6 | 22. Kapitel

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Es war der erste Schultag nach den Ferien, als ein unsäglicher Schmerz durch meinen Unterarm jagte und mir ein schmerzerfülltes Aufkeuchen entlockte. Ich krallte meine Finger in die Tischplatte, gab mein Bestes, mir in dem stillen Klassenraum nichts anmerken zu lassen. Wieso denn ausgerechnet jetzt?

"Professor?", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und hob den rechten Arm, um Professor McGonagall auf mich aufmerksam zu machen. Natürlich drehten sich auch alle anderen Köpfe zu mir herum.

"Ja, Miss Snape?" Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie von ihrem Pult auf, musterte mich. "Ist etwas?" Mit ihrer Wortwahl erinnerte sie mich in diesem Moment unheimlicherweise an Umbridge im letzten Jahr, wenn ihr Tonfall auch anders war. Beinahe bildete ich mir ein, Besorgnis bei der Hauslehrerin von Gryffindor zu sehen. Ganz abwegig war dies vermutlich gar nicht, bedachte ich, was sie alles über mich wusste oder wenigstens ahnte.

Natürlich würde sie sich um eine Mariah Elisabeth Potter, die verschollene Schwester des Auserwählten, mehr Sorgen machen, als um die Tochter des Todessers, Caitlyn Snape.

Nur mit Mühe gelang mir das Unterdrücken eines weiteren Stöhnens, als das Brennen zunahm und so auch die düsteren Gedanken vertrieb. Die Lippen der Professorin wurden schmaler, ein sicheres Zeichen, dass ihr dies nicht entgangen war. Fieberhaft rasten meine Gedanken. Wie konnte ich diesem Unterricht möglichst schnell entkommen? Den Schmerz auszusitzen würde bestimmt nicht funktionieren, den dunklen Lord nur unnötig erzürnen. Etwas, was weder Draco noch ich im Augenblick gebrauchen konnten. "Ich muss mal auf die Toilette", murmelte ich, schnappte mir meine Sachen und rannte aus dem Klassenraum.

Eine Antwort wartete ich nicht ab, ich wusste nicht einmal, ob McGonagall mir jemanden hinterherschickte. Bestmöglich noch meinen Bruder. Stattdessen tauchte ich blindlings in den nächsten Korridor ein, drückte mich schließlich hinter eine Säule.

Wie bei Merlins Bart sollte ich dem Ruf überhaupt nachkommen? Apparieren ging schließlich schlecht, wie mir dieses Schuljahr nur allzu deutlich vor Augen geführt wurde. Selbst wenn ich an dem angebotenen Kurs teilnahm, für den heute Morgen ein Aushang am schwarzen Brett gehangen hatte.

Der Schmerz vertiefte sich, sandte Eiswasser durch meine Venen, weshalb ich meine Hand zur Faust zusammenkrampfte. Als hinter mir hastige Schritte ertönten, richtete ich mich auf und ließ den Ärmel zurück nach unten fallen. Der Anblick des dunklen Mals auf meinem Unterarm war für gewöhnlich schon schlimm genug, immerhin erinnerte es mich wieder und wieder an den Weg, den ich gezwungen gewesen war zu gehen. Aber es in diesem Moment beinahe lebensecht vor mir zu sehen, brachte das Fass fast zum Überlaufen.

Ich biss mir auf die Unterlippe und der Schmerz schaffte es tatsächlich, mich zurück in die Gegenwart zu reißen. Entschieden reckte ich das Kinn, entschlossen, wem auch immer gegenüberzutreten.

Doch als ich sah, wer da gerade um die Ecke des Korridors bog, kam mein Entschluss ins Wanken. Es war nicht Harry, es war kein anderer Slytherin, nein - es war der Hauslehrer selbst.

"Caitlyn, ich muss mit dir reden", sagte er. Ich hätte mich dafür selbst verhexen können, dass ich ihn nicht zuvor schon erkannt hatte. Sein fettiges Haar hing ihm wirr ins Gesicht, sein Umhang bauschte sich um seine Beine, während er zügig auf mich zu schritt.

Er ließ mir nicht einmal eine Gelegenheit zur Reaktion, von der ich mir selbst nicht sicher war, wie sie ausgesehen hätte. Kaum hatte er mich erreicht, packte er mich stattdessen am Oberarm und zog mich recht unsanft neben sich her. "Was ist los?" Eher aus Prinzip als aus wirklichem Protest versuchte ich, mich von ihm loszumachen. "Es ist gerade wirklich schlecht, ich wollte gerade ..."

"Was wolltest du gerade?" Seine Stimme war flach, als ob er die Zähne fest aufeinandergebissen hatte. Als ich seitlich zu ihm hochsah, bestätigte sich mir meine Ahnung.

"Deins also auch?", hakte ich nach, erntete jedoch nichts weiter als ein Knurren.

"Nicht hier."

Also schwieg ich, ließ mich widerwillig von ihm mitschleifen. Ich kam nicht umhin, mich wie ein Kind zu fühlen, das gemaßregelt wurde. Doch selbst wenn ich daran gedacht hätte, meinen Zauberstab gegen ihn zu heben, war ich viel zu beschäftigt mit dem Brennen des Mals. In dem Versuch, mich auf etwas anderes zu konzentrieren, zählte ich meine Atemzüge, holte bis in den Bauch hinein Luft. Es half, wenn auch nur geringfügig.

Jedenfalls war ich so abgelenkt, dass ich kaum bemerkte, wie mein Vater die Tür zu seinen privaten Gemächern mit einem Schwung seines Zauberstabs öffnete, mich hindurchschob und sie hinter uns wieder versiegelte.

"Mary!"

Als ich aufsah, blickte ich geradewegs in Dracos Gesicht. Er war von dem Sofa vor dem Kamin aufgestanden, wirkte im flackernden Licht der Flammen noch blasser als sonst. Einladend hob er mir eine Hand entgegen.

Nervös warf ich meinem Ziehvater einen Blick zu. Dieser war voll und ganz damit beschäftigt, stumm mehrere Zauber über die hölzerne Tür zu legen und beachtete uns nicht.

"Was machen wir hier, Draco?", flüsterte ich dicht an seinen Lippen, nachdem ich ihn eher flüchtig geküsst hatte. "Mein Mal brennt. Umso länger wir ihn warten lassen, desto wütender wird er werden."

Die Antwort kam von unerwarteter Seite: "Das ist kein Ruf."

Meine Hand mit der meines Verlobten verschränkt, drehte ich mich zu Severus Snape um. Natürlich hatte er zugehört. Vermutlich sah er nicht nur manchmal so aus, sondern hatte tatsächlich Ohren wie eine Fledermaus. "Was soll es denn sonst sein?", fuhr ich ihn schärfer als nötig an, biss mir gleich darauf auf die Unterlippe. Egal welches Verhältnis wir hatten, ich wusste, dass dieses Verhalten nicht gerechtfertigt war. "Das Mal brennt, also müssen wir zu ihm."

Der Zaubertrankprofessor schüttelte den Kopf. "Deshalb braucht ihr mich."

Draco neben mir wollte auffahren. Ich merkte, wie er sich anspannte, legte ihm zur Beruhigung eine Hand auf den Bauch. Mir war klar, wieso er sich so gegen diesen Gedanken sträubte. Immerhin ging es mir ähnlich. Doch ich kannte den Slytherin. Wenn er wütend war, fing er gerne an zu prahlen. Das letzte, was wir jetzt gebrauchen konnten. Wenn mein Vater ins Bild gesetzt wurde, wüsste auch Dumbledore bald Bescheid. "Bisher sind wir ganz gut ohne dich zurechtgekommen. Wir sind keine kleinen Kinder mehr."

"Nein. Das seid ihr nicht." Nachdenklich schüttelte er den Kopf, betrachtete seinen Zauberstab zwischen seinen Fingern. Ebenholz, beinahe ohne Einkerbungen, wie ich aus meiner Kindheit wusste, in der ich so oft verbotenerweise mit dem Stab gespielt hatte. "Wie weit seid ihr? Habt ihr einen Plan? Es ist wichtig, dass ihr nicht auf der Stelle tretet. Eure Aufgaben sind schon schwer genug." Seine schwarzen Augen zuckten zu uns hoch, musterten jeden von uns. "Wenn ihr es bis zum Ende des Schuljahres nicht schafft, seid ihr beide tot. Vielleicht auch nur einer von euch."

Draco krampfte seine Hand um meine. "Ich habe es Ihnen jetzt schon einmal gesagt, ich habe einen Plan, der garantiert funktionieren wird. Oder haben sie das vergessen?"

Ohne auf den provokanten Tonfall einzugehen, seufzte er. "Das heute Abend ist eine Warnung. Der dunkle Lord wird nicht mehr lange so geduldig sein. Euer Mal wird euch daran erinnern."

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt