2.

564 24 2
                                    

Ich musste schlucken. Es war schon sehr lange her, dass ich jemandem meinen Namen verraten hatte. Sollte ich mir schnell einen anderen Namen überlegen? Warum eigentlich? Mich kannte doch niemand.
Mein Name kam etwas brüchig über meine Lippen.
"L..Lena.. mein Name ist Lena."
Thoros nickte und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen.
"Du wirkst auf mich nicht sonderlich offen gegenüber anderen Menschen, Lena", sagte er und ich blinzelte.
"Ich meide andere, so gut ich kann."
"Und doch bist du hier", stellte er fest und ich nickte.
"Sieht ganz so aus."
"Du siehst noch sehr jung aus. Ich schätze dich etwa siebzehn. Kommt das hin?"
Wieder nickte ich. Mir gefiel diese Fragerei nicht. Thoros machte auf mich zwar nicht den Eindruck eines Bösen, dennoch war ich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren sehr vorsichtig geworden.
"Pass auf, wem du vertraust", hatte mich mein Vater gelehrt, "Viele wollen dich nur ausnutzen und lassen dich dann wie ein heißes Stück Fleisch fallen."
Callan kehrte mit zwei Bechern zurück, die er vor uns abstellte.
"Dein Eintopf ist gleich soweit, Mädchen", sagte und ich nickte dankend.
"Warum streunst du hier so alleine durch die Gegend, Lena?", nahm Thoros unser Gespräch wieder auf, als Callan an einen anderen Tisch verschwand, "Gerade zu Kriegszeiten kann das schnell gefährlich werden!"
"Was habe ich denn noch zu verlieren?", erwiderte ich und nippte an der Ziegenmilch. Er sah mich lange an und sagte zwei Worte.
"Dein Leben."
Ich starrte auf meinen Becher und er sprach weiter.
"Auch wenn du es jetzt noch nicht glauben magst, so hat der Herr des Lichts für uns alle einen Weg geplant. Du musst auf dich aufpassen, um diesen Weg bis ans Ende zu gehen!"
Mir entfuhr ungewollt ein amüsiertes Schnauben.
"Ich soll auf mich aufpassen, sagst du? Würde ich nicht auf mich aufpassen, wäre ich schon längst tot. Da ich aber noch hier bin, scheine ich alles richtig zu machen."
Er fuhr sich nachdenklich über den Bart, bedachte mich mit einem prüfenden Blick.
"Ich merke, du bist stärker, als du aussiehst. Aus dir wird noch etwas Großes werden!"
"Hat dir das der Herr der Lichts eben geflüstert?"
"Mach dich darüber bitte nicht lustig."
Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. Callan stellte mir einen Napf Eintopf vor die Nase.
"Guten Appetit", sagte er lächelnd, "Komm danach einfach in die Küche, dann kannst du loslegen. Thoros, möchtest du wirklich nichts essen?"
"Nein, Callan, vielen Dank! Beric holt mich gleich ab. Wer weiß, wo dieser Hund schon wieder die ganze Zeit steckt."
"Wo wollt ihr hin?", kam es nun von mir. Der Eintopf war äußerlich vergleichbar mit einem Haufen Matsch zu Regenzeiten, doch er schmeckte nicht schlecht. Es hätte schlimmer sein können! Thoros sah mich an und trank sein Bier.
"Weißt du, wir ziehen überall mal hin. So wie du. Der einzige Unterschied ist - Wir sind eine Gruppe."
Ich verstand, dass er nicht weiter darauf eingehen wollte und beließ es dabei. War auch besser so, ich wollte nicht schon wieder über meine Alleingänge diskutieren.
Plötzlich öffnete sich hinter uns die Tür und ein großer Mann mit Augenklappe kam herein.
"Thoros, bist du soweit?"
"Da ist er ja, unser Beric!", rief Thoros und trank sein Bier aus. Er legte etwas Gold auf den Tisch und sah noch einmal zu mir.
"Freut mich, deine Bekanntschaft gemacht zu haben, Lena. Vielleicht begegnen wir uns irgendwann einmal wieder."
Ich nickte und ließ ihn mit dem anderen Mann gehen. Er hatte einen netten Eindruck auf mich gemacht, dennoch blieb ich vorsichtig. Der erste Schein konnte immer trügen.
Ich aß meinen Eintopf und brachte das Geschirr dann in die Küche. Ein kleiner Raum, bestehend aus Ofen, Waschzuber und ein paar Schränken. Dennoch größer als unsere Küche damals, dachte ich und erinnerte mich sehnsuchtsvoll zurück, um dann den Kopf zu schütteln. Jetzt war nicht die Zeit dafür!
Durch eine weitere offene Tür entdeckte ich eine Treppe. Was verbarg sich dort oben wohl? Ich kam nicht dazu, näher darüber nachzudenken, da trat mir Greta ins Blickfeld.
"Du kannst gleich loslegen", sagte sie und deutete auf den Waschzuber, "Wie hat es dir denn geschmeckt?"
"Gut", antwortete ich schlicht. Für meine Verhältnisse hatte ich heute schon viel zu viel geredet.
Greta wirbelte neben mir hin und her, während ich mit dem Abwasch begann.
"Du redest nicht viel, was?"
"Nur das Nötigste", entgegnete ich knapp ohne aufzublicken.
"Sowas finde ich immer schade. Weißt du, es kommen sehr wenige Frauen her und mit den Männern kann man nicht reden."
"Mit mir auch nicht", murmelte ich und stapelte das saubere Geschirr. Ich wollte einfach nur noch weg von hier.
Schließlich war der letzte Napf sauber und ich sah Greta an.
"Kann ich sonst noch was tun?"
Just in dem Moment kam Callan herein.
"Sehr gute Arbeit! Möchtest du nicht vielleicht hier bleiben? Greta könnte etwas Hilfe gebrauchen und du hättest ein Dach über dem Kopf."
"Das ist wirklich sehr nett, Callan, aber ich ziehe lieber weiter. Ich möchte am liebsten ganz aus den Flusslanden heraus, hier ist ... einfach zu viel passiert, was ich ... gerne vergessen möchte."
Die beiden sahen sich kurz an und nickten dann fast synchron.
"Alles Gute", sagte Callan und Greta wirbelte herum.
"Warte noch kurz.. Wer weiß, wann du wieder was bekommst. Kriegszeiten sind hart."
Sie kam mit einer Feldflasche und einem Stück Brot zu mir zurück.
"Das ist sehr lieb von dir. Ich schulde euch noch was..."
"Überlege dir mein Angebot nochmal", sagte Callan noch, "Komm wieder, wenn du möchtest. Die Tür steht dir offen!"
Ich nickte und verließ die Schenke. In der Scheune hatte ich noch meinen kleinen Beutel versteckt, den ich damals von Zuhause mitgenommen hatte. Eine zweite Hose und eine Art Hemd befanden sich mit meinem Schaffell darin. Das war mir immer das liebste im Haus gewesen und wenn die Sehnsucht zu groß wurde, holte ich es hervor und drückte es fest an meine Nase. Dann beruhigte mich der Geruch meistens und ich konnte entspannter weiterziehen.
Ich verstaute noch das Brot in dem Beutel, ehe ich ihn über meine Schulter warf und band die Flasche wieder an meiner Hose fest. Dann trat ich aus der Scheune und überlegte noch einmal.
Vielleicht waren Callan und Greta doch nicht so schlecht...? Aber nein. Ich musste endlich vergessen! Doch wie konnte ich das, wenn ich jeden Tag die Luft atmete, die an jenem Tag von diesen grausamen Schreien zerfetzt worden war...?

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt