Soweit das Auge reichte, flatterten überall die Banner des Hauses Lannister im leichten Wind. Unzählige Menschen hatten sich in den Straßen aufgestellt und musterten neugierig die Sänfte, in der Yara, Margaery, ihre Zofen und ich mich befanden.
"Sie alle sind Euretwegen hier", erklärte Margaery lächelnd, "Niemand hätte erwartet, dass Lord Tywin erneut heiratet."
Erneut... Dieses Wort versetzte mir wieder einen bitteren Stich, doch diesmal riss ich mich zusammen. Er heiratete erneut, ja. Doch diesmal würde ich dafür sorgen, dass diese Ehe bis zu unser beider Tod hielt.
"Das ist alles so aufregend!", staunte Yara und ich betrachtete weiter die vielen goldenen Löwen auf dem karmesinroten Grund. Die Krallen ausgefahren, das Maul zu einem mächtigen Gebrüll aufgerissen. So trat ich ein in meine zukünftige Familie. Und dies wäre meine Haltung, sollte es auch nur ansatzweise jemand wagen, einem von ihnen weh zu tun!
Ehe ich es mich versah, hielten wir vor dem wohl zweitgrößten Gebäude der Stadt. Die Septe. Auch wenn mir dieses Szenario mittlerweile bekannt war, so spürte ich dennoch erneut die Aufregung und musste erst einmal tief durchatmen. Die Zeit des Versteckens war vorbei. Mit dem heutigen Tage war ich offiziell Tywins Frau. Lena Lannister. Er hatte mich schon ein paar Mal so genannt, doch hörte es sich immer noch fremd an, selbst als ich den Namen für mich selbst flüsterte. Yara musste mich gehört haben, denn sie strich mir einmal beruhigend über den Arm.
"Das ist Euer Name, Mylady. Tief durchatmen, es ist bald geschafft."
Auch auf den unzähligen Stufen vor der Septe hatten sich dutzende, vielleicht sogar hunderte Menschen eingefunden und allesamt ihre Blicke auf mich gerichtet. Wir stiegen aus und ich blickte etwas hilflos zu Margaery und ihrer Schar Zofen um sich herum.
"Die restlichen Schritte bis zu Eurem Gemahl geht Ihr nun allein, Mylady. Wir sehen uns später wieder."
Sie schritt voran, hinein in die Septe, während ich noch einmal tief durchatmete. Ich mochte charakterlich vielleicht etwas gewachsen sein, dennoch fürchtete ich immer noch etwas die stechenden, prüfenden Blicke all dieser fremden Leute. Ich stellte mir vor, einen von Harrenhals vielen dunklen Fluren entlang zu gehen, während ich langsam die Treppen erklomm. Dort hinter der Tür war Tywin, dies war der Weg zu ihm, ganz wie immer. Harrenhals Flure, geziert mit dem Banner des stolzen Löwen. Eine unmissverständliche Ankündigung. Ein beruhigender Gedanke für mich.
Die riesigen Türen wurden aufgezogen und ich sah noch, wie Margaery neben Lady Olenna ihren Platz einnahm, bevor sich sämtliche Seelen in diesem Raum nach mir umdrehten. Mein Herz raste, während ich mich äußerlich um meine erhabenste Haltung bemühte. Ich war nie in diesen Stand geboren, hatte diese Haltung erst in den letzten zwei Wochen lernen müssen. Ich war nicht gewillt, mich zum Gespött der Leute zu machen.
Nicht weit weg stand mein Tywin, gehüllt in sein rotes Gewand. Ein kurzes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als sich unsere Blicke trafen, dann öffnete er seine Augen noch ein Stück mehr und schien sich für den Moment gar nicht mehr regen zu können. Ein Raunen ging durch die Menge, während sich König Joffrey neben mir einfand. Zu gerne hätte ich etwas von seiner Erhabenheit und vielleicht sogar etwas seiner Arroganz für mich eingefangen, strahlte er selbst davon doch deutlich zu viel für meinen Geschmack aus.
"Erlaubt Ihr mir, Euch zum Altar zu geleiten, da Euer Vater dies nicht kann?"
Mir gefiel seine Anwesenheit nicht, dennoch nickte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
"Es wäre mir eine Ehre, Euer Hoheit."
Ich hakte mich also bei ihm unter und ließ mich von ihm Schritt für Schritt näher zu meinem Löwen bringen. Tywin hob vor Stolz etwas das Kinn und ich tat es ihm nach. Ich wollte unbedingt meine Stärke zeigen, wollte seiner würdig erscheinen. Ich versuchte die Gäste auszublenden, fixierte meinen Blick voll und ganz auf Tywin. Majestätisch und erhaben stand er da, die Hände vor dem Bauch verschränkt und versteckt unter einem großen Stück Stoff, und musterte mich durchdringend. In diesem roten Gewand sah er unwiderstehlich aus, ich musste mir fest auf die Lippen beißen, um nicht angetan zu seufzen. So stolz, wie er da stand und seinem Haus einmal mehr durch bloße Präsenz und Ausstrahlung alle Ehre machte, fühlte ich mich auch einmal mehr komplett fehl am Platz und unbedeutend klein wie eine Ameise. Die ganzen Blicke der anderen und ihr leises Gemurmel trugen zudem nicht gerade dazu bei, dass sich dies änderte, im Gegenteil. Ich spürte, wie sich die Blicke durch meinen Rücken zu Fressen schienen und unterdrückte die unwohlen Schauer, die mir dadurch über die Haut rannen.
Im Augenwinkel erkannte ich Tyrion und auch Cersei beidermaßen. Die Königin stand natürlich in der allerersten Reihe, ihr kleiner Bruder dahinter. Lediglich ihm schenkte ich einen Blick, auch Tommen, welcher sich neben Tyrion befand und mich eingehend mit einem breiten Lächeln musterte. Es waren nicht alle gegen mich, das durfte ich nie vergessen.
Weitere Stufen taten sich vor mir auf, als Joffrey plötzlich meinen Arm los ließ und sich neben seiner Mutter einfand. Ich schluckte kurz und atmete erneut so unauffällig wie möglich tief durch, bevor ich die letzten Stufen nahm und mich endlich neben Tywin einfand. Sanft blickte er zu mir herab, weshalb ich ihm ein etwas erleichtertes Lächeln schenkte. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass es sich bei dem Stoff in seinen Armen wohl um den Mantel handeln musste. Ich hatte mir von Margaery erklären lassen, wozu der diente.
"Euer Hoheit, euer Gnaden, Mylords, Myladies, wir stehen hier im Angesicht der Götter und Menschen um diesen Bund zwischen Mann und Frau zu bezeugen. Ein Leib, ein Herz, eine Seele, jetzt und für immer."
Je länger ich Tywin in die Augen blickte und die schnarrende Stimme des alten Septons hörte, fühlte ich mich zurückkatapultiert zu unserer ersten Hochzeit. Die Worte waren dieselben gewesen. Nur das, was darauf folgte, war neu.
"Ihr dürft die Braut nun ummanteln und sie somit unter Eure Obhut stellen."
Endlich schien sich Tywin aus seiner Starre lösen zu können. Ich bewunderte ihn für die Ruhe, die er ausstrahlte. Er wirkte wie immer, während ich mein Zittern zu kontrollieren versuchte. Ich hoffte, dass sich mit den zunehmenden Jahren das Zeigen meiner Nervosität endlich legen würde. Das war ja nicht auszuhalten und unangenehm!
Erwartungsvoll drehte ich meinem Löwen den Rücken zu, als er mit einer fließenden Bewegung den roten Mantel um mich legte. Sanft bedeckte der Stoff meine Schultern und für einen kurzen Moment wurde mir unheimlich warm. Tywin stand so dicht wie möglich hinter mir und ließ seine großen Hände schützend und beruhigend auf meinen Schultern ruhen. Für einen kurzen Moment legte ich etwas den Kopf zur Seite und strich mit der Wange über seine Finger, ganz wie eine Katze. Dann drehte ich mich wieder zu ihm um und ergriff seine Hände, ehe wir einmal mehr unsere Worte sprachen. Ich war gedanklich nicht mehr hier. Ich war wieder im Wald unter den Fichten am Rande der Lichtung, vor mir mein Löwe in dem schlichten roten Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln. Ob ich diesen Anblick jemals wieder erleben würde? Vielleicht konnte ich ihn ja eines Tages mal dazu überreden, wenn wir irgendwo alleine waren. Vorausgesetzt, ich bekam ihn von seinem Schreibtisch weg. Man sagte mir zwar, ich müsste das Vergangene hinter mir lassen. Aber warum musste ich denn unbedingt auf alles verzichten, was mir gefiel? Ich setzte mir das Ziel, auch weiterhin wenigstens beizeiten mal meinen Willen durchzusetzen. Dazu gehörte auch der Versuch, Tywin wieder in ein schlichtes Hemd zu bekommen. Das musste doch möglich sein, zumal er selbst auch manchmal über seine Ledergewänder klagte, sie seien zu warm!
All dies dachte ich, während wir synchron erneut unser Ehegelübde ablegten und uns tief in die Augen sahen. Ob Tywin auch wieder zurückdachte? In seinem Blick lag wieder dasselbe Funkeln und plötzlich war ich mir sicher. Auch er war nicht wirklich hier.
Umso ferner rutschte alles in den Hintergrund, als er mich an sich zog und sanft küsste. Gemächliches Applaudieren in der Ferne, längst nicht so laut wie im Dorf. Es war, als verspürte ich einen kühlen Lufthauch. Doch der rückte schnell wieder in den Hintergrund, während Tywin seine Arme um mich legte und noch dichter an sich zog. Ich wagte es kaum, mich von ihm zu lösen, zu schön war dieser Moment. Wir waren vereint, nun endgültig.
"Lena Lannister", wisperte mir mein Löwe glücklich ins Ohr, bevor wir uns der Menge zuwandten. Ich wusste genau, dass ihre Freude nicht von Herzen kam, dementsprechend waren meine erwiderten Blicke auch nicht die wärmsten. Tywin hielt meine Hand, während wir gemeinsam vom Altar schritten, auf ewig vereint, jetzt und für immer...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...