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Mit einem scharlachroten, weitestgehend schlicht gehaltenen Kleid kehrten Yara und ich in die Burg zurück. Meine Freundin hatte mir gleich in der Nähe einen Laden gezeigt. Der Besitzer tat sich zunächst schwer, mir Glauben zu schenken. Konnte ich ihm nicht verübeln.
"Lord Tywin schickt euch also, ja? Warum sollte er das tun?"
Mit einem kleinen Poltern war der kleine Sack auf seinem Tresen gelandet und in meine Stimme legte sich ein überzeugendes Knurren. Ich wollte meinen Löwen nur ungern warten lassen, zudem ließ ich mich aus Prinzip nicht der Lüge bezichtigen.
"Das braucht Euch nicht zu interessieren. Aber wenn Ihr mir nicht glaubt, kann ich ihm gerne davon berichten und ihn herholen. Ob er darüber erfreut wäre, sei mal dahin gestellt, er lässt sich nämlich nur sehr ungern von seiner Arbeit trennen. Der letzte, der sich ihm querstellte, hatte Glück, Teil seiner Familie zu sein, sonst wäre er heute vielleicht einen Kopf kürzer."
Der Mann räusperte sich und ich sah bereits die dunklen roten Flecken auf seinen Hals kriechen, ehe er los lief.
"Ich schaue, was ich finden kann! Einen Moment!"
"Lena, wie hast du das nur gemacht?", staunte Yara und kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, "Der wurde ja förmlich immer kleiner hinter seinem Tresen!"
"Sowas lernst du, wenn du monatelang für Lord Tywin arbeitest."
"Gleich wirst du mit der Königsfamilie zu Abend essen! Was für eine Ehre!"
Ich schnaubte.
"Du nennst es Ehre, ich nenne es Folter. Die Königin will mich am liebsten tot sehen und der Rest wird vermutlich auch nicht begeistert sein."
"Glaubst du, dass dein Lord das zulassen würde?"
"Vermutlich nicht. Ich selbst natürlich auch nicht, noch einmal mache ich das nicht mit! Aber Unstimmigkeiten sind mir zuwider, vor allem in der Familie. Mir gefällt es nicht, dass Tywin meinetwegen Streit hat."
Wir gingen wieder in meine alte Kammer und ich schlüpfte in meine neueste Errungenschaft. Das war aber schwieriger, als ich gedacht hatte.
"Lena, soll ich dir helfen?"
"Ich bin schon groß, ich kann mich alleine anziehen!"
Ich verrenkte mir halb die Arme, doch vergeblich. Die Haken wollten nicht greifen! Ich seufzte frustriert.
"Ach, sieben Höllen! Na gut, dann komm her."
Yara grinste, half mir mit dem Kleid und griff unsere vorige Konversation wieder auf.
"Aber fühlst du dich denn gar nicht geehrt, dass er das alles für dich auf sich nimmt?"
"Selbstverständlich weiß ich das zu schätzen! Dennoch stört es mich... Die Familie ist das Wichtigste, was man hat. Im Notfall ist man füreinander da. Aber was ist, wenn er seinen Familienrückhalt durch mich verliert?"
Yara schloss die einzelnen Haken.
"Dann hat er dich. Und wie ich dich einschätze, wird ihn das vor allem beschützen, was kommt. Du hast den Tod für ihn in Kauf genommen! Ich bin sicher, du würdest das immer wieder tun."
Ich seufzte leise.
"Natürlich würde ich das. Aber reicht das? Ein einzelner Mensch kann doch keine ganze Familie ersetzen."
"Ich denke nicht, dass sie sich alle gegen dich stellen werden. Du wirst eine Löwin, Lena", ihre Stimme wurde überzeugender und fester, "Eine Lannister! Und das an der Seite des großen Lord Tywin! Zusammen werdet ihr unbesiegbar sein!"
Ich musste lachen.
"Jetzt übertreibst du maßlos, Yara. Aber so kenne und liebe ich dich! Apropos... Was ist jetzt eigentlich mit Ed? Darf ich gratulieren?"
Meine Freundin hielt inne und wurde rot.
"Ich...ähm...wir haben zusammen gegessen..."
"Und...?"
"Und...uns viel unterhalten..."
"Und...? Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter!"
Yara wand sich, glich von der Gesichtsfarbe einer reifen Tomate.
"Er hat mir gestern Morgen ein paar Blumen gepflückt, als ich ihm bei den Pferden geholfen hatte..."
Ich zog sie in eine spontane Umarmung. Eine Geste, die mich verwunderte. Was das Gefühl von Liebe nur mit mir anstellte! Früher war ich gänzlich gegen jede Art von Berührung abgeneigt und nun so etwas!
"Ich wusste es! Das freut mich wahnsinnig für dich! Ihr beiden seid aber auch süß zusammen!"
Sie lächelte überglücklich und richtete ein paar letzte Schleifen, bevor sie meine kurzen Haare zu bändigen versuchte. Ich strich mir über den samtigen Stoff und fühlte zunehmend wieder die Unsicherheit. So feinen Stoff war ich nicht gewöhnt. Es war, als hätte man mir eine neue, unbekannte Haut verpasst, weich und schmeichelnd. Meine Kleidung hatte bisher meist nur gekratzt und das war gut gewesen. Es hatte mich irgendwie bestärkt. Das hier dagegen sorgte für das komplette Gegenteil.

"Du siehst entzückend aus", schwärmte Yara und ging mehrfach um mich herum, "Lord Tywin wird begeistert sein!"
"So, meinst du? Wenigstens einer..."
"Du wirst dich bestimmt schnell daran gewöhnen. Aber kannst du mir noch eben erzählen, was du vorhin sagen wolltest? Ich brenne darauf, zu erfahren, was ihr da draußen sonst noch erlebt habt!"
Ich ergriff ihre Hände.
"Er...er hat mir einen Antrag gemacht, Yara. Und dann haben wir noch am selben Abend inoffiziell im Wald geheiratet. Ganz einfach und schlicht, wie ich es gewohnt war."
Yara riss die Augen auf, der Mund stand weit offen.
"Erzählen! Alles! Sofort!"
Ich lächelte und fasste die Geschehnisse kompakt zusammen. Ihr Lächeln wurde immer breiter und ihre Augen glitzerten zunehmend. Sie fing doch jetzt nicht etwa an zu weinen, oder??
"Ihr Götter... Lena, weißt du, was das heißt??"
Ich legte etwas den Kopf schief und Yara drückte meine Hände fest, bevor sie leise jauchzte.
"Du bist schon eine Löwin! Und wenn er damit einverstanden war, bei seiner Hochzeit auf sämtlichen Luxus zu verzichten, dann ist dir seine Liebe sehr sicher! Oh, ich freue mich über alle Maßen für dich! Nach dem, was dir alles widerfahren ist, wendet sich das Blatt wohl endlich zum Guten."
"Vorerst. Ich wittere trotzdem noch einen Sturm."
Sie umarmte mich fest, dann wirkte sie plötzlich verlegen und druckste herum.
"Was möchtest du noch wissen?", fragte ich mit leichtem Grinsen. Es war ihr scheinbar unangenehm und ich konnte mir denken, was sie gleich fragen würde.
"Habt ihr denn auch...?"
Ich nickte langsam, bemerkte dabei nicht mein eigenes breites Grinsen, als ich mich an jene Nacht erinnerte.
"Und wie war er?"
"Das, meine Liebe, erzähle ich dir ein andernmal. Ich muss jetzt nämlich los, in mein Verderben."
"Wenigstens bist du schon optimistischer als vorhin noch."
Fragt sich nur, wie lange das anhält, dachte ich missmutig und strich mir erneut über den Stoff. Mit einem Löwen kam ich sehr gut zurecht. Aber wie würde das ganze Rudel reagieren, wenn es von einer neuen in den eigenen Reihen hörte?
Tywin saß seelenruhig am Schreibtisch, als ich in den Turm zurückkehrte. Stumm ging er den Stapel Papier durch, der neben ihm lag, biss sich dabei manchmal auf die Unterlippe. Ich liebte diese Momente, er wirkte gleichzeitig so friedlich und dennoch autoritär und erhaben.
"War deine Suche-"
Er blickte zu mir auf und stockte. Ich legte leicht den Kopf schief, verstand seine Reaktion nicht.
"Sieht es so schrecklich aus? Ich wollte nicht sofort so etwas prunkvolles anziehen, das...das wurde mir zu viel. Gefällt...gefällt es dir nicht?"
Ich wurde zunehmend unsicher, als er nicht antwortete. War es doch falsch gewesen, was ich ausgesucht hatte? Entsprach ich nicht seiner Erwartung?
Er erhob sich langsam und schritt ein paar Mal um mich herum, musterte mich genau. Ich folgte ihm aufmerksam, registrierte seinen staunenden Gesichtsausdruck.
"In meinen Träumen hast du ein solches Kleid getragen und ich hätte nie gedacht, dass es wirklich einmal so sein würde", raunte er, blieb hinter mir stehen und legte langsam die Arme um mich, "Du siehst wunderschön aus!"
Sichtlich erleichtert fuhr ich mir durch die Haare und blickte dankbar zu ihm auf.
"Es freut mich, dass es dir gefällt."
"Es gefällt mir sehr", flüsterte er und ließ seine Hände an meiner Taille ruhen. Mich durchflutete wieder jenes treibende Gefühl, als ich in seine zunehmend dunkler werdenden Augen sah und langsam meinen Arm um seinen Hals legte. Mit einem Ruck hatte ich ihn zu mir hinab gezogen und küsste ihn lange und intensiv. Seine Hände rutschten langsam tiefer, während ich mich ganz zu ihn umdrehte und er den Kuss noch verstärkte. Nur die Götter wissen, wie viel Zeit vergangen war, bis er sich von mir löste und wir uns leicht atemlos in die Augen sahen. Er lehnte seine Stirn gegen meine und ein leichtes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, als er in mein Ohr raunte.
"Du machst mich wahnsinnig, weißt du das eigentlich?"
Meine Finger gruben sich in das weiche Leder seines Gewands, hielten ihn auf Schulterblatthöhe fest bei mir.
"Du bist hier derjenige, der mich wahnsinnig macht. Das weiß ich mit Sicherheit!"
Er schnaubte amüsiert, bevor er sich komplett zurückzog und mir stattdessen die Hand hinhielt.
"Komm, lass uns gehen."
Für einen kurzen Moment dachte ich, er wollte mich von hier wegführen. Raus aus dieser Stadt, raus aus diesem Teil des Landes - Einfach weit fort von hier. Bis mir wieder einfiel, dass er das Abendessen mit seiner Familie meinte. Ich seufzte leise und nickte, dann schritten wir gemeinsam über die Flure in Richtung Unheil. Ich wusste, dass es so war! Ich spürte es! Aber ich würde kämpfen! Ich hatte es versprochen! ...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt