11.

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Er lenkte sein Pferd zu uns und stieg ab. Der Berg machte eine Verbeugung und war tatsächlich mal mit anderen Soldaten auf Augenhöhe.
"Wir hatten Euch erst morgen erwartet, Lord Tywin."
Der Lord schwang sich elegant aus dem Sattel und reichte einem Soldaten die Zügel des Pferdes. Dieser führte es weg und Tywin sah zu Clegane hoch.
"Ja, so sieht es hier auch aus. Ich sehe keinen Unterschied zu einem Schlachtfeld."
Der Lannister ging näher zu unserem Pferch heran und musterte uns. Er wirkte nicht erfreut über seinen Fund.
"Warum sind diese Gefangenen nicht in den Verließen?"
Seine Stimme war dunkel und ruhig. Unweigerlich stellte ich sie mir in wütendem Zustand vor und zitterte leicht. Er schien seine ganze Kraft lieber zu verbergen, sparte sie womöglich für bessere Zeitpunkte auf. Trotzdem strahlte er seine Macht gut portioniert aus und dies nur mit seinen Blicken und Gesten. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
"Die sind alle voll, Mylord. Wir mussten sie hier unterbringen."
Polliver stand neben dem Berg und sah zu mir. Erst jetzt bemerkte ich, dass um mich herum alle in die Knie gegangen waren. Nur ich stand noch und musterte eindringlich den Unbekannten vor mir. Ich hatte noch nie einen Lord gesehen. Irgendwie unterschied er sich kaum von anderen Männern, war er doch im Gesicht genauso dreckig wie sie. Nur wirkte er älter und deutlich ernster, mal von dem machtvollen Auftreten abgesehen. Lord Tywin schien kein Mann von großem Sinn für Humor zu sein.
"Knie endlich nieder, oder ich schneide dir die Lunge raus, Bursche", hörte ich Polliver knurren und sah, wie er die Hand erhob. Doch ehe ich in irgendeiner Form reagieren konnte, erhob Lord Tywin mit drohendem Unterton seine Stimme.
"Das wirst du lassen!"
Dann passierte es. Sein Blick begegnete meinem. Ich sah in blaue Augen, noch blauer als Gendrys. Sein Blick hatte etwas unergründliches, als er mich musterte. Ich kam einfach nicht dahinter. Unser Blickkontakt hielt vielleicht ein paar Sekunden Bestand, doch kam es mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Und zu meiner Verwunderung wusste ich nicht, wie ich diese Erkenntnis einschätzen sollte.
"Das ist kein Junge. Das ist ein Mädchen, du Idiot!", sprach Tywin weiter und ich zuckte zusammen. Nun lagen wirklich sämtliche Augenpaare fragend auf mir und ich fühlte mich äußerst unwohl. Er hatte mich mit einem Blick auffliegen lassen. Ich spürte Aryas Blick auf mir und schielte kurz zu ihr. Sie schien geschockt, starrte mich entgeistert an. Heiße Pastete konnte ich nicht mehr sehen.
"Ein Mädchen, das sich als Junge verkleidet hat", fuhr Tywin fort und ich richtete meinen Blick wieder auf ihn, "Warum?"
Ich traute mich nicht, ihm nochmal in die Augen zu sehen. Dahinter lag so eine gewaltige Kraft, die ich nicht einzuschätzen wusste. Er schüchterte mich komplett ein und folglich zitterte auch meine Stimme etwas.
"Vorsicht ist besser ... als Nachsicht..."
Tywin sah mich immer noch an, strich sich kurz nachdenklich über den schneeweißen Bart.
"Klug... Was ich von meinen Soldaten nicht behaupten kann!"
Er bedachte Polliver mit einem gewissen Seitenblick und dieser schrumpfte automatisch in sich zusammen. Lord Tywin wandte sich ab und verschwand in die Richtung, in die auch Gendry verschwunden war.
Ich drehte mich langsam um und sah, wie mich einige der Gefangenen bereits eindringlich musterten, als sei ich ein saftiges Stück Braten. Mir wurde sehr unwohl und ich drückte mich dichter an den Pfahl hinter mir. Arya hatte Abstand von mir genommen und auch Heiße Pastete wirkte etwas unschlüssig. Ich wollte hier schleunigst raus, weg von all den Männern mit ihren gierigen Blicken. Ich konnte mir denken, was in ihren Köpfen vorging und diese Vorstellung ließ mich übel aufstoßen.
Tywin kam zurück und lehnte sich kurz auf den Holzpfahl hinter mir.
"Können wir es uns leisten, potentielle Arbeiter zu verlieren, Clegane?"
Der Berg schüttelte den Kopf und der Lord machte mit dem Kinn eine Geste zu uns.
"Gebt diesen Leuten etwas zu arbeiten", er sah zu mir hinab, "Bringt mir das Mädchen. Aber lasst sie sich erst etwas waschen und einigermaßen herrichten. Ich brauche noch eine Gehilfin."
Er bedachte mich mit einem letzten Blick, während er sich umdrehte und über den Hof in die Burg schritt. Der Berg hob mich aus dem Pferch und zog einen weiteren Soldaten heran.
"Hole einen Eimer Wasser! Beeil dich! Lord Tywin wartet nur sehr ungern!"
Der Soldat nickte und zog mich grob hinter sich her. Er bedachte mich kurz mit einem Seitenblick, dann schob er mich hinter einen großen Heukarren in eine unbemerkte Ecke.
"Warte hier", befahl er und verschwand. Ich machte mich klein, versteckte mich vor hungrigen Blicken. Wenigstens hatte ich Arya schützen können. Tywin hätte sie auch als Mädchen enttarnt, da war ich sicher. Und die Männer hier würden sich an ihr bestimmt erfreuen.
Der Soldat kam mit einem Eimer Wasser wieder.
"Sieh zu! Lass den Lord nicht warten!"
Ich nickte und verkroch mich wieder hinter dem Heukarren. Das Wasser war eiskalt und nicht gerade sauber, aber was erwartete man auch anderes von einer Ruine?
Eilig wusch ich mir den gröbsten sichtbaren Dreck vom Körper und kehrte zu dem Soldaten zurück.
"Und wo finde ich jetzt den Lord?"
"Den musst du suchen. Irgendwo da drinnen muss er sein." ...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt