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Mein Gewand war sehr schnell ausgesucht gewesen. Ein sandfarbenes, schon fast goldenes mit wenigen Haken am Rücken und einer kleinen Schleife im Nacken, dazu kurze Ärmel. Merysa hatte auf einem Schemel gesessen und mich mit großen Augen betrachtet.
"Wie eine Lady!", hatte sie gerufen und ich war errötet. Ja, das wäre in Zukunft mein Titel. Ein sehr ungewohnter Gedanke.
Für Tywin war es nicht so amüsant gewesen, auf Hannas Befehl hin musste er nämlich draußen warten. Ich kehrte schließlich freudestrahlend zu ihm zurück.
"Das ging schnell", bemerkte er und zog mich an sich, "Die Frauen, die ich kenne, brauchen immer eine halbe Ewigkeit."
"Ich weiß doch, wie ungern mein Löwe wartet. Und außerdem - Was soll das heißen, "die Frauen die du kennst?" Hm?", erwiderte ich und gerade, als er sein Haupt zu mir hinab gesenkt hatte, stand Hanna in der Tür und räusperte sich.
"Mylord, wenn Ihr mir dann nun bitte folgen würdet? Und Lena - Nicht schummeln! Jetzt wartest du draußen."
Ich nickte und ließ Tywin mit leichtem Seufzen gehen. Wie er wohl hinterher aussehen würde? Die verschiedensten Bilder traten mir vor Augen und so ziemlich jedes gefiel mir. Aber am Ende war es eigentlich auch egal, was er trug. Hauptsache, er war bei mir und das für immer.
Nach einer guten Weile trat auch Tywin wieder hervor, ebenfalls einen Beutel in der Hand.
"Dankeschön, Hanna, dass du so kurzfristig etwas schönes für uns gefunden hast", bedankte ich mich und blickte in ihr lächelndes Gesicht.
"Eine solche Hochzeit findet selten statt, vor allem in einem Dorf. Das wird bestimmt wunderschön werden!"
Natürlich wird es das, dachte ich und lächelte ebenfalls.
Alayne und Darian betraten das Geschäft. Merysa lief zu ihnen, freudestrahlend und aufgedreht.
"Mutter, Lenas Kleid ist einfach wunderschön!"
"Merysa", zischte Hanna, "Nicht verraten, Lord Tywin soll das doch noch nicht wissen!"
Die Kleine hielt sich kichernd die Hand vor den Mund und Darian hockte sich vor sie hin.
"Sämtliche Kinder sind auf den Feldern. Sei brav und lauf dorthin, du kannst bestimmt helfen."
Das Mädchen nickte und warf noch einen letzten Blick auf Tywin und mich, ehe sie nach draußen lief. Wir mussten allesamt lachen.
"Scheint so, als wäre sie aufgeregter als wir", sprach Tywin meinen Gedanken nun aus und ich lächelte.
"Ganz deiner Meinung."
Alayne musterte uns grinsend, ehe sie in die Hände klatschte.
"Darian, nun sei so gut und führe Lord Tywin woanders hin."
"In der Taverne sind noch meine Soldaten", merkte mein Löwe an und ich musterte ihn.
"Bist du etwa mit einer ganzen Kompanie losgezogen?"
"Wenn zwei Soldaten für dich schon eine ganze Kompanie sind, dann schon."
Ich lächelte, dann spürte ich plötzlich Hannas Hand um meinem Handgelenk, die mich langsam mit sich zog.
"Genug geredet, Lena muss sich fertig machen!"
"Ich werde gleich nochmal mit Olyvar reden, wenn wir eh schon in der Taverne sind", sagte Darian, "Wir wollen ja schließlich auch etwas trinken."
"Ja, ja, jetzt geht endlich!"
Alayne schob die beiden regelrecht zur Tür hinaus. Tywin warf mir noch einen letzten Blick zu, den ich liebevoll erwiderte. Dann verschwand er mit Darian und Hanna führte mich zurück hinter den Vorhang, Alayne hinter uns.
"Wenn ich das so beobachte", begann Hanna, "Wird er dir zukünftig nicht mehr von der Seite weichen, Lena."
"Das soll er auch nicht", erwiderte ich und stieg ein zweites Mal aus meiner Kleidung, "Ich kann ohne ihn nicht mehr leben."
"Kein Zweifel", merkte Alayne an und inspizierte eine Haarbürste, "Wenn ich vergleiche, wie leblos du in den letzten Tagen gewirkt hast... Und jetzt, wo er wieder da ist, strahlst du förmlich."
Ich schüttelte nur den Kopf.
"Ich werde ihn nie mehr verlassen! Da kann mir jeder drohen, wie er will. Noch einmal mache ich das nicht mit, das schwöre ich bei den alten Göttern und den neuen!"
"Dass ich das nochmal erlebe", seufzte Hanna verträumt, "So jung und dennoch schon so entschlossen, was die Liebe angeht!"
