Ich lief mit gesenktem Kopf durch die kleinen Wege zwischen den Zelten. Daher sah ich auch nicht den Mann, der gerade aus Tywins Zelt kam und krachte frontal in ihn herein. Ich stürzte zu Boden, heute schien alles schief zu gehen.
"Entschuldigung, ich habe dich nicht gesehen", hörte ich Kevans sanfte Stimme und blickte erschrocken zu ihm auf.
"Sieben Höllen, Lord Kevan! Ich bitte um Vergebung, ich war schuld! Ich habe Euch nicht gesehen."
Ich hörte ihn leise lachen, ehe er mir die Hand hinhielt und mir aufhalf.
"Solange du dich nicht verletzt hast, ist alles in Ordnung. Und ich bin Ser Kevan. Mein Bruder Tywin ist der Lord von Casterlystein, nicht ich."
"Dann Ser Kevan... Nochmal Verzeihung."
"Schon gut. Hast du dir weh getan?"
Ich schüttelte den Kopf. Irgendwie mochte ich Tywins Bruder jetzt schon. Er sah älter aus, dafür aber wesentlich freundlicher. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie Tywin in dieser Situation reagiert hätte.
Ich wollte zur Seite treten, doch der Blick des Lannisters lag weiter auf mir.
"Ich müsste dich mal etwas fragen. Magst du ein Stück weit mit mir kommen?"
Ich blickte zu ihm hoch und schluckte. War es wegen Tywin? Hatte dieser ihm von meinen Anschuldigungen erzählt? Was würde nun geschehen? War Kevan doch nicht so liebevoll, wie es den Anschein erweckte?
Ich folgte ihm mit gesenktem Kopf. Wir gingen ein paar Schritte schweigend nebeneinander, bis um uns herum keiner mehr zu sehen war.
"Was hast du vorhin mit meinem Bruder angestellt?"
Sein Tonfall war sanft und neugierig. Keinesfalls wütend oder misstrauisch. Er schien wirklich das komplette Gegenteil von Tywin zu sein.
"Nun, ich ... wir hatten einmal ein Gespräch über meine Vergangenheit und ... auf dem Marktplatz in der Nähe hatte sich das Ganze abgespielt. Ich wollte, nein, ich musste noch einmal dorthin."
Sollte ich ihm sagen, was passiert war? Tywin schien ihm nichts gesagt zu haben.
Fast schon wie zur Antwort auf meine Frage blickte er mich fragend an.
"Könntest du das etwas erläutern? Du musst es auch nicht groß ausweiten, es geht mich ja eigentlich nichts an, aber etwas genauer muss es trotzdem sein."
Ich holte tief Luft. Was hatte ich noch zu verlieren?
"Als ich noch klein war, töteten zwei Soldaten Eurer Armee meine Familie. Ich zeigte Lord Tywin eben diesen Ort und naja, wie soll ich es sagen? Die Wut kam in mir wieder hoch, die sich seit Jahren aufstaute. Und in meiner Rage beschuldigte ich Euren hohen Lord Bruder, den Befehl dazu gegeben zu haben. Ich hatte nicht darüber nachgedacht und ich wollte mich entschuldigen, doch er wollte es anscheinend nicht hören."
Beschämt sah ich auf den Boden, während Kevan für eine Weile schwieg. Als ich wieder zu ihm blickte, musterte er mich mit einem Hauch von einem Lächeln. Er schnaubte belustigt.
"Ihr ähnelt euch ziemlich, wenn ich mir das jetzt so anhöre", er wurde ernst, "Was natürlich nicht den Tod deiner Familie entschuldigt. Aber als ... Joanna starb, reagierte Tywin ebenso. Weißt du, wovon ich spreche?"
Ich nickte etwas.
"Er erzählte mir davon, ja."
"Die Wut staut sich auch bei ihm schon seit vielen Jahren. Noch dazu war er schon immer ein eher schlechter Geselle, immer ernst und fast schon humorlos. Er ist nicht gut auf Tyrion zu sprechen, wie wohl mittlerweile ganz Westeros weiß. Und was du mir eben erzählt hast, erinnert mich stark an diese Situation."
Ich blickte auf. Tywin und ich sollten also wirklich etwas gemeinsam haben?
"Glaubt Ihr, er hasst mich jetzt?"
Kevan lachte. Ein ehrliches Lachen. Ich kam mir etwas blöd vor und er erklärte seinen Ausbruch.
"Entschuldige bitte. Ich kenne ihn schon sein ganzes Leben lang. Natürlich kann ich ihm nicht in den Kopf sehen, aber ich denke, du würdest es merken, wenn er dich hasst. Dann wärst du vermutlich schon nicht mehr am Leben."
Ich fasste mir instinktiv an die Kehle und schluckte. Kevan tippte mir beruhigend auf die Schulter, ehe er weitersprach.
"Und hasst du ihn?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Nicht mehr. Anfangs habe ich ihn gehasst. Ich kam mit seiner kalten Art nicht klar, ich fühlte mich unwohl bei ihm. Zumal ich selbst ja auch mehr kalt und zurückgezogen war. Dazu dann natürlich der Gedanke an meine Familie..."
Kevan nickte, in seinen Augen glimmte ein Funken Mitgefühl.
"Als Tywin an seinem Fieber erkrankte, erkundigte ich mich natürlich mehr als nur einmal bei ihm. Einmal sah ich euch beide schlafen, du in der Ecke gegen den Bettpfosten gelehnt und er unter der Decke. Ich glaube, du hast bei ihm Spuren hinterlassen, denn unter anderem fiel auch mal dein Name, als er im Schlaf sprach. Dein Name ist doch Lena, nicht wahr?"
Ich starrte den Lannister lange an und nickte leicht. Tywin hatte von mir geträumt? Das konnte nicht sein Ernst sein!
"Ihr habt Euch bestimmt verhört. Oder er träumte von dem grässlichen Thymiantee, den er dank mir trinken musste."
"Es wissen nur die Götter, was er geträumt hat. Wir sollten ihn auch nicht weiter danach fragen, er spricht nie über seine Träume. Nichtsdestotrotz verdankt er dir sein Leben. Und das weiß er auch."
Wir gingen weiter, während es zu regnen begann. Endlich mal wieder den Regen zu spüren fühlte sich gut an. Vor allem jetzt, wo ich so viele verwirrende Dinge zu hören bekam.
"Ich kann dir nicht genau sagen, was ihn vorhin verärgert hat. Vielleicht lag es auch gar nicht an dir, das weiß nur er. Am Besten ist es, du fragst ihn morgen noch einmal danach. In einer ruhigen Minute. Das wird sich schon wieder einrenken, glaube mir."
Ich fasste Vertrauen in Kevan. Ich nickte und blickte ihn dankbar an.
"Vielen Dank, Ser Kevan. Ihr nehmt mir etwas von meiner Angst."
"Das freut mich zu hören. So, aber nun möchte auch ich mich hinlegen. Der Tag war lang und wir haben noch eine Schlacht vor uns. Suche Schutz vor dem Regen! Nicht, dass du noch krank wirst."
Ich neigte vor ihm den Kopf und er verschwand lächelnd in seinem Zelt. Ich hob das Gesicht gen Himmel und genoss für einen Moment den Regen. Dann setzten sich langsam meine Füße in Bewegung und ich suchte das Zelt der Bediensteten. Dabei vergaß ich ausnahmsweise mal das Denken und begann leise zu summen.
"Und wer seid Ihr, rief der stolze Lord, dass ich mich nun soll beugen? Nur eine Katz' in 'nem and'ren Fell, so ist's, Ihr sollt's bezeugen..."
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...