74.

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Es wurde zunehmend dunkler, als Alayne mich sanft am Arm fasste und mit sich von der Tanzfläche zog. Tywin war gerade damit beschäftigt, Merysa schwungvoll hochzuheben und nach einer halben Drehung wieder auf den Boden zu setzen. Das Mädchen quietschte vor Freude und tanzte weiter mit ihm. Ich betrachtete beide liebevoll, dann wendete ich mich Alayne zu.
"Was ist los?"
"Darian und ich haben noch ein Geschenk für euch. Aber dafür müsstet ihr uns begleiten."
"Lass Tywin eben noch zu Ende tanzen, dann folgen wir euch", ich blickte wieder zu meinem Löwen und bemerkte nicht das Seufzen, welches meine Lippen verließ, "Kaum zu glauben, dass es diese Facette an ihm noch gibt. So ausgelassen habe selbst ich ihn noch nicht erlebt. Sieh ihn dir an, ist das nicht hinreißend?"
Ich hörte das leise Lachen Alaynes neben mir.
"Du bist wirklich total hin und weg von ihm! Aber genau so soll es auch sein! Ich hoffe, er wird diese Seite an sich öfter zeigen."
Insgeheim hoffte ich das auch, selbst wenn ich nicht damit rechnete. Ich war mir sogar sicher, dass er äußerlich wieder stark abkühlen würde, sobald wir auch nur in die Nähe von Königsmund kamen. Irgendwann mussten wir dorthin zurück, das wusste ich. Immerhin war er die Hand des Königs.
Der Tanz endete und ich ging zu ihm.
"So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr!"
Ich musste lächeln.
"Mein Löwe, Alayne und Darian wollen uns noch etwas zeigen. Kommst du?"
Er sah noch einmal über die Masse, dann nickte er und ergriff meine Hand. Gemeinsam gingen wir zu Alayne und Darian, die sich auf den Karren setzten.
"Es ist nicht viel, aber dafür von Herzen!", sagte Darian und Alayne zog zwei kleine Leinentücher hervor.
"Alayne", seufzte ich, dann verband sie mir auch schon die Augen.
"Nein, kein aber, Lena! Es soll eine Überraschung sein!"
"Ich sehe meine Löwin nicht mehr!", protestierte Tywin neben mir und ich tastete nach seiner Hand.
"Und dennoch bin ich da, Tywin. Alles ist gut."
Er legte den Arm um mich und zog mich an sich, als Darian die zwei Pferde antrieb und sich der Karren in Bewegung setzte. Hinter uns hörte ich die lauten Rufe und das Gelächter der Dorfbewohner, welches sich mehr und mehr in der Nachtluft verlor und leiser wurde. Es wurde kühl, doch Tywins Brust war warm und ich fühlte mich wieder so geborgen, wie schon sehr lange nicht mehr. Heute Nacht werde ich bestimmt auch mal wieder gut schlafen können, dachte ich voller Euphorie, doch diese fand ein jähes Ende. Unweigerlich begann ich wieder vor Aufregung zu zittern. Was würde mich heute noch erwarten?
"Frierst du?", fragte Tywin besorgt und gerne hätte ich ihn angesehen.
"Aufregung", erklärte ich schlicht. Ich wollte nicht weiter von meiner Furcht berichten, zumindest noch nicht.
Schon kurz darauf hielt der Karren und die Pferde schnaubten.
"So, wir helfen euch jetzt vom Karren. Vorsichtig, da ist die Kante... gut, geschafft!"
Nacheinander halfen uns Darian und Alayne hinab und meine Neugier war gewaltig. Was kam als nächstes?
Mir wurde das Leinentuch von den Augen genommen und blinzelnd sah ich mich um. Wir standen vor einer großen Scheune.
"Wir dachten, ihr würdet gerne etwas allein sein", sagte Alayne zögerlich, doch ich konnte nicht antworten. Mit großen Augen ging ich an ihr vorbei und drückte die große Tür auf. Überall hingen kleine Kerzengläser, die ihr schummriges Licht auf ein Bett aus Heu warfen, bezogen mit Leinentüchern und Bettwäsche. Auf einem kleinen Tisch in der Ecke standen ein kleines Fass und zwei Gläser. Vermutlich Wein.
"Alayne, das... Ich kann gar nicht sprechen, das ist wunderschön!", stammelte ich und blickte die Frau mit den strahlenden Augen an. Sie lächelte, wirkte stolz und komplett zufrieden.
"Es freut mich, dass es euch gefällt! Aber dann wollen wir euch jetzt auch nicht weiter stören. Komm, Darian, kehren wir zu den anderen zurück. Und euch beiden noch eine gute Nacht."
Alayne warf mir noch einen letzten vielsagenden Blick zu, ehe sie die Tür hinter sich schloss und mit Darian verschwand. Ich schob den Riegel vor und atmete tief durch. Ich musste mich erst einmal sammeln und sortieren. Langsam drehte ich mich um. Tywin war derweil zu dem Bett gegangen und schlug die Bettdecken zurück.
"Sie haben ganze Arbeit geleistet", murmelte er anerkennend und in seine Stimme mischte sich ein Ton von Ungläubigkeit. Ich nahm neben ihm Platz und blickte ihn verliebt an.
"Und noch einmal - Willkommen in meiner Welt."
Er lächelte, ehe er mich sanft küsste.
"Dies gibt mir noch einmal einen neuen Blickwinkel, was meine Tätigkeiten als Hand des Königs angeht, denke ich. So herzensgute Menschen sollten belohnt werden!"
"Vielleicht sollte ich dich auf diesem Gebiet beraten", scherzte ich, "Quasi als Hand der Hand des Königs."
"Da du nun meine Frau bist, ist mir dein Rat offiziell stets der liebste!"
Ich lächelte und musterte ihn. In diesem leichten Licht sah er gleich noch etwas besser aus, seine Augen funkelten. Ich strich ihm über den Bart und kämpfte erneut mit dem Zittern, welches mich überkam. Ich musste es ihm sagen!
"Lena, was hast du?", fragte er und ich schluckte. Ich bekam nur sehr schwer den Mund auf.
"Ich fürchte mich ehrlich gesagt ein bisschen vor...naja...was noch kommt."
Er sah mich lange an.
"Du meinst...? Achso, ich verstehe. Lena, hör mir zu", er nahm mein Gesicht in seine Hände, "Ich werde dir niemals weh tun, hast du verstanden? Ich werde dich zu nichts zwingen! Niemals! Wenn du warten willst, dann warten wir. Ich habe dich gerade erst wieder und ich werde einen Teufel tun, dich wieder zu verlieren!"
Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich stürmisch die Arme um ihn schlang und mich an ihn drückte.
"Ich verlasse dich nicht! Nie wieder, in keinem Leben und für nichts auf sämtlichen Welten! Ich liebe dich, Tywin!"
"Shh... Ich dich auch."
Ich weiß nicht, wie lange wir so sitzen blieben, doch ich genoss seine Nähe und fand langsam wieder Ruhe. Irgendwie musste diese Angst doch zu besiegen sein...


A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt