Es vergingen Wochen des Schweigens. Ich beschränkte meine Gespräche auf das nötigste und auch beim Lesen abends übte ich eher das stumme Lesen. Ich hatte mich wieder zurückgezogen und verbarg mich vor allen anderen.
Als ich dann eines Morgens Tywin sein Frühstück hinstellte, packte er mich plötzlich am Ellbogen und hielt mich neben sich.
"Du redest kaum noch, Lena. Weshalb?"
"Wünscht Ihr eine Unterhaltung, Mylord?", erwiderte ich monoton und er nickte.
"Ja."
"Ich werde Soldaten rufen, die sich mit Euch unterhalten", sagte ich dann knapp und wollte mich losreißen, doch sein Griff war stahlhart. Es schmerzte schon ein wenig, wie sich seine Finger in meinen Arm gruben, doch das kümmerte mich kaum noch.
Es schienen Minuten zu vergehen, die wir uns stumm ansahen, bis er meinen Arm endlich freigab und mit einem Kopfnicken auf den Stuhl neben sich deutete.
"Hinsetzen."
Mit einem leisen resignierenden Schnauben nahm ich neben ihm Platz und starrte auf den Tisch. Ich wollte weg, wollte seinem prüfenden Blick entkommen, der sich durch mich hindurch zu fressen schien.
Doch er hielt mich bei sich.
"Warum sprichst du nicht mehr?", fragte er nochmal und ich zuckte mit den Schultern.
"Warum sollte ich sprechen, wenn ich doch nichts zu sagen habe?"
"Du bist verletzt."
Ich blickte ihn verwirrt an, dann an mir hinab. Wo sollte ich verletzt sein?
"Nicht an deinem Körper", klärte er auf und sah mich weiter durchdringend an, "Ich sehe es in deinen Augen. Bis vor ein paar Wochen lag so ein kleines Strahlen in ihnen, nun sind sie leer. Warum?"
Ich konnte darauf nicht antworten. Ich war gewillt, ihm meinen Schmerz ins Gesicht zu brüllen. Ihm zu sagen, wie sehr ich ihn verabscheute, wie sehr ich das alles hier verabscheute. Wie sehr ich meine Familie vermisste. Doch ich schwieg. Es war besser so.
Mein Blick begegnete wieder seinem, jedoch war ich diesmal ebenso aufmerksam. Seine Augen wirkten müde und eingefallen, kein Wunder, wenn er immer die halbe Nacht lang noch arbeitete. Nur ein Funken Neugierde flackerte in dem tiefen Blau, sonst war da nichts. Er konnte wohl kaum verstehen, was ich empfand.
"Ich kann es nicht erklären. Und ich bin sicher, Ihr würdet es nicht verstehen."
Meine Stimme war leise und brüchig. Doch er schien jedes Wort verstanden zu haben, denn in seine Augen trat ein animalisches Blitzen und seine Stimme glich einem wütenden Fauchen.
"Ich würde es nicht verstehen", wiederholte er mit leisem Schnauben und ich wurde automatisch ein kleines bisschen kleiner, "Was weißt du denn schon? Ich glaube wohl kaum, dass du selbst etwas verstehst! Hast du schon einmal tiefe, bedingungslose unendliche Liebe für jemanden verspürt? Hast du dir geschworen, diese Person mit deinem Leben zu beschützen und hast sie dann doch verloren? Nein? Nun, ich schon! Sie war mein ein und alles, meine Joanna! Eine solche Schönheit, durch und durch! Die schönste Frau aller sieben Königslande! Ich hätte ihr die Welt zu Füßen gelegt, die Götter wissen das! Doch sie starb und ich konnte nichts tun. Ich, Tywin Lannister, musste zusehen, wie sie starb, wie ihre Hand in meiner erschlaffte. Und alles, was mir blieb, ist diese missratene, boshafte kleine Kreatur! Also sag du mir nicht, ich würde nichts von Schmerz verstehen!"
Während er sprach, hatte seine Stimme an Leben und Erregung gewonnen. Er wurde lauter und lauter, seine Hände ballten sich zu Fäusten, dass die Knöchel weiß hervorstachen. Ich schrumpfte immer mehr in mich zusammen, ich fürchtete seine Wut, die sich mir langsam aber sicher offenbarte. Doch in mir selbst staute sich ebenfalls der Hass der letzten Wochen und das machte mich wieder stark. Ich hob etwas das Kinn, mein Maß war nun endgültig voll.
"Ich weiß nicht, wie es ist, die Liebe seines Lebens zu verlieren. Ich weiß nur, wie es ist, seine Familie zu verlieren. Ich glaube kaum, dass Eure Familie vor Euren Augen brutal ermordet wurde, als Ihr noch ein kleiner Junge wart, im Gegenteil. Wie ging es noch gleich, Euer bekanntes Lied? Die Regen von Castamaer? Ihr wart derjenige, der eine Familie einfach abschlachten ließ! Ihr wisst nichts von diesem Schmerz!"
Nun hatte ich es ihm doch ins Gesicht geschleudert, hatte meine Kontrolle verloren. Ich starrte ihn für einen Moment perplex an, dann weitete ich die Augen.
"Mylord, verzeiht, ich-"
"Raus."
Seine Stimme war kalt wie Eis und tödlich leise. Seine Augen spien erneut blaues Feuer und seine Kiefer mahlten. Ich setzte nochmal an und hörte ihn brüllen.
"RAUS!"
Ich schluckte und sprang auf, lief sofort zur Tür und wagte es nicht einmal mehr, mich nochmal umzudrehen.~~~
Wie bei allen sieben Höllen konnte sie es nur wagen?! Für eine derartige Dreistigkeit hätte ich sie eigentlich hinrichten müssen! Wie hatte ich nur zulassen können, dass sie so mit mir sprach?
Beruhige dich, Tywin, Konzentration!
Ich kniff die Augen zusammen und massierte mir unter einem Seufzen das Nasenbein. Es war ein sehr unsittliches Verhalten, andererseits wäre ihre Hinrichtung eine Verschwendung von gutem Arbeitspotential, deshalb entschied ich mich dagegen.
Zudem hatte auch ich die Kontrolle über mich verloren. Wie lange war ein derartiger Ausbruch in Gegenwart anderer her? Zu lange, um mich daran zu erinnern.
Ich zwang mich zur Ruhe und starrte auf den Tisch. Ich würde sie nicht dafür töten, so grausam war ich dann doch noch nicht. Aber das letzte Wort war definitiv auch noch nicht gesprochen, so viel stand fest!
Erneut kam in mir dieses Gefühl von Einsamkeit hoch. Von Joanna zu erzählen, hatte mich viel Kraft gekostet. Kraft, die ich eigentlich zur Ablenkung benötigte. Ich konnte nicht länger alleine bleiben, ich musste mir dringend etwas Gesellschaft suchen. Der Schmerz war kaum auszuhalten, vielleicht könnte jemand anderes mich davon ablenken. Ich hatte genug von den immer wiederkehrenden Alpträumen und dem anhaltenden Schmerz in meiner Brust...
DU LIEST GERADE
A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...