5 | 28. Kapitel

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Tief durchatmend wusste ich mit einem Mal, wie ich die Schlucht zwischen mir und ihnen noch etwas tiefer ziehen konnte. Wie es mir gelingen konnte, mich noch etwas weiter von ihnen abzuschotten. "Vertrauensschüler dürfen sich gegenseitig wahrhaftig keine Punkte abziehen, Wieselkönig", sagte ich und bemühte mich, möglichst höhnisch und abfällig zu klingen. Ron gegenüber fiel mir das nicht einmal so schwer. Crabbe und Goyle kicherten. Draco blieb stumm. "Aber Mitglieder des Inquisitionskommandos -"

"Des was?", fragte Hermine scharf und konzentrierte sich nicht länger auf ihr stummes Starren.

"Des Inquisitionskommandos, Granger", sagte mein Freund an meiner Stelle und deutete auf das kleine silberne ›I‹ vorne auf seinem Umhang. "Eine ausgewählte Gruppe von Schülern, die das Zaubereiministerium unterstützen, handverlesen von Professor Umbridge. Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Mitglieder des Inquisitionskommandos haben die Befugnis, Punkte abzuziehen ... also, Granger, das macht fünf Punkte Abzug für dich, weil du dich frech über unsere neue Schulleiterin ausgelassen hast. Fünf, weil ich dich nicht leiden kann, Potter. Weasley, dein Hemd hängt raus, also noch mal fünf dafür."

Ein Stich, wie von einer spitzen Nadel, bohrte sich in mein Herz. Es tat weh, einfach nur danebenzustehen, aber jetzt war nicht die Zeit dafür, dem jungen Malfoy ordentlich die Meinung zu geigen. Nicht in aller Öffentlichkeit, nicht vor meinem Bruder, dem ein solches Verhalten nur unnötiges Vertrauen zu mir schenken würde. Ein Vertrauen, das ich bestimmt nicht verdient hätte.

"Die Zeiten ändern sich ... seid brav jetzt, Potty ... Wieselkönig ..." Draco lachte, doch ich hatte den Eindruck, es käme nicht so überzeugt wie sonst. Sicherlich hatte ich keinerlei Zweifel daran, er würde diese neue Rolle genießen, allerdings hatte wohl auch er innere Grenzen. Ich wusste, genau wie er, dass ihm bewusst war, dass ich ihn trotzdem nicht einfach so würde davonkommen lassen. Auch, wenn ich jetzt schwieg und ihm in die große Halle hinein folgte.

Tatsächlich gelang es mir noch am selben Abend, meinen Freund alleine zu erwischen. Es war spät, die Uhr über dem Kamin schlug bereits fast Mitternacht, als ich ihn zur Rede stellte. Doch im Endeffekt fiel meine Standpauke schwächer aus, als geplant. 

Draco ließ mich toben und wüten, zog mich am Ende nur sanft in seine Arme. "Ich weiß, wie schwer es für dich ist."

Schwach protestierte ich. "Du bist nicht ich, wie könntest du ...?"

"Es wird einfacher für dich werden. Das muss es. Hörst du?" Den Zeigefinger unter mein Kinn gelegt, zwang er meinen Kopf sanft in den Nacken, sodass mir keine andere Wahl blieb, als ihn direkt anzusehen. "Wir werden in Einsatz treten müssen."

Ein halbherziges Lächeln kräuselte meine Lippen. "Hast du eine Ahnung, wie abgedroschen das klingt? Wie aus so einem billigen Muggelkrimi."

Er ging nicht darauf ein. Vermutlich wusste er auch überhaupt nicht, was ein Krimi war. "Du musst lernen, dein Herz auch einmal zu ignorieren. Caitlyn in dir fällt das leicht, aber auch meiner Mariah muss das klar sein. Zu deiner Sicherheit ... und auch zur Sicherheit deines Umfelds."

Natürlich hatte Draco recht. Die letzten paar Wochen bis zum Schuljahresende verliefen einigermaßen ruhig, bis auf den ein oder anderen Zwischenfall, der es schaffte, Professor Umbridge vollkommen auf die Palme zu treiben. Abseits von allen anderen, wenn ich wieder einmal alleine mit Noreen über unsere Bücher gebeugt dahockte, konnte ich mir das Lachen, welches sich ununterbrochen aufs Gesicht schlich, nicht mehr länger versagen. 

Es war die Hölle; ernst bleiben zu müssen, wenn die hochrangige Ministeriumshexe wieder einmal hinter kleinen rosa Schweinchen herrannten, die sowieso hinter der nächsten Ecke in kleine Partikel explodieren würden oder Filch in der Eingangshalle stand und wild mit dem Besen auf eines der Feuerwesen einzuschlagen versuchte, um es so selbst zum Verpuffen zu bringen. Doch dieses magische Feuerwerk war nicht alles. Besonders Peeves richtete mit Vorliebe Unheil an, bewarf Umbridge aus der letzten Reihe mit Kreide oder färbte eines Morgens ihre Haare knallig rot, was für einen ätzenden Kontrast zu ihrer heiß geliebten Strickjacke sorgte. Selbst meinem Vater, dessen Miene stoisch wie eh und je war, entlockte diese Aktion ein kleines Lächeln.

Längst war es kein Geheimnis mehr, dass die Weasley Zwilling für einen Großteil des Chaos' verantwortlich waren. Da ihnen eh der Schulverweis drohte, stahlen sie am letzten Prüfungstag ihre konfiszierten Besen zurück und verabschiedeten sich mit einem riesigen Feuerwerk. Natürlich waren am Ende wir es, die handverlesene Spezialeinheit Umbridges, die den ganzen Mist wieder wegräumen durften.

Dennoch war es das wert gewesen. Still vor mich hin lächelnd, schwenkte ich den Zauberstab und ließ somit drei Glühbirnen am Ende des Ganges platzen, die Filch soeben erst ausgewechselt hatte. Mit einem lauten Scheppern zersprangen sie und verteilten sich quer durch den Gang. Einer der Splitter landete wie ein Wurfgeschoss im Porträt einer älteren, finster dreinblickenden Hexe, die mich irgendwie an Sirius Mutter erinnerte. Kreischend suchte sie das Weite.

"Wer war das?", fluchte der Hausmeister und drehte sich auf der Stelle hin und her. Die Leiter über seiner Schulter ließ ihn gefährlich um sein Gleichgewicht kämpfen.

"Eine der verbliebenen explodierenden Wunderkerzen. Fies die Dinger." Scheinheilig grinste ich den Alten an und wandte mich wieder dem Chaos vor mir zu. Hinter mir konnte ich ihn vor sich hin schimpfen hören.

Vollkommen in die Erinnerungen der hinter mir liegenden Prüfungstage vertieft, summte ich vor mich hin. Die Übungsstunden mit meinem Vater hatten sich als überaus nützlich erwiesen und gerade in den praktischen Aufgaben hatte ich kaum größere Probleme gehabt. Schriftlich hatte das Ganze dann doch etwas anders ausgesehen. Hin und wieder hatte ich einfach nur über meinem Prüfungsblatt gesessen und stumm in die Luft gestarrt oder versucht, zu Noreen hinüber zu spähen, die mit ihrem Lernen zum Teil deutlich erfolgreicher gewesen zu sein schien.

In der praktischen Prüfung der Astrologie war ich mit meiner Sternkarte auch beinahe fertig gewesen, als wir alle Zeuge von dem schrecklichen Übergriff auf Professor McGonagall geworden waren. Es war auf den Ländereien passiert, vier Schockzauber direkt in die Brust. Ich hatte die halbe nächste Nacht Mühe gehabt, in den Schlaf zu finden und hatte mich von der einen auf die andere Seite gewälzt. Vor solchen Taten die Augen zu verschließen und sich nicht dagegen auflehnen zu können, war, als wäre man unschuldig in Askaban eingesperrt und müsse Tag für Tag zusehen, was dort draußen in der Welt geschah.

"Caitlyn." Aus meinen Gedanken gerissen sah ich auf. Cassius' Tonfall hatte seltsam geklungen, ziemlich dringlich. Ich setzte mich in Bewegung, noch ehe ich wirklich wusste, was los war. 

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt