmal gesprochen? Seltsamerweise fiel es mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. "Was hast du gesagt?"

"Bei dir ist es andersherum. Du bist ein Ebenbild deiner Mutter Lily, aber die Augen hast du von deinem Vater. In ihnen steht der gleiche Witz, ebenso viel Schalk." Ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. "Kein Wunder, dass Sirius dich damals gleich erkannt hat."

"Du hast es nicht getan", hakte ich leise nach und meinte es weniger als Frage. Nicht nur ein Gespräch hatten wir miteinander geführt und dennoch hatte es nie den Anschein gemacht, er würde mich auf mehr als eine flüchtige Art wiedererkennen.

Der Mann, dem ich nun gegenüberstand, war gekennzeichnet von all den Verlusten, die er erlitten hatte. Seine schwere Bürde, die ihn beinahe zu einem Ausgestoßenen hatte werden lassen, zeichnete sich tief in seinen Zügen ab und trotz allem stand er noch immer aufrecht. Würde ich ebenfalls dazu fähig sein, wenn all dies hinter uns lag? Sollten wir all dies irgendwann hinter uns lassen können? Würde ich mir die zu bringenden Opfer verzeihen können?

Er blickte mich an. Ich bildete mir beinahe ein, in seinem Blick ebenso viel Weisheit ruhen zu sehen, wie in dem des Schulleiters. Auch wenn ich den vor mir sitzenden Zauberer um einiges sympathischer fand. "In unserer Situation ist es wichtig, eine Handvoll Personen zu haben, denen man rückhaltlos alles anvertrauen kann. Bei mir waren es Sirius, James und ..." Lupin senkte nicht den Blick, auch wenn ich ahnte, wie schwer ihm der letzte Name fiel. Er sprach ihn auch nicht aus. Mir war klar, von wem er sprach. "Du magst Draco haben, doch vertraust du ihm? Würde er sich im Zweifelsfall für dich entscheiden, wie es meine Freunde immer für mich getan hätten oder würde er ...?"

"Draco ist nicht Pettigrew", unterbrach ich ihn entschieden und verschränkte die Arme vor der Brust. Vielleicht mochte er mir in letzter Zeit nicht unbedingt immer die volle Wahrheit erzählt haben, aber er war bestimmt keine solche Ratte. Wenn überhaupt war er ein Frettchen. "Abgesehen davon werden wir das Problem der Entscheidung vermutlich nicht haben", fügte ich leise an und starrte auf den steinernen Boden.

"Womit wir wieder am Anfang unseres Gesprächs angelangt wären." Mein ehemaliger Verteidigungslehrer rutschte vom Sims hinunter. "Du bist nicht gezwungen, eine seiner Anhängerinnen zu werden. Erinnerst du dich an meine Worte?"

Ich tat es. Natürlich. Auch sie hatten mich in den vergangenen Tagen bis in meine Träume verfolgt. Wenn es nur so einfach sein könnte, wie ich damals angenommen hatte. Nie hatte ich von mir gedacht, naiv zu sein, musste jetzt jedoch erkennen, dass ich es vermutlich doch gewesen war.

"Es gibt Mittel und Wege, dich vor ihm zu schützen. Nur musst du dafür Hilfe annehmen."

"Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht längst in seine Reihen getreten bin?", fragte ich, hob wieder den Blick.

Offen sah er mir in die Augen. "Weil du dann nicht die gesamte Zeit deinen Unterarm umklammert hieltest, als wolltest du etwas verbergen", erklärte er ruhig. Peinlich berührt ließ ich ihn los. "Du bist eine verdammt viel bessere Schauspielerin und solltest du wahrhaftig sein Mal tragen, würde ich es vermutlich nicht einmal vermuten."

Blieb nur zu hoffen, dass er damit recht behielt. Es würde sich zeigen.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt