"Na sieh mal einer an! Hast du tatsächlich EINEN gefunden, Arn? Ser Gregor wird begeistert sein!"
Der Soldat und ich erreichten eine Lichtung, auf der ein Gewirr aus Männern umherlief. Einer hatte uns bemerkt und kam auf uns zu. Ah, mein toller Begleiter heißt also Arn, dachte ich und verzog keine Miene. Gut zu wissen.
"Wenigstens habe ich ihn alleine gefunden, Luthar! Und mich nicht hinter den anderen versteckt, so wie du!"
Luthar klopfte Arn auf die Schulter und beide lachten. Ich kam mir dämlich vor, sinnlos daneben zu stehen und sah mich weiter um.
"Das scheint ja ein strammer Bursche zu sein!", sagte Luthar und sah nun zu mir. Ich erwiderte seinen Blick kühl und sprach kein Wort. Nun begann wieder meine Zeit des Schweigens.
"Ob Lord Tywin für den ein paar Golddrachen springen lassen würde?", meinte Arn und führte mich mit Luthar zu den anderen.
"Du kannst froh sein, wenn er dich nicht hinrichten lässt! So langsam wie du immer arbeitest!"
Die beiden begannen sich spielerisch zu schubsen und rangelten etwas. Ich kam mir immer dümmer vor neben diesen Idioten. Deshalb nahm ich weitestgehend Abstand - dank der Leine waren dies etwa knapp zehn Fuß - und richtete meinen starren Blick geradeaus.
"Wenn sich die Kinder nun wieder ins Erwachsenenalter begeben könnten?", sprach plötzlich ein etwas älterer Mann mit rabenschwarzem Haar. Arn und Luthar ließen voneinander ab.
"Hast du gehört, Arn? Raus aus der Kinderstube!", gackerte Luthar und Arn knuffte ihm in die Seite.
"Ser Alrik ist nicht immer da, um dich zu beschützen!"
"Jetzt kommt endlich!", wetterte der Mann von eben erneut, von dem ich schloss, dass es Ser Alrik sein musste, "In spätestens drei Tagen sollen wir in Harrenhal sein und ihr kennt Ser Gregor!"
"Ja, der große Gregor Clegane! Mach, was er sagt, oder er setzt sich auf dich drauf.", witzelte Arn. Luthar schüttelte den Kopf.
"Nein, er drückt dich ins Feuer, wie seinen Bruder!"
"Er reißt euch beiden den Arsch auf, wenn ihr jetzt nicht endlich die Schnauzen haltet!", brüllte Ser Alrik und riss Arn die Leine aus der Hand, "Den bringe ich jetzt zu den anderen!"
Nun hatte mich also Ser Alrik an der Hand. Ich fühlte mich wie ein Hund. Fehlte nur noch, dass sie nach mir traten und mir Kunststücke beibringen wollten.
"Entschuldige diese beiden Idioten", murmelte er und klopfte mir fest auf den Rücken, "Es kann nun einmal nicht jeder schlau sein."
Ich zuckte nur die Schultern und ließ mich von ihm zu der Gruppe Gefangener führen. Sie sahen mich musternd an, einige mit deutlich mehr Gier in ihrem Blick. Was hatte Arn vorhin gemeint? Die sollten alle zur Mauer... Ich hatte es mit einem Haufen Verbrecher zu tun! Meine Sinne rieten mir äußerste Vorsicht. Zur Mauer kamen sehr viele Vergewaltiger, hatte mein Vater erzählt. Und er hatte mich noch nie angelogen!
Ein kleiner Junge stach mir sofort ins Auge. Ich schätzte ihn etwa zehn oder elf. Kurze dunkle Haare und große runde Augen. Die Gesichtszüge waren allerdings zu sanft. Ich war schon einigen zehn- und elfjährigen begegnet und einige hatten sanfte Gesichtszüge, allerdings so sanft? Nein, das musste definitiv ein Mädchen sein! Was wollte ein Mädchen denn bei der Mauer?? Oder irrte ich mich doch und es war ein Junge?
Er ... sie ... es starrte mich fragend an. Ich erwiderte den Blick und sah gleich darauf den großen jungen Mann an ihrer Seite. Seine Haare waren ebenfalls rabenschwarz und seine Augen blau wie der Himmel.
"Arry, starr ihn nicht so an!", zischte er.
Ich nickte dem großen dankbar zu und hörte daraufhin gleich Arrys piepsige Stimme.
"Wer bist du denn?"
Sie - oder er, ich wollte mich nicht festlegen - wirkte schon jetzt frech und vorlaut auf mich. Ich erinnerte mich an meinen Bruder, der sich auch mal so verhalten hatte. Mein Grinsen wurde breiter, als ich dann an Vaters Schelte hinterher dachte. Er hatte Unhöflichkeit mehr als alles andere gehasst - und uns Kindern dies bis zum Anschlag eingebläut.
"Vielleicht kann er nicht reden?", schlug der Große vor und musterte mich durchdringend. Ich sollte ein Junge sein? Ich brauchte schnell einen neuen Namen!
Ich räusperte mich, um meine Stimme tiefer zu stellen und griff nach dem erstbesten Namen, der mit einfiel.
"Mein Name ist ... Lenn."
"Lenn? Was für ein alberner Name!", lachte Arry und ich sah nüchtern zu ihm - oder ihr - hinab.
"Nun, Arry ist auch nicht gerade normal."
Arry schwieg und drehte sich beleidigt weg. Der Große grinste und hielt mir die Hand hin.
"Arry ist ein Dickkopf, ignoriere ihn. Ich bin Gendry!"
"Tag, Gendry", erwiderte ich und schlug ein. In diesem Moment war ich einmal mehr dankbar für meine Beobachtungsgabe der letzten Jahre.
"Gendry ist doof!", rief Arry, bevor er einen Stapel Kleinholz hochhob und Gendry schlug sich die Hand gegen die Stirn.
Ich sah mich weiter um.
"Wen haben wir hier alles?", fragte ich leise und war verwundert, dass Gendry mich verstanden hatte.
"Vergewaltiger, Diebe, Mörder... hauptsächlich vergewaltigende Mörder. Und was hast du angestellt, dass du jetzt hier bist?"
Ich sah ihn nicht an, sondern blickte mich weiter um, als ich schlicht antwortete.
"Ich war jahrelang spazieren."
Ehe er nachfragen konnte, zerriss Ser Alriks Bellen die Luft.
"Los, ihr elenden Hurensöhne! Seht zu, dass ihr Land gewinnt, wir wollen weiter!"
Ich ließ Gendry stehen, lief los und half beim Tragen der Stroh- und Heuballen. Ich hatte gewiss nicht vor, auch nur irgendjemandem hier ansatzweise zu vertrauen. Keiner sollte wissen, wer ich wirklich war. Lenn war von nun an meine Maske. Mal sehen, ob ich als Schauspielerin tauglich war...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...