"Narzissa, es ist genug. Trink das. Hör mir zu." Das war der Zaubertrankmeister. Severus Snape. Angestrengt umklammerte ich meinen Zauberstab fester. "Es könnte sein ... dass ich Draco helfen kann."
Nun war es an mir, mir heftig auf die Wange zu beißen. Hatte der Brief womöglich irgendetwas mit dem dunklen Lord zu tun? Aber das konnte nicht sein. Ich hatte doch noch sieben Tage. "Severus – oh, Severus – du würdest ihm helfen? Würdest du auf ihn Acht geben, dafür sorgen, dass ihm nichts passiert?" Ehrliche, mütterliche Verzweiflung klang in Narzissa Malfoys Stimme mit.
"Ich kann es versuchen."
"Wenn du dabei bist und ihn beschützt ... Severus, wirst du mir das schwören? Wirst du den Unbrechbaren Schwur ablegen?"
Ein gackerndes Auflachen trieb mir eine Gänsehaut den Rücken hinab. "Den Unbrechbaren Schwur?", wiederholte mein Ziehvater und nicht der leiseste Hauch einer Emotion schwang darin mit. Nicht einmal ich, die ihn ja inzwischen seit gut sechzehn Jahren kannte, konnte sagen, was womöglich gerade in ihm vorging.
"Hörst du nicht zu, Narzissa? O ja, er wird es versuchen, sicher ... die üblichen leeren Worte, wie gewohnt drückt er sich vor dem Handeln ... oh, auf Befehl des Dunklen Lords natürlich!" Wie sehr ich diesen höhnischen Tonfall verabscheute. In diesem Augenblick war ich mehr als nur froh, nicht mit ihnen im Raum zu stehen, Gefahr zu laufen, ihr direkt ins Gesicht sehen zu müssen.
Die Antwort des Zaubertrankmeisters überraschte mich jedoch. "Natürlich, Narzissa, ich werde den Unbrechbaren Schwur ablegen", sagte er leise. Mir wurde eisig kalt. Hatte ich mich in seiner Loyalität getäuscht? Wovor wollte die Mutter meines Freundes ihren Sohn beschützt sehen? Wofür war mein Ziehvater bereit, im Zweifelsfall sein Leben zu geben? "Vielleicht ist deine Schwester bereit, unseren Bund zu besiegeln."
Schweigen, in dem mein eigener Atem viel zu laut widerzuhallen schien. Die Kerben meines neuen Zauberstabs zwischen meinen Fingern wagte ich mich noch einen Schritt weiter in Richtung Tür, aus Angst, mir könne auch nur das leiseste Wort entgehen.
"Nimm deinen Zauberstab, Bellatrix", sagte Snape da kühl. "Und komm ein wenig näher."
Schritte ertönten in der atemlosen Stille. Dann ergriff Narzissa das Wort: "Wirst du, Severus, über meinen Sohn Draco wachen, wenn er versucht, die Wünsche des Dunklen Lords zu erfüllen?"
Die Wünsche des dunklen Lords? Mir wurde schwindelig, während sich gleichzeitig eine unangenehme Übelkeit in meiner Magengegend einnistete. Ich presste mir eine Hand auf den Mund.
"Das werde ich", antwortete Snape.
"Und wirst du ihn ..." Den Rest ihrer Worte hörte ich nicht mehr, da ich von der Tür wegtrat. Wenn seine Mutter so besorgt um ihn war, musste sie einen Grund dafür haben. Von was für einem Auftrag sprachen sie? Welche Aufgabe konnte sich der dunkle Lord ausgedacht haben, dass sie Draco in solch einer Gefahr wägte? Würde mein Freund für das Versagen seines Vaters bezahlen müssen? Ich konnte mir nicht um noch eine Person aus meinem direkten Umfeld Sorgen machen.
Dieser Gedanke verfolgte mich. Nicht zuletzt, dass ich am Dienstagmittag einen weiteren, sehr kurzen Brief meines Bruders erhielt, der hauptsächlich aus anklagenden Fragen bestand und irgendwie verdächtig nach Ron klang. Ich warf ihn unten im Wohnzimmer in die Flammen.
"Ich würde gerne mit dir sprechen, Caitlyn."
Langsam löste ich den Blick von dem glimmenden Schriftstück und fixierte einen Punkt irgendwo über der Schulter meines Ziehvaters. Caitlyn. Den Namen aus seinem Mund zu hören kam einem Schlag in die Magengrube gleich. Doch ich wusste, wieso er mich nicht bei meinem richtigen Namen nannte. Jedenfalls redete ich mir ein, dass Pettigrews Anwesenheit in unserem Haus der einzige Grund dafür war. "Deine momentane Anwesenheit macht diese Aussage überflüssig, Vater, zumal du den Rest der Ferien auch keinen sonderlich großen Wert auf meine Gesellschaft gelegt hast. Es sind nur noch wenige Tage. Wenn du mich also entschuldigen würdest ..."
"Du verstehst es nicht. Du hast wirklich nicht den blassesten Schimmer", sagte er ernst. Ich konnte fast spüren, wie mich sein flammender Blick im Rücken fixierte. "Du denkst, die Gefolgschaft des dunklen Lords kostet dich nichts weiter als einen kurzen Schwur und am Ende hast du ein Zeichen auf dem Unterarm brennen."
Ich verharrte auf der Schwelle. Rührte mich nicht.
Seinen Sieg witternd, fuhr Severus Snape mit eisig kalter Stimme fort. Bisher hatte ich ihn diesen Ton nur Harry und den Gryffindors gegenüber anschlagen hören. Wie weit waren die Dinge zwischen uns gekommen, dass er mich nun offenbar ebenfalls in diese Gruppe zählte? "Es ist viel mehr als das. Weißt du, was er von dir fordern wird? Totale Unterwerfung. Er wird sich durch deinen Geist fressen und glaub mir, nicht einmal der stärkste Legilimentor hätte in diesem Moment eine Chance gegen ihn."
Gemessenen Schrittes trat er auf mich zu. Für den Bruchteil einer Sekunde erfüllte ein leises Summen die Luft, dann verstummte selbst das prasselnde Geräusch des Regens an der kleinen Fensterscheibe. Er hatte den Muffliato über uns gelegt.
"Was wirst du machen, wenn er deinen Bruder entdeckt? Willst du um seine Gnade flehen, in der Hoffnung, er würde sowohl dich als auch Potter, seinen größten Feind, am Leben lassen?" Es fehlte nur noch ein freudloses Auflachen am Ende. "Tust du das alles wirklich, um ihn zu schützen? Oder hat dein Wunsch, dich ihm anzuschließen, viel mehr etwas damit zu tun, mir eins auszuwischen?"
Zornig knirschte ich mit den Zähnen. Unter Aufbietung all meiner Willenskraft wandte ich mich zu meinem Ziehvater um. "Dann sag mir, wie ich es verhindern kann!", forderte ich, bemüht um einen ebenso kühlen Tonfall wie er. Nicht einmal das munter prasselnde Feuer im Kamin, in dem soeben die letzten Fetzen des Briefes zu Asche zerfielen, vermochte die Luft zwischen uns aufzutauen. Es wirkte geradezu unpassend in diesem Moment. "Du hättest mir schließlich nicht davon berichtet, wenn es nicht möglich wäre. Habe ich recht, Vater?"
Er kniff nicht einmal die Augen zusammen. Tatsächlich behielt er selbst jetzt eine vollkommen ausdruckslose Miene bei. "Denke an etwas Banales."
"Was?" Das sollte des Rätsels große Lösung sein? Wenn der schwarze Lord so einfach zu täuschen wäre, wäre vermutlich nie so weit gekommen. "Insofern du keine besseren Tipps auf Lager hast, würde ich ein Gespräch mit meiner Eule wirklich vorziehen."
"Verdammt nochmal, Mariah!" Ich zuckte zusammen. "So dumm bist du nicht! Wofür denkst du, habe ich dir all die Jahre schauspielern beigebracht? Warum glaubst du, habe ich dich Okklumentik gelehrt, obwohl ich um die Gefahr wusste, die besteht, wenn du herausfindest, wer du wirklich bist? Sind denn all diese Lektionen spurlos an dir vorbeigegangen?"
Freudlos schnaubte ich. "Es waren deine eigenen Worte: Nicht einmal der größte Legilimentor hätte in diesem Moment eine Chance gegen ihn. Ich wünsche dir eine gute Nacht, Vater."
Obwohl ich seinen Worten nur teilweise ernst nahm, war es sein letzter Satz, der sich in mein Gedächtnis brannte und mich die gesamte folgende Nacht vom Schlaf fernhielt: "Erinnere dich an meine Worte. Denke daran, für wen du das alles tust und damit meine ich nicht deinen ach so berühmten Bruder. Höre zur Abwechslung einmal auf dein Herz." Für mich ergab das alles keinen Sinn.
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Unknown Potter II - Hidden in the Dark
FanfictionCaitlyn hat endlich die Wahrheit erfahren. Auch wenn sie erkennen muss, dass diese sie in schreckliche Gefahr bringt. Ihr Vater ist gar nicht ihr Vater und ihr Bruder ist nicht tot, sondern kämpft tagtäglich um sein Überleben, jetzt, da der dunkle L...