84.

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Noch etwas müde und erschöpft stand ich an der Feuerstelle und wendete so eben den Schinken in der kleinen Pfanne. Yara fand sich neben mir ein, musterte mich von der Seite.
"Guten Morgen! Du hast ja schon wieder Hemd und Hose an!"
Ich blickte zu ihr und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
"Die Macht der Gewohnheit."
"Wir werden dich gleich umziehen! Das geht so nicht!"
"Erst, wenn Tywin ordentlich gefrühstückt hat! Er hat gestern Abend schon kaum etwas gegessen..."
Yara hielt inne und blickte mich besorgt an.
"War es sehr schlimm?"
"Nicht ganz so schlimm, wie ich erwartet hatte", murmelte ich, "Aber ja, es war schlimm genug."
"Haben sich alle gegen dich gestellt?"
"Die Königin auf jeden Fall. Und König Joffrey schien auch nicht begeistert."
Eine alte rothaarige Magd näherte sich uns. Leonore, ich erinnerte mich an sie.
"Was tuschelt ihr beiden denn schon am frühen Morgen so angeregt miteinander?"
"Nichts wichtiges", erwiderte Yara bestimmt.
"Lena, wo warst du überhaupt die letzten drei Wochen?", fragte die alte dann weiter, "Ich hörte, Lord Tywin musste dich einfangen und hierher zurück bringen."
"Was man hier nicht so alles hört", murmelte ich und legte den Schinken auf einen Teller. Die anderen Mägde wussten, dass ich es mir nicht nehmen ließ, Tywin das Frühstück zu machen, deshalb sagten sie auch nichts weiter dazu. Aber es würde wohl noch Diskussionen geben, wenn auch im Gefolge offiziell ankam, dass ich fortan an Tywins Seite leben würde.
Da schere ich mich nicht drum, dachte ich und wandte mich zu Yara.
"Also, ich bringe ihm jetzt sein Frühstück und dann kannst du mir meinetwegen gerne wieder helfen."
"Ich warte dann in der Kammer auf dich", erwiderte meine Freundin und ich ging los. Ob Tywin schon wach war? Ich hatte gehofft, er würde noch schlafen. Doch als ich die Tür zu seinem Arbeitszimmer erreichte, hielt ich inne. Sie war angelehnt und ich konnte Stimmen hören. Seine und auch die von Cersei.
"Du hast meine Nerven gestern Abend lange genug strapaziert, findest du nicht?", knurrte er gerade.
"Beantworte mir nur eine Frage, Vater - Hast du überhaupt noch Gefühle für Mutter?"
Ich legte den Kopf schief und spürte plötzlich einen starken Stich ins Herz, als ich nach einer Weile seine Antwort hörte.
"... Selbstverständlich! Ein Teil von mir wird sie immer lieben! Das wird sich auch niemals ändern! ..."
Unweigerlich traten mir Tränen in die Augen. Ich senkte die Schultern und den Kopf, bevor ich mich abwandte und dem Soldaten am Fuß des Turms den Teller in die Hand drückte.
"Könnt Ihr das bitte Lord Tywin bringen? Ich...habe noch etwas vergessen."
Bevor er weiter nachfragen oder sogar ablehnen konnte, war ich bereits zügig weitergelaufen, durch die Flure und ein Tor nach draußen. Ich befand mich wieder an dem kleinen Strand, an dem ich Tywin meine Liebe gestanden hatte. Der Kies knirschte wieder unter meinen Schuhen, die ich kurzerhand auszog und barfuß weiter ging. Die spitzen kleinen Steine bohrten sich in meine Fußsohlen, doch tat dies nicht einmal ansatzweise so sehr weh, wie mein Herz. Natürlich wird er sie immer lieben, was hast du denn gedacht, du Idiot, dachte ich und setzte mich auf den großen Stein. Hast du wirklich geglaubt, er würde sie vergessen, nur weil er jetzt dich hat? Cersei hatte recht! Du bist doch dümmer, als du aussiehst!
Ich grub die Füße in den Kies und hielt die Hände ruhig auf meinem Schoß, während ich mit leerem Blick über das rauschende Meer blickte. Über mir kreischten wie immer die Möwen, doch ich hörte sie kaum. Ich begann mich zu fragen, was Tywin in mir sah. Sah er vielleicht gar nicht mich? Sah er vielleicht immer nur Joanna?
Wieder spürte ich den Schmerz, als ich gedanklich ihren Namen aussprach. Joanna...
"Lena, du bist ja eifersüchtig", flüsterte die dunkle Stimme in mir. Meine innere Bestie.
"So eifersüchtig..."
Ich musste wahrlich tief gesunken sein, dass ich so eifersüchtig reagierte. Aber ich konnte es einfach nicht kontrollieren, diese vergifteten Gedanken beherrschten mich...

~~~

"Beantworte mir nur eine Frage, Vater - Hast du überhaupt noch Gefühle für Mutter?"
Lange starrte ich meine Tochter an, ehe ich antwortete.
"... Selbstverständlich! Ein Teil von mir wird sie immer lieben! Das wird sich auch niemals ändern!"
Cersei begann zu grinsen, doch ich war noch nicht fertig.

"... Aber dieser Teil starb mit ihr und blieb auf Casterlystein. Ich bin gewillt, mein restliches Leben mit Lena zu verbringen. Eine weitere Diskussion kannst du vergessen, ich habe mich entschieden!"
Ehe sie antworten konnte, klopfte es zögerlich an der Tür. Ich erwartete Lena endlich zu sehen, wurde aber erneut enttäuscht. Ein Soldat stand in der Tür, hielt einen Teller mit gebratenem Schinken in der Hand. Er stellte ihn mir wortlos hin und neigte den Kopf.
"Majestät, Mylord Hand. Bitte entschuldigt die Störung, aber dies sollte ich Euch bringen."
Mein Frühstück, wie ich annahm. Doch wo war meine Löwin?
"Wo ist Lena?", fragte ich etwas barsch und blickte den Soldaten ernst an.
"Sie sagte, sie habe etwas vergessen..."
Cersei verdrehte die Augen, ich sah sie kühl an.
"Das Gespräch ist hiermit beendet. Ich habe etwas zu erledigen."
Der Soldat verließ bereits wieder den Raum, hielt Cersei noch die Tür auf. Ohne ein Wort ging sie davon, während ich nachdenklich den Teller vor mir musterte. Sie hätte es sich nicht nehmen lassen, mir das Frühstück selbst zu bringen, das wusste ich. Ich stand plötzlich auf und ging zum Fenster. Ich starrte nach draußen und mich packte der Schock, als ich Lena sah, die langsam ins Meer watete. Was sollte das werden? Sofort machte ich kehrt und lief eilig die Treppen hinab hinter die Burg. Ihr stand das Wasser bereits bis zum Bauch, als ich den Strand erreichte.
"Was bei den sieben Höllen treibst du da?!", rief ich und merkte nicht die Wut, die in meiner Stimme tobte. Lena drehte sich um und sah mich mit geröteten Augen an. Sie sagte nichts, sah mich einfach stumm an. Ihr Gesicht war verzogen, als würde sie höllische Schmerzen empfinden. Was war denn los mit meiner Löwin?! Kurz entschlossen watete ich einfach durch das Wasser zu ihr, legte ihr einen Arm um die Schultern und ergriff mit der freien Hand die ihre.
"Komm, raus hier, bevor dir etwas passiert!"
Ich zwang mich zur Ruhe, als ich ihr starkes Zittern spürte. Sanft zog ich sie mit mir zurück an Land, ignorierte dabei das schwere Gefühl meiner nassen Kleidung. Ich rief einen Soldaten heran.
"Einem Umgang für meine zukünftige Frau! Oder soll sie sich hier den Tod holen, dann werdet Ihr sie begleiten!"
Der Soldat lief eilig los, während Lena sich fest an mich klammerte. Triefend nass und wie ein Häufchen Elend stand sie mit gesenktem Kopf da, ehe ich ihr Kinn ergriff und ihren Kopf etwas anhob.
"Was hast du dir dabei gedacht?!", wetterte ich erzürnt, "Dir hätte sonst was passieren können! Was ist denn los mit dir?! Erst sehe ich dich den ganzen Morgen nicht und dann muss ich dich aus dem Meer ziehen! Du bist keine Forelle, du gehörst nicht ins Wasser!"
Sie senkte die Schultern.
"Nein? Wohin gehöre ich dann?", murmelte sie und ich blickte sie verwirrt an.
"An meine Seite, das weißt du doch!"
"Ach, weiß ich das? Joanna gehört an deine Seite, nicht ich."
Ich stockte, starrte sie durchdringend an. Wie kam sie bitte plötzlich darauf? Hatte sie etwa...? Sie musste gehört haben, was ich Cersei gesagt hatte. Ich seufzte leise.
"Du liebst sie. Hast du doch vorhin auch zu Cersei gesagt. Du wirst sie immer lieben und das akzeptiere ich..."
"Das stimmt, das habe ich gesagt. Aber hast du auch gehört, was ich danach sagte?"
Der Soldat kam angelaufen und brachte mir einen Umhang. Ich wickelte Lena darin ein und dirigierte sie langsam vom Strand weg zurück in die Burg.
"Bring für sie ein frisches ordentliches Gewand in meinen Turm", sagte ich zu einer Magd, bevor ich mich wieder Lena zu wandte. Sie sah mich mit leeren Augen an.
"Ich sagte ihr außerdem, dass ich gewillt bin, mein Leben mit dir zu verbringen. Und das meine ich auch so!"
"Siehst du denn überhaupt mich, Tywin?", fragte sie plötzlich leise und ich hielt inne. Schockiert über diese Frage blicke ich sie lange schweigend an. Mir fehlten die Worte.
"Lena... Lena, was denkst du dir für Sachen? Wenn ich dich nicht sehen würde, wärst du doch gar nicht hier!"
Sie zuckte nur den Schultern, bevor ich ihr sanft über die Wange strich und ihr Kinn erneut anhob.
"Sieh mich an... ich liebe dich, hörst du, Lena? Ich sehe dich und das macht mich glücklich!"
Ich schaute nicht über die Flure, ich ignorierte fragende Blicke um uns herum. Ich zog sie einfach an mich und küsste sie sanft.
"Ich liebe dich, Tywin", flüsterte sie leise, "Es tut mir leid, was ich getan habe... was ich gesagt habe..."
"Shh... Ist schon gut, beruhige dich. Komm, wir gehen in den Turm und trocknen dich erst einmal."
"Dich auch", murmelte sie und ich sah zu mir hinab.
"Ja, mich auch." ...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt