Wir verloren. Ron hielt einen Quaffel nach dem anderen und auch die Leistung meines eigenen Teams ließ mehr als nur zu wünschen übrig. Aber seltsamerweise kümmerte es mich nicht. Ohnehin war das Spiel mehr in einer Art Nebel an mir vorbeigezogen. Viel drängender war im Moment die Frage danach, was Draco getan hatte.
Doch selbst einige Wochen später, ich saß gerade mit Noreen am Kamin im Gemeinschaftsraum, war ich nicht schlauer geworden. Ins züngelnde Spiel der Flammen starrend, überlegte ich, was mir womöglich entgangen sein mochte.
Ich hatte es irgendwann drangegeben, das Gespräch mit ihm zu suchen. Seine Augenringe waren von Tag zu Tag tiefer geworden. Oft war er stundenlang verschwunden und tauchte nicht einmal zum Abendessen auf, weshalb ich mir bald angewöhnte, etwas für ihn einzupacken. Auch heute Abend stand eine Dose mit Resten vom Abendessen vor mir auf dem Tisch.
"Cat?"
Zur Antwort brummte ich leise, hielt meinen Blick weiterhin fest auf das Feuer gerichtet. Der Gemeinschaftsraum war nur schwach besucht, die meisten waren unten in ihren Schlafsälen und packten ihre Koffer, um morgen früh zu Beginn der Ferien nach Hause zu fahren. Von Blaise wusste ich, dass heute Abend Slughorns Weihnachtsfeier war. Auch dahin waren vermutlich einige verschwunden.
"Caitlyn." Noreen klang ungewöhnlich eindringlich, daher richtete ich mich etwas in meinem Sessel auf und zog die Beine an die Brust, sodass ich sie ansehen konnte. Die Wärme hatte mich schläfrig gemacht. "Kannst du vielleicht diesen einen Zauber um uns legen?"
"Welchen Zauber?" Müde blinzelte ich meine Freundin an.
Sie hatte sich auf ihrem Sessel nach vorne gebeugt und zwirbelte die Spitze ihres blonden Pferdeschwanzes um ihren Finger. "Den, den du immer anwendest, wenn du mit Draco ungestört reden willst. Irgendwas mit M oder so?"
Ich seufzte schwer. Etwas umständlicher als nötig verrenkte ich mich, um nach meinem Zauberstab zu greifen, welcher direkt neben der Essensbox auf dem Tisch lag. Es fühlte sich seltsam an, den Zauber wieder zu sprechen. "Muffliato", flüsterte ich leise. Das Wort hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf meiner Zunge. "Nur zu. Uns kann keiner mehr belauschen."
Unruhig warf sie einen Blick über die Schulter. Das Zwirbeln an ihrem Zopf war schneller geworden. "Ich meine, wenn du müde bist, können wir dieses Gespräch auch verschieben - ich dachte nur ..." So wie sie nun vor mir saß, erinnerte sie mich einmal mehr an das Mädchen, als das ich sie kennengelernt hatte. Damals war sie seltsam unwissend, von jedem lauteren Wort eingeschüchtert gewesen. Auch jetzt zuckten ihre Augen auf jene gehetzte Art durch den Raum, wie es mir damals bei ihr hin und wieder aufgefallen war.
Neugierig geworden, setzte ich mich erneut etwas auf. "Worum geht es, Reen? Du kannst mit mir über alles sprechen. Nichts davon wird meinen Mund jemals wieder verlassen, das weißt du, oder?"
"Schon." Sie seufzte. "Es ist nur nicht so einfach, wie du vielleicht denkst. Wenn du als Muggelstämmige nach Hogwarts kommst und dann auch noch nach Slytherin, hast du es nicht unbedingt leicht."
Für einen langen Moment sagte niemand von uns etwas. Geschockt von ihren Worten starrte ich meine beste Freundin an, konnte nicht fassen, was sie mir da soeben gebeichtet hatte. Es erklärte so einiges. Letztendlich brachte ich wenig intelligent nur ein "Was?" hervor. Als ich sah, wie sich in ihren blauen Augen Tränen bildeten, tat es mir umgehend leid.
"Ich verstehe schon. Du willst nichts mehr mit mir zu tun haben." Hastig wandte sie den Blick ab und schwang ihre Beine gen Boden, um aufzustehen. "Ich geh dann einfach mal hinunter -"
"Nein." Eine Hand auf ihren Arm gelegt, schüttelte ich den Kopf. Selbst wenn ihr Geständnis zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt kam - bei dem Gedanken kribbelte mein linker Arm - sie war noch immer meine Freundin und ich würde den Teufel tun, sie nur wegen ihres Blutes zu verraten. So war ich nicht erzogen. "Ich bin nur ein wenig geschockt. Ist das der Grund, wieso du nach den Ferien immer diese Verletzungen hattest? Schlägt dich deine Mutter oder dein Vater dafür, weil du magische Fähigkeiten hast? Du bist nie die Treppe hinuntergefallen, stimmts?"
Sie zuckte die Achseln. "So in etwa." Mit den Handballen wischte sie sich über die Wangen. "Mein Vater hasst mich für das, was ich bin."
Noch immer mit den Tränen kämpfend, zog sie die Knie an die Brust und blickte nun ihrerseits stur ins Kaminfeuer. Während ich sie so im Profil betrachtete, konnte ich die Erinnerung an ihre damaligen Verletzungen einfach nicht abschütteln. "Ich dachte immer, dein Vater wäre Heiler im St. Mungo."
Sie schüttelte den Kopf. "Mein Onkel arbeitet da. Ich habe keinen Kontakt mehr zu ihm. Genaugenommen habe ich ihn nie kennengelernt." Ein Schluchzen, woraufhin sie sich erneut mit der Hand über die Augen strich. Etwas hilflos beobachtete ich sie dabei. Ich konnte nicht gut mit Tränen oder Trauer umgehen und schwieg daher. Als sie schließlich wieder sprach, zitterte selbst ihre Stimme: "Mein Vater ist kein Muggel. Das hast du gedacht, nicht wahr?"
"Na ja - eigentlich ...", setzte ich an, verstummte jedoch, da ich selbst nicht wusste, worauf ich mit meiner Erwiderung hinausgewollt hatte.
Noreen kümmerte sich nicht um meinen Einwurf. "Er ist ein Squib, was das Ganze noch um so vieles schlimmer macht. Die ganze Familie hat den Kontakt zu ihm abgebrochen."
Mit gerunzelter Stirn fragte ich: "Weil er keine magischen Fähigkeiten hat?" Das musste ihn ziemlich tief getroffen haben. Es war keine Entschuldigung, aber wenigstens sein Hass auf Zauberer und Hexen war somit erklärbar.
Doch zu meiner Verwunderung schüttelte Noreen den Kopf. Ihre Wangen glänzten feucht im schwachen Licht der Kerzen. "Weil er sie verraten hat. Er hat im ersten Zaubererkrieg Informationen an die Todesser verkauft, um seinen Eltern eins auszuwischen."
Ich zuckte bei ihrer lockeren Feststellung zusammen, bevor ich jedoch antworten konnte, schwang die Tür zum Gemeinschaftsraum auf. Keine Ahnung was es war, das mich in diesem Moment dazu veranlasste, mich umzudrehen. Vielleicht war es die vertrauten Schritte oder die späte Stunde, allerdings schockierte mich der Anblick noch mehr, als jedes mögliche Geständnis Noreens.
Dort stand mein Verlobter, den schwarzen Anzug verknittert, dicke Ringe unter den Augen und stützte sich mit einer Hand an der Wand neben ihm ab. Ohne darüber nachzudenken, sprang ich auf. "Entschuldigst du mich, Reen?"
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Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...