6 | 13. Kapitel

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Interessiert musterte ich den Mann mit dem langen rotbraunen Haar. Irgendwoher kannte ich ihn. Nicht umsonst kam mir seine Haltung so unglaublich bekannt vor. War er vielleicht ein Mitglied des Ordens?

 Als er aufsah und zusammenfuhr, kaum dass er Harry erkannte, und dabei den uralten Koffer in seinen Armen fallenließ, ging mir ein Licht auf. "Mundungus", flüsterte ich, was mir einen irritierten Seitenblick von Noreen einbrachte.

"Kennst du den etwa?" 

Ich achtete nicht auf ihre Worte, sondern trat einige Schritte näher an das kleine Grüppchen heran, bis ich nah genug war, um sie verstehen zu können. Die eisige Kälte war mir in diesem Moment egal. Auch der Schnee fiel weiterhin unablässig, legte sich wie eine pudrige Schicht über den Krempel, der sich aus dem aufgeklappten Koffer über den Gehweg verteilt hatte.

"Oh, 'allo, 'Arry", hörte ich Mundungus Fletcher sagen, in einem ganz und gar nicht überzeugenden Versuch, lässig zu wirken. "Also dann, ich will euch nicht aufhalten." Damit fing er an, auf dem Boden herumzukrabbeln und seine Habseligkeiten aufzusammeln. Ein Mann, der es ganz offensichtlich eilig hatte zu verschwinden.

"Verkaufst du diesen Kram?" Mein Bruder trat näher an ihn heran.

"Na ja, man muss sich irgendwie durchschlagen, nicht?", sagte Mundungus. "Gib das her!" Ich verstand nicht, was Ron sagte oder was er in der Hand hielt, doch der kleine Mann entriss es ihm. "Danke! Also, wir sehen uns dann – AUTSCH!"

Erschrocken zuckte ich zusammen, während meine Hand automatisch zu meinem Zauberstab glitt. Noreen lief in mich hinein, weil ich endgültig stehen blieb und unverhohlen in Richtung der kleinen Gruppe schaute. Harry hatte Mundungus an der Gurgel gepackt und gegen die Wand des Pubs gedrückt. Er hielt ihn mit der einen Hand fest und zog mit der anderen ebenfalls seinen Zauberstab.

"Harry!", rief Hermine schrill. Sie sprach mir aus der Seele. Wobei mich das Ganze hier eigentlich nichts anging.

"Das hast du aus Sirius' Haus geholt." Mein Bruder stand dem Mann beinahe Nase an Nase gegenüber. "Da war das Familienwappen der Blacks drauf."

"Ich – nein – was –?", stotterte Mundungus und wurde ganz langsam puterrot. Es war mehr als offensichtlich, dass er log. Nur zu gut konnte ich Harry verstehen. Am liebsten wäre ich zu ihm gestoßen, allerdings wäre dies wohl wirklich zu auffällig gewesen ...

Bei seinen nächsten Worten verspürte ich einen kleinen Stich in meiner Magengegend. "Was hast du gemacht, bist du in der Nacht, als er gestorben ist, in sein Haus zurückgegangen und hast es ausgeräumt?" 

Vielleicht hatte ich nie ein so gutes Verhältnis zum Patenonkel meines Bruders gehabt wie er selbst, aber er war eine Person gewesen, der ich vertraut hatte. Sirius hatte mir Rat gegeben und mich unterstützt. Selbst wenn Severus Snape mich immer gefördert, ich mich bei ihm wohlgefühlt hatte - Sirius war eine ganz andere Kategorie gewesen. Bei ihm war es wie nach Hause kommen, wahrscheinlich gerade weil er meinen leiblichen Vater gekannt und mich nie belogen hatte. 

"Du hattest kein Recht dazu", knurrte Harry, während Mundungus allmählich blau anlief. "Das Haus gehörte Sirius. Er hat es meiner Schwester und mir vererbt. Du hast uns bestohlen!"

Nun war es an mir, zusammenzufahren. Noreen bemerkte es nicht, auch sie war auf die kleine Gruppe fixiert. Ich hörte sie leise vor sich hin murmeln: "Potter hat eine Schwester? Wusstest du davon, Cat?"

Ich tat, als hätte ich ihre Frage nicht gehört. Hatte Sirius ihm unbedingt diesen letzten Hinweis zu meiner Existenz geben müssen? Selbst wenn Harry nicht schlau genug war, eins und eins zusammenzuzählen, Hermine war es allemal. Denn wieso sollte Sirius ein Haus an eine Tote vererben? Blieb mir nur zu hoffen, dass die junge Hexe die Zeichen dann nicht bis hin zu mir deuten würde.

"Gib es mir!"

Ein Knall ertönte und eine Frau erschien auf der Straße, die ich erst bei näherem Hinsehen als Nymphadora Tonks erkannte. Sie war es, die Harry von Mundungus wegriss. Keuchend und prustend ergriff dieser seinen Koffer am Boden, und dann – KNALL – disapparierte er. Mein Bruder fluchte aus Leibeskräften und drehte sich auf der Stelle, als könne er irgendwie sehen, wohin der Mann verschwunden war. "KOMM ZURÜCK, DU DIEBISCHER –!"

"Es hat keinen Sinn, Harry." Ihr mausbraunes Haar war nass vom Schneeregen. Auch meines klebte mir inzwischen im Gesicht, einzelne Strähnen bereits vereist. Wir sollten nun wirklich ins Drei Besen gehen. Doch aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht, mich loszueisen. "Mundungus ist jetzt wahrscheinlich schon in London. Es hat keinen Sinn zu schreien."

"Er hat Sirius' Sachen geklaut! Geklaut!"

"Ja, aber trotzdem", sagte Tonks, die den Blick die Straße hinauf und hinunterwandern ließ. "solltest du raus aus dieser ..." Sie stoppte abrupt, als sie mich erblickte. Für einen Moment starrten wir uns stumm an, ehe sie das Schweigen brach, während dessen auch das goldene Trio auf Noreen und mich aufmerksam geworden war. 

Ron durchbohrte mich wie üblich mit Blicken, als würde er  mir die schlimmsten Krankheiten auf den Hals wünschen - wenn er in Zaubertränke auch nur ein wenig talentierter gewesen wäre, hätte ich mir bei den Mahlzeiten in der großen Halle eventuell Sorgen machen müssen - doch auch von Hermine bekam ich einen nachdenklichen Blick. Hatte sie womöglich schon mit dem Puzzle begonnen? Ich wagte nicht, meinen Bruder anzublicken, aus Angst, ihr vielleicht den entscheidenden Hinweis zu liefern.

"Caitlyn ..." Tonks Tonfall war freundlich, dennoch schwang ein für mich undefinierbarer Unterton darin mit. Mein linker Unterarm prickelte. "Schön, dich zu sehen."

Da war ich mir nicht so sicher. Unschlüssig ballte ich meine Hände zu Fäusten und zwang mein Gesicht, einen möglichst gleichgültigen Ausdruck zur Schau zu stellen. Wie immer, wenn ich nervös war, reckte ich das Kinn ein wenig. Sollte ich etwas sagen? Den Gruß vielleicht erwidern? Wenn ich nicht mit ins Ministerium gegangen wäre, stände ich jetzt vermutlich auf ihrer Seite, würde mich innerlich auf einen Kampf gegen den dunklen Lord bereit machen. Nun war das Gegenteil der Fall. Ich beschloss, die Flucht anzutreten.

"Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Du hast jeglichen Kontakt zu uns abgebrochen seit Sirius ..." Ein weiteres Mal unterbrach sie sich selbst, als ich mich mit hochgezogenen Augenbrauen einfach von ihr abwandte. 

Nur kurz hatte ich mir einen Blick gestattet. Doch dieser hatte genügt, um zu sehen, welcher Schmerz in den grünen Augen lag. Ich wäre nur eine Last für ihn.


Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt