Harrenhal war riesig. Verdammt riesig. Und jeder dieser verfluchten Gänge sah gleich aus! Dunkel, staubig und übersät mit zahlreichen roten Bannern und dem Lannisterwappen. Ein sich aufbäumender goldener Löwe. Da war mir fast schon der Hof lieber, selbst wenn auch hier zahlreiche Banner mit Löwen hingen.
Wenn ich endlich bei Lord Tywin ankomme, ist der bereits an Altersschwäche gestorben, dachte ich, während ich ihn suchte. Aber das hat etwas positives - Dann muss ich nicht für ihn arbeiten.
Ich sollte eigentlich dankbar sein. Ich musste nicht mehr den ganzen Tag in der Kälte verbringen. Er hatte mich gerettet. Er hatte Gendry gerettet. Aber wer wusste schon, was er nun mit uns vor hatte? Ich erinnerte mich an die Regen von Castamaer. Von so vielen gefeiert, obwohl darin so viel Grausamkeit steckte.
Ich eilte durch den nächsten dunklen und kalten Flur, vorbei an vielen Soldaten, die mich anstarrten. Ich spürte ihre Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten. In meinen dreckigen Rücken. Ich wollte hier nicht sein! Es war mir so unangenehm, es widerte mich an! Ich wollte nicht wissen, worum sich ihre Gedanken drehten, wollte mir nicht vorstellen, welche Szenarien sich in ihren Köpfen abspielten.
Die nächste Tür ging leichter auf als die anderen. Sehr zu meinem Nachteil, denn ich hatte zu viel Schwung und landete auf dem Boden - Direkt vor Lord Tywins Füßen.
"Das erste, woran wir arbeiten werden, ist deine Pünktlichkeit, verstanden?", kommentierte er mit rauer Stimme, "Während deiner Abwesenheit hätte ich fünf Kriege führen können."
Ich sah auf. Er stand mit dem Rücken zu mir am Fenster und starrte in den Hof. Anstelle der Rüstung trug er nun ein schwarzes Gewand aus Leder. Die Hände hielt er hinter dem Rücken verschränkt, während er ganz leicht den Körper hin und her wiegte. Fast wie ein nervöses Kind, welches hinter seinem Rücken die verbotenen Süßigkeiten versteckte. Ob er auch etwas versteckte? Jeder hatte doch ein Geheimnis!
"Hast du mich verstanden?"
Er drehte sich zu mir um und ich richtete mich auf. Seine blauen Augen fixierten mich, registrierten alle meine Bewegungen und quittierten diese mit einem undeutlichen Funkeln. Er hob eine Augenbraue und beugte seinen Oberkörper näher zu mir nach vorne. Die Hände behielt er dabei stets auf seinem Rücken.
"Ja, Ser", erwiderte ich schnell. Seine Miene war ausdruckslos.
"Ich bin kein Ser, Mädchen. Ich bin ein Lord."
"Macht das einen Unterschied?", rutschte es mir heraus. Ich verstand diese verschiedenen Positionen nicht, woher auch? Ich kannte dieses Leben nicht.
Für einen kurzen Moment starrte mich der Lannister an, als wäre ich aus einer anderen Welt. Dann atmete er tief ein und musterte mich.
"Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man ein Ritter ist, oder ein Lord."
"Also sage ich nun "Eure Lordschaft" oder so etwas?", fragte ich weiter und er zuckte mit einer Augenbraue.
"Bist du von hoher Geburt?" Ein Hauch von Sarkasmus in seinem Brummen.
"Nein."
"Dann sagst du "Mylord" und nicht "Eure Lordschaft". Eigentlich ist es ganz simpel und ein Mädchen mit deinem Verstand sollte das schnell lernen."
Er drehte mir wieder den Rücken zu, während ich ihn durchdringend musterte und die Stirn runzelte.
"Was wisst Ihr von meinem Verstand, Mylord?"
"Ich bitte dich! Du verkleidest dich als Junge, um sicher reisen zu können. Du täuscht meine Soldaten und das scheinbar schon länger als gestern. Du musst Verstand besitzen, spiel nicht die Dumme!"
Ein unbekanntes warmes Gefühl von Stolz breitete sich in meinem Magen aus. Es fühlte sich unangenehm an. Ich räusperte mich und ging auf diesen Kommentar nicht weiter ein. Ich hatte schon wieder zu viel geredet.
"Was genau soll ich jetzt für Euch tun?"
Er drehte sich erneut vom Fenster weg, um sich dann an das Kopfende des Tisches zu setzen.
"Du wirst mich jeden Morgen mit dem Sonnenaufgang wecken. Du legst mir meine Kleidung heraus und kümmerst dich dann um mein Frühstück. Du versorgst täglich mein Pferd und hältst meine Rüstung instand. Und wann immer ich dich rufe oder nach dir rufen lasse, wirst du gehorchen und umgehend hierher kommen. Verstanden?"
Er musterte mich eindringlich. Mir gefiel seine Anwesenheit nicht. Dennoch rang ich mir ein Nicken ab und neigte etwas den Kopf. Was wäre gewesen, wenn er kein Lannister wäre? Wenn es ein Lord aus den Flusslanden wäre? Hätte das einen Unterschied gemacht, hätte ich mich wohler gefühlt? Ich wusste es nicht.
"Sonst noch etwas, Lord Tywin?"
"Du hast keinerlei Erfahrungen mit dem Adel, kann das sein?"
Er strich sich nachdenklich über den Bart und ich nickte erneut. Er nickte ebenfalls verstehend, ob zu mir oder zu sich selbst, konnte ich nicht deuten.
"Geh mir Wein holen und kümmere dich dann um etwas Brennholz. Mir ist kalt."
Er verschränkte die Arme vor der Brust, strich sich gestikulierend über die Oberarme. Ich neigte den Kopf, drehte mich um und schritt zur Tür, ohne mich noch einmal zu dem Lannisterlord umzudrehen. Ich war froh, von ihm wegzukommen. Wein und Brennholz. Eine weitere Suche begann...
DU LIEST GERADE
A Beast's Heart
FanficWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...