Was hatte mich nur dazu getrieben? Mit beschämten Blick schielte ich zu Tywin, der sich umzog und dann wieder in sein Arbeitszimmer ging. Yara kam mit einem neuen Gewand für mich in den Turm und musterte mich schwer besorgt. Sie kam uns entgegen, als Tywin ihr seinen Befehl auftrug.
"Geht es dir gut?", fragte sie leise und half mir beim Umziehen. Ich fasste mir an die Stirn, schloss gequält die Augen.
"Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Von dem einen Moment auf den anderen hatte ich diese Stimme im Kopf und sie redete schlecht auf mich ein... Ich kann mich gar nicht erinnern, wie ich in das Wasser gewatet bin..."
Sie musterte mich besorgt, ehe sie die Hände auf meine Schultern legte.
"Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist."
Ich nickte und sie hob etwas mein Kinn an.
"Ich besorge dir und Lord Tywin etwas Frühstück. Mit seinem Schinken wird er wohl kaum bis zum Mittagessen auskommen und du hast noch gar nichts gegessen."
"Bring uns eher gleich das Mittagessen", unterbrach mein Löwe sie und steckte den Kopf zur Tür herein, ehe er ganz in unser Schlafgemach trat, "Es ist schon recht spät, Frühstück lohnt sich nicht mehr."
"Natürlich, Mylord."
Sie machte einen Knicks und sah mich noch einmal liebevoll an, bevor sie an ihm vorbei nach draußen lief. Ich ließ mich auf das Bett sinken und legte einen Arm über mein Gesicht. Ich fühlte mich so schlecht ihm gegenüber! Was ich gesagt hatte, war falsch gewesen. Komplett falsch. Bist du dir da sicher, murmelte wieder die dunkle Stimme in meinem Kopf und ich schnaubte leise. Natürlich, dachte ich. Ich glaube und vertraue ihm!
Tywin ließ sich neben mir auf das Bett sinken und kurz darauf spürte ich zart seine Fingerspitzen auf meinem Arm.
"Wie geht es dir?"
"Ich fühle mich schäbig", nuschelte ich und blickte ihn beschämt an. Er lag auf der Seite, dann beugte er sich etwas vor und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn.
"Ich liebe dich, Lena. Hörst du? Ich will nur noch dich an meiner Seite haben und ich hoffe, das merkst du irgendwann."
Ehe er es sich versah, schlang ich die Arme um ihn und zog ihn dichter zu mir.
"Ich liebe dich auch, Tywin! Mehr als alles andere! Deshalb war ich auch so tief traurig, als ich das hörte. Ich kann es natürlich verstehen, aber... nun ja..."
Meine Stimme versiegte. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, ihn zu verlieren. Ich musste schmerzlich feststellen, dass meine Eifersucht unheimlich groß war. Ein weiterer Teil meiner selbst, mit dem ich zu kämpfen haben würde.
"Wie tief du doch gesunken bist", hörte ich es in meinem Kopf. Das altbekannte Knurren meiner inneren Stimme.
"Selbst zu deinen schlimmsten Zeiten hast du nicht so gedacht. Du sagst, du vertraust ihm, dabei kochst du schon wegen einem solchen selbstverständlichen Satz vor Wut."
Normalerweise klang die Stimme stets wie mein Vater. Nun aber nicht mehr. Nun klang sie nur noch wie es fürchterliches. Und als ich die Augen schloss, erspähte ich durch die Dunkelheit die wohl unheimlichsten roten Augen, die ich je gesehen hatte. Meine innere Bestie.
"Ruh dich ruhig etwas aus", drang weit entfernt Tywins Stimme an mein Ohr. Doch mein Blick löste sich nicht von dem großen grauen Ungetüm, ich konnte mich nicht regen.
"Endlich kehrst du einmal wieder zu mir zurück. Ich dachte schon, du hättest mich vergessen." ...~~~
Ich warf einen besorgten Blick auf Lena und blieb im Türrahmen stehen. Es war, als wäre sie vorhin ein komplett andere Person gewesen. Ob sie mir glaubte, was ich gesagt hatte? Ob sie einsehen würde, dass ich nur noch sie wollte?
Ich ließ sie schlafen, setzte mich an den Schreibtisch und zog gerade neues Papier heran, als es an der Tür klopfte und die Magd von eben wieder eintrat.
"Das Essen war gerade fertig gekocht, Mylord."
"Gut, gut", winkte ich schlicht ab, "Stell die Teller auf den Tisch dort. Wir werden hier essen."
Sie bedachte mich mit einem kurzen Lächeln, stellte die Teller wie befohlen auf den großen Tisch und wollte sich gerade wieder abwenden, da hielt ich sie zurück.
"Komm mal her", sagte ich und sie näherte sich mir schüchtern."Was wünscht Ihr, Mylord?"
"Bist du mit Lena befreundet?"
"Ja, Mylord. Ist...ist das falsch?"
Ich musterte sie, strich mir dabei über den Bart.
"Nein... Nun, Lena wird den Dienst von jetzt an ablegen. Ich wünsche, dass du von nun an als ihre Zofe fungierst. Es ist gut, wenn sie jemanden Vertrautes an ihrer Seite hat."
Zudem erspart es mir die Suche, dachte ich zusätzlich und vernahm zufrieden ihren tiefen Knicks.
"Ihr ehrt mich, Mylord! Wenn Lena und Ihr es wünscht, werde ich dem gerne nachgehen!"
"Ich wünsche es!", sprach Lena hinter mir und ich zuckte zusammen. Ich hatte sie nicht kommen gehört.
"Du solltest dich ausruhen", sprach ich im ernsten Ton, ehe sie mir die Hand auf den Mund legte.
"Und du solltest längst etwas gegessen haben. Yara, ich danke dir sehr! Du darfst dich zurückziehen."
Yara nickte, knickste noch einmal.
"Mylord. Mylady."
Lena schnaubte amüsiert, dann drehte sich ihre neue Zofe um und verließ eilig das Zimmer. Sofort ergriff Lena meine Hand und zog mich zu sich hoch.
"Verzeih mir bitte", flehte sie leise und drückte sich fest an mich, "Ich wollte das alles nicht! Ich schäme mich für meine Eifersucht!"
Ich strich ihr sanft durch das Haar und blickte zu ihr hinab. Ihre Liebe war mir sicher, das hatte sie mir einmal mehr bewiesen. Ich lächelte leicht, bevor ich die Nase in ihrem Haar vergrub.
"Schon gut, meine Löwin", flüsterte ich, "Ich hätte vermutlich auch so reagiert."
"Hättest du?", fragte sie leise und ich schnaubte.
"Na hör mal, du bist meine Löwin! Ich lasse nicht zu, dass dich mir jemand anderes wegnimmt!"
"Ich liebe dich, Tywin! Und das soll ruhig jeder wissen!"
Ich strich ihr über den Rücken und kniff fest die Augen zu, als ich erste Tränen zu spüren glaubte.
"Das wird jeder wissen. Dein Brüllen wird in ganz Westeros zu hören sein."
"So wie auch deines, mein Löwe."
Wir setzten uns an den Tisch und betrachteten unser Essen. Hirschragout.
"Ist das nicht etwas makaber?", fragte Lena.
"Was denn?"
"Naja... Hirschragout. Ziert nicht ein Hirsch das Banner der Baratheons?"
Ich begann bereits zu essen und schmunzelte.
"Das ist richtig. Aber das muss doch nicht heißen, dass wir keine Hirsche mehr jagen und essen dürfen. Bevor wir nach Harrenhal kamen, habe ich selbst einen gejagt und ausgenommen."
Sie blickte mich mit großen Augen an, ich las komplette Faszination in ihnen.
"Du alleine?"
Ich nickte nur.
"Danach hatte ich eine Woche lang den Gestank an den Händen. Aber meine Männer und ich hatten zu essen und das war die Hauptsache."
Ich erinnerte mich an Jaime und hielt inne. Wie erging ihm gerade? Er war mein Sohn, er würde durchhalten!
"Tywin, worüber denkst du nach?"
Lena hatte ebenfalls aufgehört zu essen und musterte mich durchdringend. Es war schön zu sehen, dass sie sich um mich sorgte. Es erfüllte mein Innerstes mit Wärme, ich konnte es deutlich spüren.
"Ich dachte eben an meinen Sohn, Jaime. Er ist, wie du ja weißt, bei den Starks in Gefangenschaft."
"Er ist dein Sohn", dachte sie ähnlich wie ich, "Er wird sich da rauskämpfen und heimkehren. Da bin ich sicher."
"Du bist ihm nie begegnet..."
"Das stimmt", nickte sie und lächelte, ehe sie ihre Hand plötzlich auf meine legte, "Aber ich bin dir begegnet. Ich weiß, wie stark du bist. Warum sollte dein Sohn dann schwach sein?"
"Ich werde alles tun, was ich kann, um ihn zu befreien."
"Und ich werde alles tun, was ich kann, um dir zur Seite zu stehen und dir zu helfen!"
Wie sehr sie sich doch verändert hatte! Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich sie in dem Pferch gesehen hatte, komplett braun und starr vor Dreck. Ein böses Blitzen in den Augen, sie hatte mich gehasst. Und nun war sie hier an meiner Seite, aß und trank mit mir und schwörte, mich stets zu begleiten. Ich musste lächeln. Sie mochte eifersüchtig sein, sie mochte noch nicht in ihrer neuen Stellung angekommen sein. Aber aus ihr würde noch ein erhabener, stolzer Teil meiner Familie werden, das wusste ich. Das Haus Lannister würde noch stärker und mächtiger werden.
"Träumst du?"
Lena wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum.
"Du siehst hinreißend aus", murmelte ich und sie lachte verlegen.
"Iss deinen Hirsch auf. Es gibt noch viel zu tun."
Ich schnaubte amüsiert und gehorchte. Ja, sie komplettierte meine Familie! Stolz erfüllte mich, je länger ich sie musterte. Ich hatte mich richtig entschieden...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...