Den Großteil unserer Ferien verbrachten wir von da an im Raum der Wünsche. Während ich es mir auf dem Boden mit einigen Kissen bequem gemacht hatte, mehrere dicke Wälzer um mich herum verteilt, probierte Draco unter meiner Anleitung die unterschiedlichsten Zauber an dem Kabinett aus.
"Es funktioniert einfach nicht." Frustriert knallte mein Verlobter die Tür zum Kabinett zum wiederholten Mal zu und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, welches ohnehin schon in alle Richtungen von seinem Kopf abstand.
Dass er mich in diesem Moment verdächtig an meinen Bruder erinnerte, verschwieg ich ihm. Harry war im Moment auch für mich ein rotes Tuch, dabei war er noch vor Weihnachten nach Hause gefahren. Ich hatte ihm ein Geschenk zum Festtag geschickt - anonym - und hatte mich trotzdem bereits ab dem Moment, da Felyx aus dem Fenster der Eulerei geflattert war, gefragt, ob ich nicht einen schrecklichen Fehler begangen hatte.
Ich streifte den Gedanken mit einem Kopfschütteln ab. Um es rückgängig zu machen war es jetzt ohnehin zu spät. Stattdessen mahnte ich Draco leise: "Die Tür kaputt zu schlagen wird dir auch nichts bringen. Das wäre nur ein Teil mehr, das wir reparieren müssten."
"Ein Schwung meines Zauberstabs und gut wäre es", fuhr er auf, drehte besagtes Stück Holz beinahe panisch zwischen den Fingern. "Du bist sicher, dass in keinem dieser verdammten Bücher irgendein Hinweis steht?"
"Nicht in denen, die ich bisher gelesen habe." Nachdenklich blätterte ich eine weitere Seite von Flüche und Gegenflüche um. Ich konnte gut verstehen, wieso der junge Malfoy so abwesend und gestresst gewirkt hatte. Diese Aufgabe schlug uns beiden aufs Gemüt, obgleich wenigstens ich mir im Moment noch den Gedanken daran verbot, was geschehen würde, sollte die Passage einmal stehen.
Dennoch war meine Hoffnung relativ gering, in diesem Werk irgendetwas Hilfreiches zu finden. Die gelben Seiten enthielten zwar allerhand interessante Zauber, aber nichts, was uns wirklich den Weg zu einer praktikablen Lösung gewiesen hätte. Denn dass das Verschwindekabinett garantiert mit einem äußerst mächtigen Zauber belegt sein musste, stand außer Frage. Was sonst könnte es uns ermöglichen, Todesser unter Dumbledores Nase ins Schloss zu schmuggeln?
Eine Geschichte von Hogwarts hatte mir diesen Punkt nur noch einmal verdeutlicht. Innerhalb dieser Mauern wurden die zukünftigen Generationen junger Hexen und Zauberer herangezogen, kein Wunder also, dass sie mit den stärkst-denkbaren Zaubern belegt sein mussten. Apparierschutz bis zu den Grenzen, nur sieben Geheimgänge, Unaufspürbarkeitszauber und was weiß ich noch alles.
"Könntest du verdammt noch einmal mit deinem Hin- und Hergerenne aufhören?", fauchte ich Draco an, als er gerade Anstalten machte, abermals auf dem Absatz kehrtzumachen. "Wie soll ich mich dabei bitte konzentrieren?"
Entnervt massierte ich mir die Schläfen. Wir hatten gefühlt fast achtzig Prozent der Bücher in der Bibliothek auf den Kopf gestellt, insofern sie auch nur im Entferntesten eine Lösung versprachen. Ich hatte mir bei meinem Vater selbst eine Genehmigung für die verbotene Abteilung geholt, welche er mir, wenn auch widerwillig, schließlich ausgestellt hatte.
Nichts. Absolut gar nichts. Weder in Alchemie, alte Kunst und Wissenschaft noch in Schwarze Magie - die Lösung? geschweige denn Alte und vergessene Hexereien und Zaubereien hatte ich auch nur im Ansatz etwas zu diesem Thema gefunden.
Den gleichen Unmut darüber konnte ich in Dracos Augen ausmachen, während er zu mir hinuntersah. "Wir haben nur noch eine halbe Woche, bis die Schule wieder anfängt. Wenn wir so weitermachen wie bisher, ziehen wir nur unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns. Das letzte, was wir brauchen, ist Dumbledore, der Wind von dieser Sache bekommt."
Ich seufzte und klappte das Buch mit einem dumpfen Laut zu. Der aufwirbelnde Staub brachte mich dabei nicht einmal mehr zum Husten. Als hätte ich noch ein weiteres Zeichen gebraucht, dass wir beide viel zu viel Zeit in diesem Raum verbrachten. "Denkst du wirklich, er weiß es nicht schon längst?", fragte ich, legte den Kopf schief, sodass mir einige rote Strähnen ins Gesicht fielen.
"Wenn er es wüsste, stünden wir nicht hier und würden dieses Gespräch führen", schnarrte er, nahm seine Wanderung wieder auf. "So nobel ist nicht einmal er, sich mit seinem baldigen Tod abzufinden."
Betreten biss ich mir auf die Unterlippe. Um ehrlich zu sein, war ich mir da nicht so sicher. Der Schulleiter tat viel, dass uns normalen Zauberern Rätsel aufgab. Pinke Umhänge tragen zum Beispiel. Er war schlau. Nicht nur einmal hatte ich seine stechend blauen Augen über die halbmondförmigen Brillengläser hinweg auf mir ruhen spüren, während ich mein Frühstücksei in mich hineinlöffelte.
"Du bist dir auch wirklich sicher, dass du nichts übersehen hast?", hakte mein Verlobter ein weiteres Mal nach. "Vielleicht -"
Obwohl ich wusste, dass diese Frage nicht böse gemeint war, fuhr ich zornig auf. Ohne es wirklich zu wollen schleuderte ich ihm einen der dicken Wälzer vor die Füße. "Wenn du glaubst, ich bin zu blöd ein Buch zu lesen, kannst du es gerne selbst machen. Immerhin ist es nicht meine Aufgabe. Ich könnte genauso gut einfach darauf warten, dass du endlich mit diesem verdammten Kabinett fertig wirst - mein Auftrag folgt erst danach." Kaum hatte ich es ausgesprochen, bereute ich meine Worte auch schon wieder. Es war unfair. Wir beide standen bereits unter genug Druck, als dass wir uns jetzt auch noch anfangen mussten zu streiten.
Erschöpft vergrub ich meinen Kopf in den Händen, blinzelte gegen die aufsteigenden Tränen an. In solchen Momenten wünschte ich mir, es könne wieder wie früher sein. Ohne das Prickeln des Mals an meinem Unterarm und das Wissen um meine wahre Herkunft. Als Tochter des Zaubertrankprofessors hatte ich früh gelernt, meine Emotionen zu kontrollieren, tatsächlich hatte ich so gut wie nie geweint. Doch die Potter in mir wollte das ganz offensichtlich nicht einsehen.
Schritte ertönten. Scheinbar hatte Draco sich von dem Anblick des offenen Buchs zu seinen Füßen losgerissen und sich jetzt entschlossen, wirklich die Flucht aus dem Raum der Wünsche anzutreten. Ein leises Aufschluchzen entkam mir, woraufhin ich mir hastig auf die Unterlippe biss. Wenn ich jetzt anfing zu weinen, würde ich so schnell nicht wieder aufhören.
"Mary."
Rasch wischte ich mir mit den Daumen über die Wangen und sah auf. Mein Verlobter hockte direkt vor mir, blickte mich aus seinen grauen Augen heraus an. Kein Zorn lag in ihnen. Es war wie so oft Erschöpfung. Beiläufig legte er das Buch wieder neben mir auf den Stapel und strich mir mit einer Hand die Haare aus dem Gesicht.
"Du hast eines von den wertvollen Büchern aus der Bibliothek durch den Raum geworfen. Lass dich dabei bloß nicht von Mrs. Pince erwischen." Sein Lächeln sah gezwungen aus, nichtsdestoweniger sanft. "Es bringt uns nichts, wenn wir streiten. Wir müssen dieses Kabinett reparieren. Wenn wir es nicht schaffen -" Draco schwieg für einen Moment, biss sich, für ihn vollkommen untypisch, auf die Unterlippe. "- ehrlich gesagt will ich mir dieses Szenario gar nicht ausmalen. Der dunkle Lord sitzt uns im Nacken."
Wie recht er damit haben sollte, wurde mir nur einige Tage später bewusst. Ausgerechnet im Verwandlungsunterricht bei Professor McGonagall.
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Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...