10.

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Die schlaffen Körper um mich herum erwachten zum Leben, erhoben sich langsam aus dem Dreck. Sie stellten sich nebeneinander in mehreren Reihen auf, alle mit dem Gesicht nach vorne. Ich hatte Sorge, was nun passieren würde und zog instinktiv Arya und Heiße Pastete hinter Gendry und mich.
"Was machst du?", fragte Heiße Pastete und ich senkte die Stimme.
"Wenn er euch nicht sieht, realisiert er euch nicht. Wenn uns allen gleich was passieren sollte, werdet ihr vielleicht verschont."
"Er wird einen raussuchen, den er foltern lässt", murmelte Jonathan plötzlich rechts von mir und ich erschrak etwas. Ich hatte ihn nicht kommen gehört.
"Warum macht er das?", fragte Gendry und Jonathan zuckte mit den Schultern.
"Weil sie die Bruderschaft finden wollen", flüsterte eine andere Frau hinter uns, "Die Bruderschaft ohne Banner."
Ich wollte gerade genauer nachfragen, da kam auch schon der Berg auf uns zu. Alle senkten den Kopf, nur Jonathan sah ihm fest in die Augen. Ich spürte, wie Cleganes Blick über jeden einzelnen wanderte, spürte ihn siedend heiß auf mir selbst.
"Du!"
Mir schien das Blut in den Adern zu gefrieren, während ich sehr langsam den Blick hob. War es nun tatsächlich vorbei mit mir? War das die Strafe für meine Fehler?
Zu meiner Verwunderung lag Ser Gregors Blick auf Jonathan und schon zogen ihn zwei Soldaten raus. Er warf mir noch einen kläglichen Blick zu und ich erinnerte mich.
"Sieben Segen, Jonathan!", rief ich ihm hastig nach und er lächelte vage. Dann bekam ich wieder eine Ohrfeige von einem Soldaten.
"Halt die Klappe, du Missgeburt!"
Die anderen Gefangenen hockten sich wieder hin, blickten auf den Boden. Ich sah Jonathan in der Menge roter Umhänge verschwinden und es dauerte nicht lange, bis ich sein helles Geschrei hören konnte. Es ging einem durch Mark und Bein, erinnerte mich an meinen kleinen Bruder. Ich begann unweigerlich zu zittern uns zog fester die Knie an mich. Wie konnten Menschen nur so grausam sein...?

Die folgenden Tage vergingen gleich. Nur wurde es mit jedem Tag um eine Person leerer in unserem Pferch. Gendry und ich stellten uns jeden Tag schützend vor Arya und Heiße Pastete. Auch wenn mir ihre Gesellschaft auf die Nerven ging, erinnerten sie mich an meine Familie.
Inzwischen war auch die alte Frau tot. Im Vergleich zu Jonathan hatte ich sie kaum gehört. Man hörte sie aber verstummen. Für immer.
Sie ist jetzt wieder bei ihrer Familie, hatte ich mir beruhigend eingeredet, und wenn du dran bist, wirst du das auch sein.
Wir standen wieder alle in Reih' und Glied, ließen uns vom Berg beglotzen. Ich hasste ihn. Abgrundtief. Und noch mehr hasste ich Lord Tywin, denn Clegane führte seine Befehle aus!
"Du!"
Wieder sahen wir äußerst langsam zu ihm hoch und diesmal traf mich der Schock richtig.
Wieder griffen die Wachen neben mich, diesmal jedoch links. Gendry starrte mich mit großen Augen an, während sie ihn aus dem Pferch zogen. Ich hörte Arya hinter mir zu Protest ansetzen und drückte sie verstummend gegen meinen Rücken. Heiße Pastete hielt ihr den Mund zu, während die Soldaten Gendry abführten. Ich sah ihn in der Menge verschwinden, stellte mich auf Zehenspitzen, reckte mich weitestgehend hoch. Doch ich sah ihn nicht mehr. Ich zitterte. Die anderen hockten sich bereits wieder in den Matsch, ich blieb nun vorne im Pferch sitzen. Ich starrte auf das Eingangstor, versuchte ruhig zu bleiben. Ich konnte Gendry nicht schreien hören.
Lass das nicht an dich heran, dachte ich ernst und mein Blick wurde wieder gleichgültig. Das würde ihn auch nicht retten. Vergiss ihn.
"Wir müssen etwas tun!", sagte Arya und ich legte meinen Blick kühl auf sie.
"Vergiss ihn. Es ist vorbei."
"Ist er dir etwa egal?!", protestierte das junge Mädchen und ich schloss die Augen. Notlügen zum Selbstschutz waren erlaubt.
"Ja."
"Lenn, du bist ein mieses Schwein! Er mochte dich und hätte so viel für dich getan! Du warst wie ein Bruder für ihn, das hat er mir selbst gesagt!"
"Wenn ich an seiner Stelle wäre, hätte er auch nichts getan. Niemand hätte das! Und jetzt hör einfach auf."
Ich starrte wieder auf das große Eingangstor und hörte entferntes Pferdegewieher. Auch Hufgetrappel, welches immer lauter wurde. Da war jemand im Anmarsch, ich war mir sicher. Mein Verdacht erhärtete sich, als die Soldaten allesamt die Köpfe neigten.
Dann sah ich ihn.
Zuerst sah ich das weiße Pferd. Nie hatte ich ein schöneres gesehen. Es schnaubte, während es in den Hof trabte, die Mähne flatterte im leichten Wind.
Mein Blick wanderte höher, über Eisenhandschuhe zu einem glänzenden Brustharnisch. Er war umwickelt von einem Umhang. Nie hatte ich ein leuchtenderes Rot gesehen! Es erinnerte mich an Blut. Es ließ meine Wut hochkommen.
Das Pferd stoppte mitten im Hof und sein Reiter sah sich prüfend um. Die Stirn lag tief in Falten, kein Lächeln zierte seine Mundwinkel. Nicht einmal ein winziges. Er sah edler aus als alle anderen Soldaten. Ich war mir sicher, dass dies Lord Tywin Lannister sein musste...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt