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Lange starrte ich Tywin an, der vor mir im Sand kniete und mich hoffnungsvoll ansah. Er hielt meine Hände fest in seinen, legte leicht den Kopf schief. Meine Gefühle tobten, ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Er wollte mich heiraten, wollte mich bei sich haben. Er war fast eine ganze Woche lang unterwegs gewesen, um mich zu suchen!
Erneut traten Tränen in meine Augen, ehe ich ebenfalls vor ihm in die Knie ging. Mir fehlte einfach die Kraft, um weiter zu stehen. So hockten wir nun beide im Sand, ehe ich schluckte und meine Entscheidung traf. Die Entscheidung, die mein zukünftiges Leben bestimmen würde.
"Ja, Tywin. Ich will nie wieder ohne dich sein", flüsterte ich und seine Augen strahlten so sehr wie noch nie zuvor. Ehe ich es mich versah, stand er auf und zog mich mit sich hoch. Dann schlang er die Arme um meine Hüften und hob mich erneut zu sich hoch. Ich schlang quietschend die Arme um seinen Hals, hielt mich an ihm fest. Liebevoll blickte ich zu ihm hinab, dann küsste ich ihn sanft. Für diesen Moment schien alles um uns verschwunden, weit entfernt im Hintergrund hörte ich dumpf Applaus und Jubel. Die Dorfbewohner um uns herum hatten Tywins Antrag mitverfolgt und klatschten lautstark. Aber das interessierte mich nicht. Ich war endlich wieder mit meinem Löwen vereint und selbst wenn es nur knapp drei Wochen ohne ihn waren - Es waren die schlimmsten drei Wochen seit langem gewesen!
Er ließ mich wieder herunter und küsste mich erneut. Seine Arme legten sich um mich und er verstärkte seinen Kuss noch, als hätte er Sorge, dies wäre wirklich nur ein Traum und wir würden gleich darauf wieder alleine und voneinander getrennt erwachen.
"Mein Löwe, ich bin hier, keine Angst", flüsterte ich etwas atemlos und blickte glücklich zu ihm hoch. Ich bemerkte Merysa nicht, die plötzlich hinter mir stand.
"Lena?"
Verwundert drehte ich mich zu ihr um. Sie sah unsicher zwischen Tywin und mir hin und her, dann deutete sie kurz auf ihn.
"Lena, wer ist das?"
Ich hockte mich vor ihr hin und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern.
"Erinnerst du dich an die Geschichte, die ich dir erzählte?"
Sie nickte und mein Lächeln wurde breiter.
"Das ist der Löwe. Das ist Lord Tywin Lannister."
Merysas Augen weiteten sich und ich erhob mich wieder.
"Dann hat der Löwe also das Mädchen gefunden?"
"Ja, Merysa. Der Löwe hat das Mädchen gefunden."
"Sein Mädchen", knurrte Tywin hinter mir und zog mich wieder an seine Seite. Er hatte unser Gespräch mitverfolgt. Ich musste lachen, bevor ich mich an ihn schmiegte.
"Ja, nur sein Mädchen."
Jetzt kamen auch Alayne und Darian zu uns.
"Du lächelst!", freute sich Alayne und ich nickte glücklich. In ihren Augenwinkeln sah ich genau die beiden kleinen Tränen. Freudentränen. Dann kam mir eine Idee und ich wandte mich an Tywin.
"Darf ich einen Wunsch äußern?"
"Natürlich", erwiderte er und ich stellte mich kurz zwischen Alayne und Darian.
"Die beiden hier haben sich meiner angenommen, als ich sie brauchte. Wenn das in Ordnung ist, möchte ich sie gerne dabei haben, wenn ich dich heirate."
Ich hörte Alayne neben mir überrascht aufkeuchen und legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. Tywin betrachtete uns einen Moment, dann nickte er schließlich.
"Wenn du es wünschst, dann soll es so sein."
"Aber Lena, das geht doch nicht", erwiderte Darian plötzlich, "Wir können doch hier nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Und wie wollen wir außerdem in die Hauptstadt kommen? Das dauert viel zu lange!"
"Sonst heiraten Lena und ihr Löwe doch einfach heute Abend bei uns im Wald!", rief plötzlich Merysa und sämtliche Augenpaare lagen überrascht auf ihr.
"Merysa, so einfach ist das nicht", begann Darian zögerlich, da legte ich leicht den Kopf schief.
"Warum? Also mir gefällt diese Idee sehr gut! Offiziell heiraten wir in der Hauptstadt. Und inoffiziell heute im Wald. Ganz einfach, wie es mir eigentlich immer vorherbestimmt war. Wie findest du das, Tywin?"
Ich war unbewusst über das "Ihr" hinweg gegangen. Doch es schien ihn nicht weiter zu stören, er legte den Arm um mich und nickte mit leichtem Lächeln.
"

So soll es sein. Niemand wird dich mir jemals wieder wegnehmen! Außerdem würde mich wirklich interessieren, wie eine Hochzeit in einem Dorf abläuft. Als Lord bekommt man das nicht so häufig mit."
Alayne bekam leuchtende Augen.
"Gut, ihr beide seht zu, dass ihr euch etwas passendes zum Anziehen besorgt. Merysa, führe sie zu Hanna! Wir kümmern uns um den Rest. Lena, Darian und ich werden später zu Hanna kommen. Ich kümmere mich dann um dich und Darian woanders um Tywin. Heute Abend soll alles perfekt sein!"
Wenn ich in den zwei Wochen etwas über Alayne gelernt hatte, dann das folgende - sie ließ sich nicht mehr überreden, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Merysa zog Tywin und mich einfach hinter sich her. Ich musste lachen.
"Ihr müsst doch jetzt nicht so einen Wirbel darum machen!"
Zu meiner Verwunderung hörte ich auch Tywin leise lachen und fühlte mich gleich noch ein wenig besser...
Hannas Geschäft war nicht groß, dafür aber bis zur Decke hin voll mit den verschiedensten Arten von Gewändern.
"Hanna, Mutter sagte, ich soll die beiden hier zu dir bringen. Sie wollen heiraten, ist das nicht aufregend?! Mutter und Vater kommen später auch dazu!"
Die Kleine schien fast schon aufgeregter als ich selbst. Hanna, eine Dame mittleren Alters mit grauem Haaransatz, blickte hinter dem Tresen hervor, musterte eindringlich Tywin in seiner Rüstung.
"Ein Lannister, falls ich das richtig sehe?"
"Lord Tywin Lannister", bestätigte ich lächelnd und ergriff seine Hand. Seine große, warme Hand. Hanna blinzelte, ehe sie zu uns lief und sich so gut es ging verneigte.
"Bei den Göttern, verzeiht mir, Mylord! Meine Augen sind nach einem Unfall nicht mehr das, was sie einmal waren."
"Schon gut", winkte er schlicht ab, "Ich würde zu meiner Hochzeit aber liebend gerne etwas anderes tragen, als diese Rüstung. Ich bevorzuge etwas rotes zu Festlichkeiten."
Ich hatte ihn noch nie in einem roten Gewand gesehen. Verträumt blickte ich ihn lange an, stellte mir das Ergebnis vor - und war jetzt schon begeistert.
"Ich fürchte, dass meine Stoffe vermutlich nicht so fein sind, wie Eure Lordschaft kennt."
"Sei es drum. Das wird auch keine Hochzeit, wie ich sie gewohnt bin. Es war der Wunsch meiner zukünftigen Gattin, eine Hochzeit nach dörflicher Tradition zu feiern und dem werde ich ohne Ausnahme nachgehen."
"Das ist also die Glückliche", murmelte Hanna und umkreiste mich prüfend, "In Hemd und Hose?"
"Eine praktische Angewohnheit aus der Kindheit", erklärte ich knapp und die Frau nickte.
"Für heute sollte es ein Kleid sein, denke ich. Das schönste, was ich finden kann. Ich eile sofort los, Moment! Merysa, komm, du kannst mir helfen!"
Ihre Augen mochten nicht mehr gut sein, dafür waren ihre Füße umso schneller. So schnell, wie sie gekommen war, war sie auch schon wieder hinter einem Vorhang in einem anderen Raum verschwunden, Merysa mit leuchtenden Augen hinter sich. Tywin sah sich derweil um, musterte prüfend seine Umgebung. Eine Mischung aus Neugier und etwas undeutlichem zeigte sich in seinem Blick. Ich zog ihn plötzlich zu mir herunter und küsste ihn sanft.
"Willkommen in meiner Welt, Mylord."
"Für den Rest des Tages bin ich kein Lord. Ich bin...hm, was bin ich...?"
"Facharbeiter in der Manufaktur für Pergament und Schreibfedern?", schlug ich vor und konnte das Grinsen nicht unterdrücken. Tywin schnaubte gespielt beleidigt und ich setzte noch einen drauf.
"Zudem leidenschaftlicher Züchter von Briefraben."
"Lena, Vorsicht!"
"Sei du vorsichtig! Ich koche dir immerhin das Essen und wasche deine Wäsche!"
Wir blickten uns stumm an, ehe wir zu lachen begannen und ich mich erneut fest an ihn kuschelte. Einen so ausgelassenen Tywin erlebte man wahrlich sehr selten. Und ich war heilfroh, dass ich die Person war, die das erleben durfte...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt