28.

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Ich seufzte leise und nahm Platz. Er reichte mir das Besteck.
"Iss."
Zögerlich nahm ich ihm Messer und Gabel aus der Hand. Mich durchfuhr ein komischer Schlag, als sich unsere Finger berührten. Doch weder er, noch ich gingen näher darauf ein.
"Du bist klein für dein Alter. Ich nehme an, du hast noch nie genug zu Essen gehabt."
"Stets genug zum Überleben, Mylord", erwiderte ich mit vollem Mund und schluckte, "Ich habe anscheinend nur aufgehört zu wachsen."
"Wie alt bist du?"
"Ich zähle bald 18 Namenstage, Mylord."
Er nickte nur und drehte mir den Rücken zu, ehe er aus dem Fenster sah.
"Das wird mein letzter Krieg. Ob ich gewinne oder verliere."
"Habt Ihr schon einmal verloren?"
Zu schnell war die Frage über meine Lippen gekommen. Tywin drehte sich um und bedachte mich mit einem Blick, als wäre ich aus einer anderen Welt.
"Denkst du, ich wäre da, wo ich bin, wenn ich schon einmal verloren hätte?"
Ich schüttelte den Kopf und er nickte bekräftigend, ehe er sich wieder umdrehte und weitersprach.
"Den "Krieg der fünf Könige" nennen sie ihn. In den nächsten Monaten entscheidet sich, wie mein Vermächtnis aussehen wird. Weißt du, was Vermächtnis bedeutet? Das ist das, was man an seine Kinder weitergibt. Und an seine Kindeskinder. Das, was von einem übrig bleibt, wenn man tot ist."
Er ging vom Fenster weg zum Kamin.
"Harren der Schwarze hielt diese Burg für sein Vermächtnis. Die größte Festung, die je gebaut wurde. Die höchsten Türme, die stärksten Mauern. Die große Halle hatte 35 Feuerstellen. 35, stell dir das vor! Und sieh sie dir jetzt an. Eine verdammte Ruine. Weißt du, was passiert ist?"
Ich hörte Arya einmal etwas von Drachenfeuer sagen.
"Drachen?", lautete also meine Antwort, auch wenn es mehr wie eine unsichere Gegenfrage klang. Tywin nickte.
"Ja. Drachen sind "passiert". Harrenhal wurde erbaut, um einem Angriff von Land aus standzuhalten. Eine Million Mann hätten diese Mauern stürmen können und eine Million Mann wären abgewehrt worden. Aber einem Angriff aus der Luft? Mit Drachenfeuer?", Tywin setzte sich und schüttelte den Kopf, "Harren und seine Söhne sind hier alle bei lebendigem Leibe verbrannt. Aegon Targaryen hatte die Spielregeln geändert. Deshalb kennt heute noch jedes Kind seinen Namen, 300 Jahre nach seinem Tod."
Die ganze Zeit war ich still geblieben, behielt ihn im Blick. Für diesen Moment vergaß ich unsere Stellung und alles um uns herum. In meinem Kopf hörte ich Schlachtrufe und das laute Knistern von Feuer. Tywin hatte mein Interesse geweckt.
"Könnt Ihr noch mehr erzählen?"
Er trank einen Schluck Wein und legte leicht den Kopf schief.
"Interessieren sich die meisten Mädchen nicht für hübsche Jungfern aus den Liedern? Für Jonquil, mit den Blumen im Haar?"
Mein Blick begegnete seinem, ich zuckte mit einer Augenbraue.
"Bin ich für Euch "die meisten", Mylord?"
Der große Löwe schnaubte belustigt.
"Sei vorsichtig, Lena. Ich habe dich gern hier, aber sei vorsichtig", er deutete auf den Teller vor mir, "Schaff das wieder in die Küche. Iss davon, was du magst."
Das war das Zeichen, ihn allein zu lassen. Ich stand auf und ließ ihn mit geneigtem Kopf hinter mir zurück, während ich in die Küche ging.
Ich wurde einfach nicht schlau aus dem Lord. Er hatte mich gerne bei sich?

~~~

Ich sah ihr nach, um meinen Blick dann wieder auf den Tisch zu senken. Nein, sie war nicht "die meisten". Definitiv nicht!
Ich bemerkte kaum, wie sich meine Mundwinkel nach oben zogen und ein leises belustiges Schnauben zu hören war. Ich musste mir eingestehen, dass ihre Art doch sehr amüsant war. Auf der einen Seite knurrig und still, jedoch auf der anderen Seite sehr leicht zu beeindrucken. Aber was erwartete ich auch von einem einfachen Bauernmädchen? Vermutlich interessierte sie alles, was nicht mit ihren Pflichten zu tun hatte.
Ich stellte den Kelch zur Seite und widmete mich meinen Briefen. Lena entwickelt sich ganz ordentlich, schoss es mir in den Kopf. Sie geht wie von selbst ihren Pflichten nach und gibt keine Widerworte.
Zumindest nicht immer.
Gerade noch sagte ich ihr, ich hätte sie gern bei mir. Zu schnell hatten diese Worte meinen Mund verlassen. Tatsächlich verspürte ich seit langem einmal wieder das Gefühl, dass mir ehrliche Aufmerksamkeit entgegen gebracht wurde. Zumindest hatte ich dieses aus ihren Augen lesen können, als ich ihr von Harren und den Drachen erzählte. Und wenn ich einmal komplett ehrlich zu mir selbst war, hatte ich diesen Moment sehr genossen.
Ich sah vom Tisch auf in die Flammen, welche im Kamin zu meiner Rechten leise knisterten. Ich konnte dieses Gefühl von Einsamkeit nicht länger unterdrücken. Es brach über mich hinein wie ein plötzliches Sommergewitter. Wie sehr ich sie doch vermisste! Meine Joanna...
Schluss jetzt, Tywin, konzentriere dich! Wer weiß, was der junge Wolf als nächstes plant?
Ich schüttelte kurz den Kopf und zog weitere Briefe heran. Für Schmerz war keine Zeit...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt