Mehrere Fuß voneinander entfernt, sahen Severus Snape und Harry Potter sich an, dann hoben sie gleichzeitig den Zauberstab.
"Cruc-"
Mein Vater wehrte den Fluch ab, noch ehe mein Bruder ihn vollenden konnte und es warf letzteren dabei rücklings von den Füßen. Ich sah, wie er sich zur Seite wegrollte und sich wieder aufrappelte.
"Cruc-", schrie Harry zum zweiten Mal.
Wieder konnte mein Hauslehrer den Zauber mit einem müden Schlenker seines Zauberstabs abblocken. "Keine Unverzeihlichen Flüche von dir, Potter! Du hast weder den Mut noch die Fähigkeit -"
Ohne mein Zutun setzten sich meine Füße abermals in Bewegung. Dieses Mal in umgekehrte Richtung, zurück zum Schloss. Ich kam nicht weit, da Draco mich am Unterarm packte. Durch den Ärmel meines Umhangs prickelte das dunkle Mal unter seinem Griff.
"Incarc-", brüllte Harry. Abermals kostete es meinen Vater nicht mehr als eine knappe Bewegung seines Zauberstabs. "Wehr dich!" Die zuckenden Flammen in meinem Rücken erhellten das Gesicht meines Bruders so weit, dass ich den Hass in seinen Zügen sehen konnte. Hass, den er seltsamerweise ausschließlich gegen meinen Vater richtete. "Wehr dich, du feiger -"
"Feigling hast du mich genannt, Potter? Dein Vater hat mich nur angegriffen, wenn sie vier gegen einen waren, wie würdest du ihn wohl -?" Erst da bemerkte Severus Snape, dass ich seinem Geheiß nicht nachgekommen war. Seltsamerweise spürte ich bei seinen Worten gar nichts. Ich wusste schließlich, was er von meinem leiblichen Vater, James Potter, hielt. Unter zusammengezogenen Augenbrauen sah er mich finster an: "Du solltest verschwinden, Caitlyn!"
Im selben Moment lenkte er einen weiteren Fluch meines Bruders ab. Zorn lag in seinem Blick, als er abermals zu ihm herumwirbelte. Der Wind, der an unseren Umhängen riss, erweckte mehr denn je den Eindruck, er wäre eine Fledermaus.
"Wieder abgeblockt, und wieder und wieder, bis du lernst, den Mund zu halten und deinen Geist zu verschließen, Potter!", höhnte er und lenkte den Fluch erneut ab.
"Impedi-"
Mein Bruder kam nicht dazu, den Zauber zu vollenden. Er kippte vornüber ins Gras, von einem Cruciatus aus unbekannter Richtung getroffen. Ich hatte nicht darauf geachtet. Meine eigenen Gedanken waren in diesem Moment zu leer, um mich irgendetwas fühlen zu lassen. Mit Ausnahme Dracos weicher Haut auf meiner, als er sanft an meiner Hand zog. "Wir sollten gehen."
Ich nickte, rührte mich aber nicht. Ich war von dem Geschehen vor mir viel zu hypnotisiert. "Nein!", brüllte mein Vater, und eine Art der Erleichterung erfüllte mich, als die Wirkung des Fluchs abbrach. Harry lag zusammengerollt im dunklen Gras, umklammerte seinen Zauberstab und rang sichtlich nach Atem. "Hast du unseren Befehl vergessen? Potter gehört dem dunklen Lord - wir sollen ihn am Leben lassen! Geh! Geh!", schrie er den Todesser an, der mich zuvor noch überholt hatte, um Hagrid anzugreifen.
Zu meiner Überraschung gehorchte er klaglos. Selbst Bellatrix rannte hinter ihm auf das Tor zu. Nur mein Zukünftiger und ich verharrten reglos und sahen zu, wie der Erzfeind unseres Herrn sich wieder auf die Beine kämpfte.
"Sectum-"
Mit einem kurzen Schnippen seines Zauberstabs wehrte mein Vater den Fluch wieder ab. "Nein, Potter!", schrie er. Ein lauter Knall ertönte, Harry schnellte zurück und schlug erneut hart auf den Boden, wobei ihm dieses Mal der Zauberstab aus der Hand flog.
Ich traute mich nicht zu atmen. Mein eigener Stab hing nutzlos an meiner Seite. Er schien Tonnen zu wiegen, während mir mein offenes Haar um die Ohren peitschte.
"Du wagst es, meine eigenen Zauber gegen mich einzusetzen, Potter? Ich war es, der sie erfunden hat - ich, der Halbblutprinz! Und du willst meine Erfindungen gegen mich richten? ... nein!"
Als wäre ich ein Gast in meinem eigenen Körper beobachtete ich die Auseinandersetzung zwischen meinem Ziehvater und meinem Bruder. Der Zauberstab, nach dem Harry gehechtet war, flog von einem Fluch getroffen weiter in die Dunkelheit. Ich sah, wie angestrengt sich seine Brust unter bebenden Atemzügen hob und senkte. Keuchend blickte er zu meinem Vater auf. "Dann töte mich doch. Töte mich, wie du ihn getötet hast, du Feigling ... dann sieht meine Schwester vielleicht endlich dein wahres Gesicht."
Dracos Finger gruben sich bei Harrys Worten schmerzhaft in meinen Unterarm. Ich konnte nicht anders, als den Blick aus grünen Augen zu erwidern, die denen unserer Mutter so ähnlich sehen sollten. Irgendwoher wusste er es. Nach all den Jahren, in denen ich so darum gekämpft hatte, die Wahrheit vor ihm zu verbergen, hatte er es herausgefunden. Nur Merlin allein wusste, wie ihm das gelungen war.
Mein Atem ging schwer. Es schien mir unmöglich, den dringend benötigten Sauerstoff in meine Lungen zu ziehen, während Fangs Jaulen noch immer die Luft erfüllte. Da lag er. Mein Bruder. Ich war mir sicher, dass er von meinem Ziehvater nichts weiter zu befürchten hatte. Sonst hätte er ihn eben nicht noch vor dem Cruciatus gerettet.
Dennoch war der Moment bei weitem am schlimmsten.
Es war nicht die Tatsache, dass das dunkle Mal so deutlich sichtbar am Himmel über Hogwarts schwebte und den Ort kennzeichnete, an dem ich endgültig zu meinem persönlichen Albtraum geworden war. Der Grund war auch nicht, dass Hagrids Hütte in Flammen stand und ich meinte, die Hitze direkt an meiner Haut lecken zu spüren. Es war der Blick meines Bruders, wie er dort im Gras zu Füßen meines Ziehvaters lag und anklagend zu mir hinaufsah.
Jetzt endlich sah ich den Vorwurf in seinen Augen, sah die Hoffnung, welche er viel zu lange in mich gesetzt hatte, brechen, als er sah, dass ich nichts tat. Wortlos auf ihn hinabblickte und stumm die Taten seines meist verhassten Lehrers billigte.
Er hatte erkannt, was ich ganz zu Anfang meiner Schulzeit auf Hogwarts immer abzustreiten versucht hatte. Ich war eine Schlange. Ich hatte meine ehemaligen Freunde und alles woran ich einst geglaubt hatte hintergangen. Und endlich sah er auch den Verrat, den ich an ihm begangen hatte. Was ich Harry Potter angetan hatte.
DU LIEST GERADE
Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...