Über die Schwelle des Zeltes drang immer spärlicher Tageslicht. Die zunehmende Dämmerung zog es mit sich fort, während ihre Söhne, die Schatten, ihre Wege suchten und sich über die Welt ausbreiteten. Mit der zunehmenden Dunkelheit der Nacht kam mir ein Gedanke, der mir Angst bereitete. Und Lord Tywin war derjenige, der diese Angst aussprach.
"Die morgige Schlacht rückt näher."
Ich war noch nie so dicht an einer Schlacht gewesen, wie jetzt. Von all den Soldaten, die heute noch lebendig von Zelt zu Zelt wuselten und miteinander lachten, könnten schon morgen die meisten fallen. Tot am Boden würden sie liegen und faulen, umkreist von tausenden Krähen. So, wie ich es auf Harrenhal gesehen hatte. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken.
"Du zitterst, Lena. Frierst du?"
Ich richtete meinen Blick wieder auf den Lord, der mich eingehend musterte. Ich starrte auf meine Hände, konnte seinem Blick nicht standhalten.
"Nicht der Kälte wegen, Mylord. Die bin ich gewöhnt. Aber der Gedanke an die morgige Schlacht bereitet mir Sorge."
"Es gibt nur zwei Wege, wie sie ausgehen vermag. Entweder wir gewinnen und retten die Stadt, oder wir verlieren und Königsmund fällt in die Hände von Stannis Baratheon. Sei es, wie es sei, ich bin nicht gewillt, zu sterben. Auch wenn vermutlich die halbe Welt darauf trinken würde. Nein, den Gefallen kann ich den vielen Lords von Westeros nicht tun."
Mir zog sich der Magen zusammen, als ich mir Lord Tywins Leichnam zwischen allen anderen vorstellte. Ich schüttelte den Kopf, um das Bild zu verdrängen. Er würde gewinnen, da war ich sicher.
Ehe ich es mich versah, hatte Lord Tywin einen zweiten Kelch mit Wein vor mir hingestellt.
"Trink. Dein Zittern macht mich wahnsinnig."
Ich betrachtete lange die tiefrote Flüssigkeit und mein Zittern wurde noch unkontrollierter als vorher. Ich hatte mir geschworen, niemals Alkohol zu trinken. Ich fürchtete mich davor.
"Mylord, ich möchte nicht..."
"Was lehrte ich dich auf Harrenhal einst? Es zeugt von schlechten Manieren, das Angebot eines Lords abzulehnen. Trink, bevor ich es dir eigenhändig einflöße."
Mit einem resignierten Seufzen ergriff ich den Kelch und verzog das Gesicht, während ich ihn an meine Lippen setzte. Ich kniff die Augen zu, während ich die Flüssigkeit mehr und mehr in meinem Mund spürte. Süß und einnehmend schmeckte sie, ganz anders als ich es mir immer vorgestellt hatte. Ich nahm noch einen Schluck und spürte, dass das Zittern tatsächlich langsam abebbte.
"Hör mir zu", sprach der Lord und ich unterbrach meine Geschmacksexkursion für einen Moment, "Du hast mir ordentlich gedient. Du hast mir sogar das Leben gerettet, glaube nicht, dass ich das vergessen habe. Ich stehe in deiner Schuld und Lannisters begleichen stets ihre Schulden."
Ich stellte den Kelch ab und musterte ihn, während er seinen Kelch leerte, tief Luft holte und weitersprach.
"Du verdienst ein ordentliches Heim. Einen Ort, an dem du dich zurückziehen kannst. Wenn wir das morgen tatsächlich überleben, werde ich dir eine ordentliche Wohnung in der Stadt besorgen. Eine, die dir gerecht wird. Dann darfst du dir Arbeit suchen, die dir gefällt und dein Leben gestalten, ganz wie du magst. Fernab von den Flusslanden, das wolltest du doch die ganze Zeit, falls ich mich recht entsinne."
Überwältigt von dem Angebot musste ich noch einen Schluck Wein trinken, um die Stimme wiederzufinden. Der Kelch war schneller geleert, als ich dachte, doch Tywin füllte bereits neu auf. Er hatte mir tatsächlich zugehört! Nichts hatte ich mir sehnlicher gewünscht, als ein Heim fernab der Flusslande und ein Leben ohne Schmerzen. Ich wusste nicht, ob es an dem Wein lag, der mir bereits jetzt die Sinne vernebelte, aber je länger ich den Lord vor mir in seiner Rüstung ansah, desto weniger erkannte ich die Bestie in ihm. Von außen wirkte er wie immer, natürlich. Grimmig, die Stirn gerunzelt und ein kriegerisches Funkeln in den blauen Augen. Und doch sah ich etwas anderes. Das war der Lord Tywin, der an Fieber gelitten hatte. Der, von dem ich dachte, er wäre längst woanders gewesen. Vielleicht lag ich damit falsch. Vielleicht war er mir doch näher gewesen, als ich geglaubt hatte.
Seine Bewegungen rissen mich aus den Gedanken, er stand auf.
"Hilf mir bitte aus der Rüstung, Lena."
Bitte?! Hatte er mich gerade gebeten? Ich hatte mich bestimmt verhört, es lag gewiss am Wein. Dennoch gehorchte ich und half ihm aus der Rüstung, ehe er sich auf sein Feldbett legte. Ich selbst trank schnell meinen Wein aus, bevor ich mich zum Gehen wandte. Doch zu meiner Verwunderung hielt mich der Löwe zurück.
"Warte."
Verwirrt drehte ich mich zu ihm um, er klopfte auf die Bettkante.
"Noch stehst du unter meinem Befehl und ich wünsche deine Gesellschaft, bis ich eingeschlafen bin. Danach darfst du dann meinetwegen gehen."
Langsam und etwas unsicher kehrte ich also zu ihm zurück und ließ mich vorsichtig auf der Bettkante nieder. Tywin lehnte sich in die Kissen zurück und musterte mich einen Moment.
"Als ich Fieber hatte, hast du auch auf der Bettkante gesessen, oder irre ich mich da?"
"Nein, Mylord, das stimmt."
Er nickte, schien nach irgendeinem Gesprächsthema zu suchen. Doch ehe er eines finden konnte, blickte ich kurz nach draußen in die Dunkelheit.
"Es ist schon spät und morgen erwartet Euch ein harter Kampf mit Stannis. Ihr solltet schlafen und Eure Kräfte für den Sieg sammeln, Mylord."
Er nickte und schloss die Augen, während ich tief Luft holte und leise die Regen von Castamaer summte. Ein kurzer Anflug von einem Grinsen zog über die Mundwinkel des Lords, während seine Atemzüge immer tiefer wurden und sein Kopf etwas zur Seite fiel. Der Wein tobte währenddessen in mir, vernebelte weiter meine Gedanken und Empfindungen. Völlig erschöpft dachte ich also nicht weiter darüber nach, als mein Körper langsam auf die kleine freie Fläche neben dem Löwen sank. Ich breitete noch ordentlich die Decke über uns aus, ehe mich die Kraft verließ und ich schließlich neben dem sonst so kalten Lord einschlief...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...