58.

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Yara klopfte gerade im Hof Teppiche ab, als ich mich bei ihr einfand. Das Frühstück war ruhig verlaufen, ich hatte vor lauter Aufregung kaum etwas gegessen. Meine Gedanken waren stets bei Tywin, er hatte zu dieser Zeit bei seiner Familie gesessen. Ob er lächelte? Ich hoffte es. Ich mochte sein Lächeln ungemein, auch wenn nur ich es zu Gesicht bekam und es immer noch keine Gewohnheit war.
Yara hatte Staub auf ihrer verschwitzten Stirn, einzelne Haarsträhnen lösten sich und hingen ihr im Gesicht. Sie stemmte die Arme in die Hüften und holte tief Luft, während sie sich zu mir drehte.
"Teppiche ausklopfen ist so anstrengend", klagte sie, "Es gibt deutlich schöneres!"
"Lass mich dir helfen", schlug ich vor und begann an ihrer statt auf die Teppiche zu klopfen. Staubwolken rieselten mit entgegen, ich hustete etwas.
"Sieben Höllen!"
"Ja, das dachte ich auch."
Wir lachten leise, dann musterte sie mich eingehend.
"Ich denke, wir haben uns gleich eine Pause verdient."
Ihre Augen funkelten, als wollte sie mir damit etwas bestimmtes sagen. Yara war mir sympathisch, sie schien nicht so fordernd wie die anderen Mägde. Ich klopfte noch einmal fest auf den Teppich, dann packte sie mich auch schon beim Arm und zog mich mit sich in die Gärten.
Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien warm auf uns herab und um mich herum blühten Blumen in verschiedensten Arten und Formen. Ihr süßlicher Geruch lockte Bienen herbei, die die Luft mit ihrem Summen erfüllten. Ich nahm zum ersten Mal wieder richtig Farben war, stellte ich fest. Sonst hatte die Welt für mich nur trist und grau ausgesehen.
Wir setzten uns hinter einer Hecke ins Gras.
"Dürfen wir das überhaupt?", fragte ich leise und Yara grinste schelmisch.
"Wieso? Wir sind nie hier gewesen!"
Ich verstand und nickte. Plötzlich überlegte ich. War sie eine vertrauenswürdige Person? Könnte ich mit ihr vielleicht über die Gefühle reden, die in mir tobten? Ich musste ja nicht sagen, für wen ich sie empfand.
"Yara? Kann ich dich vielleicht etwas fragen?", begann ich also zögerlich.
"Hast du doch eben schon", lachte sie, "Aber ja, darfst du."
"Hast du schon einmal...so ein flaues Gefühl verspürt, wenn du an jemanden gedacht hast?"
Sie nickte und lächelte warm.
"Man wird ganz nervös und die Gedanken scheinen sich zu überschlagen. Man kann nicht vernünftig essen, nicht schlafen und die Träume sind voll von einer einzigen Person. Und wenn man ihn dann sieht, verstärkt sich dieses Kribbeln im Bauch um gefühlt das Tausendfache", führte sie meinen Gedanken zu Ende und ich nickte. Sie fuhr sich durch die Haare und lächelte breit.
"Das, meine Liebe, bedeutet ganz einfach, dass man sich verliebt hat."
Plötzlich blickte sie mich direkt an, Neugierde brannte in ihrem Blick.
"Hat es dich erwischt?"
Ich nickte knapp. Kurz runzelte sich ihre Stirn und sie musterte mich noch mehr.
"Es ist aber nicht der Stallbursche Ed, oder?"
Ich schüttelte den Kopf. Dann nutzte ich diese Gelegenheit und schmunzelte frech.
"Wirst du eifersüchtig, Yara?"
Ertappt blinzelte sie und wurde etwas rot. Ich musste grinsen und legte ihr kurz verständnisvoll eine Hand auf die Schulter.
"Sag es ihm bitte nicht", flehte sie leise und ich nickte.
"Du hast mein Wort."
Wir lächelten beide und legten uns ins Gras. Die Wolken zogen über uns hinweg und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass die Zeit stillstehen schien. Ich fühlte mich wohl. Tywin ging es gut und in Yara sah ich eine Freundin.
"Jetzt erzähl mal, wer ist es?", holte sie mich in die Gegenwart zurück.
"Ist nicht so wichtig."
"Glaubst du, er empfindet vielleicht dasselbe für dich?"
Ich starrte nachdenklich in den Himmel, fuhr mit der Hand über das Gras. Die Spitzen kitzelten leicht an meiner Haut.
"Ich denke nicht. Ich würde für ihn sterben. Ich glaube nicht, dass er das auch für mich tun würde."
"Klingt ja romantisch!", seufzte Yara und drehte sich auf die Seite zu mir.
"Weißt du, als du mit Lord Tywin herkamst, ging ein Gerücht über dich herum."
Ich drehte den Kopf zu ihr und erwiderte fragend ihren Blick.
"Achso? Was für eines denn?"
"Es heißt, dass du Lord Tywin in die Schlacht vom Schwarzwasser gefolgt bist. Dass du an seiner Seite gekämpft hast und verwundet wurdest."
Ich lächelte leicht und hob an der linken Seite mein Gewand etwas an.
"Überzeuge dich selbst, ob es stimmt oder nicht."
Mit großen Augen setzte sie sich auf, beäugte fasziniert die lange Narbe.
"Dann stimmt es ja!", hauchte sie tonlos und ich nickte langsam. Ich setzte mich ebenfalls aufrecht und packte sie an den Schultern.
"Schwöre mir, es niemandem zu sagen! Du weißt von nichts, in Ordnung?"
"Du wärst wirklich fast für ihn gestorben", hauchte sie und blickte mich weiter schockiert an, "Ich verrate es nicht."
"Niemand soll wissen, was ich für ihn empfinde."
"Das unterscheidet mich von den anderen Mägden - Ich kann schweigen, wie ein Grab. Aber pass bitte auf dein Herz auf. Er ist ein Lord, ich glaube nicht, dass es wahr wird, was du dir wünschst."
Das ist bereits wahr geworden, dachte ich, nickte aber. Sie musste nicht wissen, dass wir bereits zusammen waren. Dafür war das Vertrauen noch nicht groß genug.
"Schau mal, jetzt haben wir schon Geheimnisse vor den anderen. Fast wie Freundinnen!" Sie lachte leise.
"Freunde zu haben, ist ein Geschenk", murmelte ich und stand langsam auf, "Wir sollten uns jetzt aber lieber wieder an die Arbeit machen."
Sie nickte und wir kehrten in die Burg zurück, lachend und fröhlich.

So vergingen mehrere Tage, fast zwei Wochen. Meine Gespräche mit Yara wurden zunehmend intensiver und irgendwann schaffte ich es, ihr die Geschichte von Tywin und mir anzuvertrauen. Sie wurde wirklich eine gute Freundin für mich, ich fasste Vertrauen zu ihr. Und Abends, wenn sich die Burg zum Schlafen zurückzog, schlich ich durch die leeren Gänge in Tywins Turm, wo er mich schon erwartete.
"Tywin, dieses Versteckspiel geht mir auf die Nerven", klagte ich einmal. Ich saß mit ihm auf dem Bett auf seinem Schoß und spürte seine Hand, die über meinen Rücken strich.
"Ich weiß", hatte er geantwortet und sanft einen Finger unter mein Kinn gelegt, "Aber ich möchte nicht, dass die Leute schlecht über dich reden."
"Ich möchte auch nicht, dass sie schlecht über Euch reden."
Ich blieb immer bis kurz vor Sonnenaufgang bei ihm, schlief neben ihm ein und träumte mit ihm zusammen. Zum ersten Mal seit langem war ich richtig glücklich. Ich hatte eine Freundin, ich hatte Tywin - Mehr wollte ich nicht. Ich hatte endlich Ruhe gefunden. Doch es sollte nur die Ruhe vor einem weiteren Sturm sein...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt