6 | 6. Kapitel

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Die Masken unter den schwarzen Kapuzen verbargen jeden der Anwesenden, wirkten in dem großen Salon der Malfoys jedoch geradezu grotesk. Das Licht der Kerzen im Kronleuchter über uns spiegelte sich in den Augen der versammelten Hexen und Zauberer, die, wie ich mir nur allzu bewusst war, immer wieder zu der einzig Unmaskierten im Raum wanderten. Zu mir. 

Mit hochgerecktem Kinn erwiderte ich die Blicke, sollten sie sich doch einmal mit meinen kreuzen, weigerte mich in dieser Gesellschaft Schwäche zu zeigen. Denn obwohl klar war, dass die Verhüllung dem Zweck dienen sollte, die Identität der hier Versammelten zu verschleiern, war ein solches Unterfangen bei einigen der Anwesenden chancenlos. Die Gestalt meines Ziehvaters würde ich überall erkennen, genauso wie seine missbilligenden Blicke auf mir, und auch Bellatrix hätte sich ihre Verkleidung sparen können.

Wieso Draco sich ebenfalls verkleidet hatte, blieb mir ein Rätsel, blieb mein Verlobter doch ohnehin die gesamte Zeit an meiner Seite. Es war nicht einmal wirklich ein Schock gewesen, dass er sein dunkles Mal bereits erhalten hatte. Ich hatte damit gerechnet, seit die Black-Schwestern vor anderthalb Wochen bei uns aufgetaucht waren. 

Als ich ihm wiederum von den Plänen des dunklen Lords für mich berichtet hatte, hatte er mich nur fest in die Arme geschlossen. Er hatte mit keinem Wort erwähnt, dass es ihm leidtäte oder mir gar erklärt, was auf mich zukam. Wer wusste schon, ob ich dann überhaupt noch den Mut aufgebracht hätte, hier zu erscheinen.

Das Zuschlagen einer Tür ließ mich zusammenzucken. Schlagartig wurde es still im Raum, die geflüsterten Gespräche verstummten und die Todesser formten unaufgefordert einen Kreis. Eine Hand an meinem Unterarm zog mich nach hinten und ohne die Tür außer Acht zu lassen, wusste ich, wem sie gehörte. Draco platzierte mich direkt neben sich im Kreis, Bellatrix auf meiner anderen Seite.

"Meine getreuen Todesser, so zahlreich hier versammelt." Den lippenlosen Mund zu einem schmalen Lächeln verzogen, klang der dunkle Lord beinahe stolz, während er die roten Augen durch die Reihen seiner Anhänger wandern ließ. Die Reihen seiner Anhänger. Gleich würde auch ich dazugehören. Wie hatte es nur so weit kommen können? Wie konnte ich hier beinahe freiwillig stehen? 

Sein schwarzer Umhang verursachte nicht das geringste Geräusch, als er langsam näher schritt. Der ganze Raum schien den Atem anzuhalten. 

"Der ein oder andere von euch fragt sich sicher, wieso ich euch zu so später Stunde herbeigerufen habe, den Abend, bevor eure Kinder wieder nach Hogwarts aufbrechen." Auch dies war keine Überraschung. Natürlich waren hier unter anderem die Eltern meiner Klassenkameraden anwesend. "Macht euch keine Sorgen, der heutige Anlass wird nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen." 

Sobald seine roten Iriden auf meine trafen und mich anfunkelten, straffte ich mich. Die Zeit war gekommen. War es mir seit jener Halloweennacht vorherbestimmt gewesen, irgendwann dem Mörder meiner Eltern gegenüberzutreten und mein Haupt vor ihm zu beugen? Mein Zwillingsbruder auf der hellen, ich selbst auf der dunklen Seite stehend? 

"Caitlyn Snape, trete vor."

Ich konnte die Anspannung meines Verlobten neben mir spüren, wusste, dass sie gerechtfertigt war. Eine falsche Bewegung, ein falsches Wort, und ich wäre auf der Stelle tot. Mit wackligen Beinen folgte ich der Anweisung des dunklen Lords, das Geräusch meiner Schritte von dem dicken Teppich am Boden verschluckt. "Mein Lord", murmelte ich, neigte den Kopf, unsicher, was als nächstes geschehen würde.

Den Taktstock, seinen Zauberstab zwischen den Fingern, richtete der dunkle Lord das Wort wieder an seine versammelten Todesser, warf mich ihren Blicken zum Fraß vor: "Ihr alle erinnert euch an die Nacht im Ministerium, in der ich gezwungen war, das lästige Versteckspiel zu beenden, weil einige meiner Anhänger zu unfähig waren, meinen Auftrag auszuführen." Aus dem Augenwinkel meinte ich zu sehen, wie Bellatrix zusammenzuckte. Es gelang mir nur schwer, die Genugtuung niederzukämpfen. "Nur eine von ihnen kehrte zurück und brachte mir gleichzeitig diese junge Hexe, deren Vater es bisher geschafft hatte, sie trotz meiner Wünsche von mir fernzuhalten."

 Mühsam gab ich meinen Atemzügen Tiefe, sah zu meinem Ziehvater, dessen schwarze Augen eine Art Fixpunkt für mich darstellten. Er schien sich überhaupt nicht um den Tadel zu scheren, der unweigerlich in diesen Worten mitschwang. Vielleicht war er aber auch einfach nur ein besserer Schauspieler als ich.

"Nun steht sie hier aus eigenem Antrieb, bereit, ihr Leben dem Dienst unserer Sache zu widmen." Zweifelsohne war der dunkle Lord ein gekonnter Redner. Ob ich nun seine Ideale teilte oder nicht, mit jedem Wort gelang es ihm, mich weiter in seinen Bann zu ziehen. Für einen Augenblick schwieg er und schwere, alles umfassende Stille umhüllte den Raum wie ein Mantel. Mein eigener Atem klang viel zu laut, als der dunkle Lord schlussendlich vor mich trat. "Knie nieder, Caitlyn Snape, und strecke deinen linken Arm aus."

Widerwillig tat ich, wie mir geheißen. Die Hand zur Faust geballt, versuchte ich bestmöglich mein Zittern zu unterdrücken. Kalte, spinnenartige Finger legten sich um mein Handgelenk und ein kleines Schnipsen seines Zauberstabs später, war mein Ärmel der Länge nach aufgeschlitzt.

Im nächsten Moment lag die Spitze des Stabs bereits auf der empfindlichen Haut meines Unterarms, drückte schmerzlich dagegen. Doch es war auszuhalten. "Du wirst dein Leben in meinen Dienst stellen, wirst sämtlichen meiner Befehle ohne Zögern Folge leisten." Die hohle Stimme erklang ausschließlich in meinem Kopf, ich wusste nicht, ob außer mir noch jemand sie hören konnte. 

Und obgleich es keine Frage war, antwortete ich laut: "Ja, mein Lord."

Das waren die ersten Schmerzen, die unvermittelt in meinen Unterarm jagten. Hinabblickend erkannte ich schwarze Schlieren, die von der Spitze des Zauberstabs ausgehend, unter meine Haut wanderten. Angespannt biss ich mir auf die Unterlippe. Der Cruciatus war schlimmer gewesen.

"Du wirst kein Wort über unser Handeln verlieren, noch Außenstehenden irgendwelche anderen wertvollen Informationen zuspielen. Verrat wird mit dem Tode bestraft."

Wieder keine Frage und doch sagte ich fest: "Ja, mein Lord."

Dieses Mal war der Schmerz schlimmer, die Schlieren zogen sich zusammen, formten sich zu den Umrissen des dunklen Mals. Ich biss die Zähne fest aufeinander, wollte unter gar keinen Umständen einen Schrei über meine Lippen lassen. Wenigstens auf diese Weise würde ich meine Familie noch ehren können.

"Du wirst mir hiermit deine ewige Gefolgschaft schwören, unter meinem Befehl jedweden Zauber ausführen, der notwendig erscheint und meine Belange über deine eigenen stellen." Der dritte Befehl. Die Aufforderung, auch nicht vor den unverzeihlichen Flüchen Halt zu machen. Ich konnte die kalten, roten Augen auf mir ruhen spüren, die langen Fingernägel, die sich in mein Handgelenk bohrte, auf eine Antwort warteten.

Von nun an war alles entschieden. "Ja, mein Herr." Kräftig hallte meine Stimme von den Wänden des Salons wider, besiegelte den Schwur, der mich bis ans Ende meiner Tage an den dunklen Lord band.

Heftig und schmerzhaft brannten sich die Schatten unter meiner Haut, formten das Tattoo des dunklen Mals, wurden dunkler und dunkler. Und mit einem Mal wusste ich, was mein Vater mir zu sagen versucht hatte. 

Es war viel mehr als der simple Schwur, den der dunkle Lord mir abverlangte. Severus Snape hatte mich gewarnt, hatte mich gewarnt, dass ich in diesem Moment meine Okklumentikschilde würde fallenlassen müssen. Ich hatte mich dessen erhaben geglaubt, hatte gedacht, mit dem Cruciatus von der Hand des dunklen Lords schon das Schlimmste erlebt zu haben. Doch jetzt diese Qualen in meinem Unterarm, die Tinte, die das Blut in meinen Adern zu Eis gefrieren ließ - es übertraf alles. Obwohl ich merkte, wie sich der Geist des dunklen Lords in meinen eigenen drängte, konnte ich meine Schutzwände nicht erneut hochziehen.

Vergib mir, Harry, dachte ich, als sich schließlich ein kleiner Schrei aus meinem Mund löste. Der Schürhaken in meiner Haut bohrte sich tiefer und meine Gedanken wanderten weiter. Zu Draco, meinem Verlobten. Seine grauen Augen, die mich immer voller Vertrauen ansahen und mir Kraft schenkten. Auch für ihn tat ich das.

Und mit einem Schlag war es vorbei. 

Der dunkle Lord ließ meinen Arm los. Seine Fingernägel hatten Male an meinem Handgelenk hinterlassen, doch diese waren nichts gegen den Totenschädel, der sich nun unheilvoll auf meinem entblößten Unterarm wand. "Erhebe dich, Caitlyn Snape. Du wirst dieses Jahr die Chance bekommen, dich zu beweisen."

Ein zufriedener Ausdruck spiegelte sich in seinen Zügen und irgendetwas in mir sagte mir, dass ich ihn nicht enttäuschen würde. Welchen Auftrag auch immer er für mich im Petto hielt, ich würde ihn mit Bravour erfüllen.


Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt