"Potter ... Ich werde es dir leicht machen." Mit diesen Worten wandte er sich vollkommen Harry zu, streckte ihm seine offene Hand entgegen. "Gib mir die Prophezeiung oder sieh zu ... wie deine Freunde ... in den Tod gehen!"
Stille senkte sich über uns. Ich war mir sicher, dass jeder der hier Anwesenden den Atem anhielt und auf Harrys Entscheidung wartete. Sie war so sicher, wie das Amen in der Kirche und dennoch wusste ich nicht, ob sie dies wert war. Wenn der dunkle Lord so viele Ressourcen auf die Beschaffung der kleinen Kugel verwendete, war sie ihm wichtig. Er riskierte viel mit dieser Mission.
"Brauchst du Bedenkzeit, Potter?", schnarrte Mr. Malfoy. Von meiner Position aus konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, aber ich war mir sicher, er hatte seine Brauen spöttisch hochgezogen. Jedenfalls würde Draco so dreinschauen. Den Blick meines Bruders hingegen konnte ich sehr wohl lesen. Er würde sich ihnen beugen. Für uns – seine Freunde.
Noch bevor er wahrhaftig handeln konnte, wandte Lucius Malfoy sich ein neues Mal von ihm ab. Einen schrecklichen Moment lang fürchtete ich, er könne seinen Plan umgehend in die Tat umsetzen und Antonin Dolohow, den ich von einem der schwarzweißen Fahndungsbilder zweifelsohne zuordnen konnte, den Befehl geben, die zappelnde Hermine in seinem Griff als Erstes ins Jenseits zu befördern. Der abfällige Blick ließ nicht darauf schließen, dass er ihren Tod für einen sonderlich großen Verlust hielte. Allerdings schritt er nur wortlos an ihr vorbei.
Eine zermürbende Taktik, welche ihr Ziel schlussendlich nicht verfehlen würde. Seine Arroganz, Harry den Rücken zu kehren – der ja immerhin bewaffnet war – war nur ein weiterer Beweis für die Ausweglosigkeit unserer Situation.
Vor Ginny angelangt, begann er zu sprechen. "Ich will sie dir gewähren, Potter." Mit der Spitze seines Gehstocks, in der zuvor noch sein Zauberstab verborgen gewesen war, drehte er den Kopf der jüngsten Weasley zu sich. Ihr war anzusehen, wie sehr sie sich zusammenreißen musste, um ihm nicht ins Gesicht zu spucken. "Es trifft sich außerordentlich gut, dass ich dich eben einen Namen habe rufen hören. Zusätzlich zu der Prophezeiung könnten wir ihm jemanden mitbringen, dessen Bekanntschaft er schon seit geraumer Zeit gerne machen würde."
Ich hatte das Gefühl, mein Blut würde in meinen Adern zu Eis gefrieren. Bitte nicht.
Mein Bruder schien irritiert. Beinahe meinte ich, die Zahnrädchen in seinem Kopf rattern zu sehen. "Wessen Bekanntschaft möchte er machen?"
Im Prinzip musste es ihm doch klar sein. In der Halle der Prophezeiungen hatte er nur einen Namen laut gerufen. Daher waren seine folgenden Worte keine wirkliche Überraschung mehr für mich: "Du hast sicherlich in der Schule eine gewisse Caitlyn Snape kennengelernt. Mein Sohn berichtete mir bereits von ihrer Freundschaft zu dir, als wohl ich nie geahnt hätte, wie tief ihre Loyalität wirklich zu dir geht. Dass sie dich hierher begleitet hat ..."
Severus Snape hatte mir immer wieder versichert, der dunkle Lord wolle mich nicht sehen. So oft hatten wir das Thema angeschnitten und so oft hatte er es geschafft, mich zu beruhigen. Es war wie ein weiterer mentaler Schlag ins Gesicht. Ein Schlag, der noch heftiger kam als der letzte, ähnlich eines Klatschers, mitten aus dem Nirgendwo.
"Unglücklicherweise scheint sie nicht mit in unseren kleinen Kreis hineingekommen zu sein. Nun würde ich gerne von dir wissen, ehe wir dieses leidige Thema der Prophezeiung endlich abschließen werden, wo sie sich aufhält. Ich warte."
Nicht nur ich war reichlich irritiert. Ich stand doch hier, keine drei Meter von ihm entfernt und hatte noch immer Mühe zu schlucken. Wieso erkannte ... Natürlich. Danke, Sirius, für diese wunderbare rote Mähne. Dracos Vater kannte mich nur mit meiner anderen Haarfarbe. Ein Umstand, der mir wenigstens bei einer flüchtigen Musterung einen Vorteil verschaffen würde.
Ich riskierte keinen weiteren, allzu offensichtlichen Blick hin zu Harry, der wie erstarrt schwieg. Nur ungern wollte ich riskieren, mich durch solch einen unbedachten Schachzug zu verraten. Wenn mein Ziehvater mir doch nur die Wahrheit gesagt hätte. Vielleicht wäre ich dann hier und jetzt nicht wie zur Salzsäule erstarrt, würde mich nicht so schwertun einen klaren Gedanken zu fassen.
Mit leisen Schritten trat der Vater meines Freundes weiter im Kreis unserer Gefangenen, war inzwischen bei Ron angelangt. Er versperrte mir mit seinem Rücken die Sicht auf meinen Klassenkameraden, doch irgendetwas musste ihn wohl dazu veranlasst haben, sich zu mir umzuwenden. War es ein flüchtiger Blick des jungen Weasleys gewesen? Ein rasches, kaum sichtbares Zucken seiner Augen in meine Richtung?
Draco hätte ein solches sicherlich bemerkt. Keine Frage, von wem er dies hatte. Auch sein Vater war mit einer guten Beobachtungsgabe gesegnet. Stechend musterte er mich aus grauen Augen heraus, betrachtete meine Züge.
Trotzig funkelte ich ihm entgegen, weigerte mich, ein Gefühl der Angst zuzulassen. Sprach er die Wahrheit und der schwarze Lord wollte mich wirklich sehen, würde er mir nichts tun. Der Mann in meinem Rücken bohrte mir seinen Stab noch fester in die Haut, Schlucken wurde damit zur Sache der Unmöglichkeit.
"Mein Sohn hat sich also entschieden." Seine Miene war unleserlich, als er nun direkt vor mir stehen blieb. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wovon er sprach. "Rodolphus, sei doch bitte so freundlich und bohre ihr deinen Zauberstab nicht allzu sehr in den Hals. Sollte mein Sohn erfahren, dass du seine Zukünftige unfair behandelt hast, könnte er recht unleidlich werden. Jedenfalls insofern er mir nur ein bisschen ähnlich ist."
Seiner Zukünftigen? Hatte ich mich gerade verhört? Meine Augen zuckten zu meinem Bruder hinüber, der wie erstarrt zwischen uns hin und her blickte. Beinahe hätte ich den schweren Blick Mr. Malfoys auf mein Handgelenk verpasst. Auf das Handgelenk, an dem das schwere Familienerbstück der Malfoys baumelte. Ich hätte es damals nicht annehmen sollen. Hätte auf mein Gefühl hören sollen.
"Nun, Rodolphus, du wirst dich sicherlich mit Freuden der Aufgabe annehmen, sie nachher dem dunklen Lord zu überbringen. Pass auf, dass sie nicht getötet wird." Rodolphus Lestrange knurrte, wagte es aber nicht zu widersprechen. Sein harter Griff an meinem Arm war Aussage genug. Ein weiteres Mal seine kalten Augen auf meinem Gesicht, dann wandte sich Lucius Malfoy wieder dem eigentlichen Grund zu, weshalb die Todesser hierhergekommen waren. Die Prophezeiung. "Ich habe dir entschieden genug Zeit eingeräumt, Potter. Jetzt gib sie mir und wir alle können von hier verschwinden."
Der Umhang des Magiers flatterte noch immer leicht, sobald er in einer triumphierenden Geste die kleine Glaskugel vor sich ein wenig in die Luft hob. Harry hatte nachgegeben. Hatte nicht auf Nevilles gebrülltes 'Nein' reagiert.
Stunden schienen zu vergehen, wobei es in Wahrheit wohl nur wenige Sekunden waren, bis ein weißes Licht aufflammte. Ein leises Plopp und eine Stimme: "Weg von meinem Patensohn."
Zeitgleich mit dem Schlag, den Sirius dem bis dahin glücklichen Sieger zuteilwerden ließ, flammten weitere Lichter auf. Ordensmitglieder tauchten auf, rissen die Todesser von uns Schülern weg.
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Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...