"Lena scheint mir allgemein eine sehr entschlossene Person", stimmte Alayne zu und ich spürte die Hitze in meinen Wangen.
"Ach, hört doch auf! Ich werde noch ganz verlegen."
"Von diesem Tag werden noch Merysas Urenkel sprechen! Ein Lord macht sich auf die Suche nach einem Bauernmädchen, um sie zu heiraten."
Die beiden Frauen kamen aus ihren Schwärmereien gar nicht mehr heraus. Ich ließ mir währenddessen von ihnen ins Gewand helfen und sendete meine Gedanken fort, fort zu meinem Löwen. Wie es ihm wohl gerade erging? ...

~~~

"Ihr beiden werdet euch gleich auf den Weg machen und in die Hauptstadt zurückkehren. Richtet meiner Tochter, der Königin, aus, dass ich wohl erst morgen aufbrechen werde. Sie kann sich bei meiner Rückkehr auf etwas gefasst machen! Oh... und kein Wort davon, dass meine Suche erfolgreich war. Verstanden?"
"Und wenn sie fragt, Mylord?"
Ich knöpfte mein neues Gewand zu, ehe ich antwortete. Wahrlich schlicht war dieses Kleidungsstück konzipiert, doch ich nahm es Lena zuliebe hin.
"Dann sagt ihr, ich würde noch weitersuchen. Nun geht! Wenn ihr den direkten Weg nehmt, braucht ihr vermutlich nur einen Tagesritt. Und diesmal keine Ausflüge in die Tavernen, ist das klar?"
"Ja, Mylord."
Darian sah von seinem Gespräch mit Olyvar, dem Wirt, auf. Sie hatten an einem anderen Tisch gesessen.
"Wenn ihr in Schurwerth ankommt, haltet nach einem Septon Ausschau. Er muss unbedingt herkommen, die Stadt liegt nicht weit von hier."
Ich blickte auf, strukturierte in meinem Kopf schnell um. So, wie ich es schon immer getan hatte.
"Gut, neuer Plan: Ihr reitet beide nach Schurwerth und sucht den Septon. Einer von euch bringt ihn hierher, der andere reitet weiter zum roten Bergfried. Verstanden?"
Die Soldaten nickten und liefen eilig nach draußen zu ihren Pferden. Ich sah währenddessen in ein poliertes Stück Metall und begann, meinen Bart einigermaßen in Form zu bringen. In der letzten Woche hatte ich dies natürlich stark vernachlässigt, ich war zu sehr mit meinen Gedanken und meiner Suche beschäftigt gewesen. Eine der beiden Frauen kümmerte sich in der Zeit um den Waschzuber, in dem ich mich vorhin gewaschen hatte. Darian stand plötzlich neben mir.
"Soll ich Euch helfen, Mylord?"
Ich nickte und reichte ihm das Messer.
"Dass du mir aber nicht zu viel davon wegnimmst!"
Mit einem leichten Schmunzeln erinnerte ich mich an die dritte Nacht, die Lena bei mir verbracht hatte. Ich würde wohl niemals ihre strahlenden Augen vergessen, als sie mit ihren Fingern sanft über meinen Bart strich und die Stimme zu einem Flüstern senkte.
"Ich weiß, das klingt komisch, aber ich liebe Euren Bart! Der ist so...ich weiß nicht. Er steht Euch verdammt gut!"
Ich seufzte leise. Ich hatte diesen Antrag nicht geplant. Noch zumindest nicht. Aber meine Lena wiederzusehen, schien mir neues Leben einzuhauchen. Und dieses Leben konnte ohne sie einfach nicht existieren, das war eindeutig.
Darian riss mich aus den Gedanken.
"Ich bin wirklich froh, dass Ihr Lena gefunden habt. Ihr müsst wissen, sie ist für uns mittlerweile praktisch ein Teil der Familie und sie so leiden zu sehen, war verdammt qualvoll."
Ich blickte ihn direkt an.
"Hat sie denn so stark gelitten?"
"Sie hat kaum noch richtig gegessen und geschlafen sowieso nicht. Lord Tywin, sie liebt Euch über alles. Wenn sie mal schlief, träumte sie von Eurem Tod auf dem Schlachtfeld. Sie hatte panische Angst um Euch."
Ich erstarrte. Es war für sie wirklich genauso schlimm gewesen, wie für mich! Meine arme Lena...
"Danke, dass du mir das gesagt hast, Darian", erwiderte ich schließlich, "Und danke, dass ihr euch ihrer angenommen habt."
"Sie rettete meine Tochter, das war das Mindeste. Aber nun genug der Traurigkeit, Ihr werdet sie bald heiraten!"
Ich würde sie heiraten, ja. Natürlich freute ich mich über alle Maßen darüber, doch irgendwo im hintersten Winkel dieser Euphorie, hörte ich eine innere Stimme. War das wirklich die richtige Entscheidung gewesen? Oder hätte ich doch besser noch warten sollen, bis Ruhe eingekehrt war? Plötzlich war ich mir damit gar nicht mehr so sicher...

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