82.

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Wir befanden uns vor einer riesigen Flügeltür, fast so groß wie die des Thronsaals. An den Wänden hingen Fackeln, welche die Flure mit ihrem spärlichen, warmen Licht beleuchteten. Tywin hielt ganz fest meine Hand.
"Wie wollen wir das jetzt angehen?", fragte ich ihn leise und schwer nervös. Innerlich hatte ich mich bereits auf das Schlimmste eingestellt. Tywin blickte sanft zu mir hinab, ehe er mich ein letztes Mal sanft küsste.
"Ich gehe vor. Du wirst hier warten. Wenn ich dich rufe, kommst du herein, ja?"
Ich nickte und fühlte einen leichten Stich im Herzen, als er meine Hand los ließ und eine der beiden Türen öffnete. Ich hielt mich versteckt, bemerkte die aufkommende Stille.
"Vater", begann irgendwann Cersei und ich spürte erneut die Wut in mir, "Du bist zurück."
"Dürfte ich erfahren, warum Ihr so plötzlich die Stadt verlassen habt, Großvater?", erklang nun die Stimme von König Joffrey, "Ich kann mich nicht entsinnen, Euch einen derartigen Auftrag gegeben zu haben."
"Nein, Euer Gnaden, das habt Ihr nicht. Ich hatte in eigenem Interesse etwas zu erledigen und nun möchte ich Neuigkeiten präsentieren. Komm herein, Liebste."
Ein geschocktes Raunen war zu hören, während ich mich in Bewegung setzte und ebenfalls langsam durch die Tür schritt. Ich fand mich neben Tywin ein, verschränkte die Hände vor meinem Bauch ineinander und blickte so selbstsicher wie möglich in die Runde. Ich wollte mir meine Angst nicht anmerken lassen.
"Guten Abend."
"Dann ist es also wahr, ich wollte es nicht glauben. Das ist ja wohl ein schlechter Witz", spuckte die Königin aus und ich bemerkte sofort, wie Tywin sich neben mir versteifte.
"Sehe ich für dich aus, als wollte ich scherzen?", fragte er leicht bissig und ergriff meine Hand, "Das ist mein vollster Ernst! Lena ist nicht länger meine Gehilfin. Sie ist meine Gefährtin und schon bald meine Frau, also ein Teil der Familie."
Er blickte kurz zu mir und ein liebevolles Funkeln trat in seine Augen. Ein Funkeln, welches erlosch, als von dem Tisch die nächste Stimme zu uns sprach. Es war der König.
"Wie kommt das so plötzlich? Seid Ihr etwa nur ihretwegen weg gewesen?"
Tywin ging zum leeren Kopfende des Tisches, zog den Stuhl zurück und winkte mich heran. Ich nahm zögerlich Platz und blickte kurz Tyrion zu meiner Linken an, der mich eingehend musterte. Bisher waren wir uns noch nie richtig begegnet, unsere Wege hatten sich nur ein paar Mal flüchtig gekreuzt. Neben ihm saß Joffreys kleiner Bruder, der mich ebenfalls mit großen Augen musterte. Außerdem eine weitere junge Dame mit dunklerem Haar, definitiv keine Lannister. Sie lächelte mir freundlich zu, ich erwiderte dies mit einem knappen Nicken. Cersei wollte ich nicht ansehen.
Tywin kehrte mit einem zweiten Stuhl aus der Raumecke zu mir zurück und nahm neben mir Platz, gegenüber dem König.
"Sehr richtig, Euer Gnaden. Ich war ihretwegen unterwegs, um sie nach Hause zu holen, als sie floh. Ihr wisst den Grund aber bestimmt schon."
"Lass die Kinder da raus", sagte Cersei plötzlich im scharfen Ton und ich sah, wie Tywin zornig mit den Kiefern mahlte. Doch ehe ich ihn beruhigen konnte, erhob die Fremde die Stimme. Eine sanfte Stimme, mir persönlich fast schon zu sanft.
"Wie wäre es, wenn wir erst einmal essen, mein geliebter König", sie wandte sich an Joffrey und fasste ihn leicht am Arm, "Lord Tywin und ... seine Begleitung sehen hungrig und etwas erschöpft aus, wenn Ihr mich fragt."
"Meine Versprochene hat recht", überlegte Joffrey und beäugte mich kritisch, "Lasst uns also erst essen und uns nebenbei näher kennenlernen. Unsere Familie scheint ja Zuwachs bekommen zu haben. Richtig, Lena?"
Mit stechenden blauen Augen blickte er mir entgegen und ich nickte etwas. Er rief eine Magd heran, die mir bekannt vorkam. Auch sie hatte ich schon einmal gesehen.
"Decke auf für meine zukünftige...Großmutter...? Wie soll ich dich nennen, Lena?"
"Einfach noch einen Teller und Besteck für meine zukünftige Gemahlin", erklärte Tywin knapp mit leisem Knurren im Unterton.
"Belasst es ruhig bei Lena, Euer Hoheit."
Ich konnte nicht anders und ergriff unter dem Tisch fest Tywins Hand. Auch wenn er neben mir saß, fühlte ich mich deutlich unwohl.
"Da diese noch nicht gefallen sind, möchte ich hiermit meine Glückwünsche aussprechen. Herzlich Willkommen in unserer Familie, Mylady Lena", meldete sich nun Tyrion zu Wort. Tywin nickte ihm zu und auch ich rang mir ein dankbares Lächeln ab.
"Das weiß ich sehr zu schätzen. Ich danke Euch, Lord Tyrion."
Cersei beobachtete mich immer noch äußerst kritisch, während die Magd vor mir ordentlich eindeckte. Etwas verwirrt betrachtete ich die verschiedenen Messer und Gabeln, selbst die Löffel waren unterschiedlich groß! Warum bei allen sieben Höllen brauchte man zum Essen so viel Besteck?! Im Dorf hatte ich stets einen Löffel oder eine Gabel gehabt, bei Alayne und Darian gab es sogar ein abgestumpftes Messer dazu. Aber nicht drei verschiedene Gabeln mit dazu passenden Messern! Ich schielte etwas hilflos zu Tywin, beachtete das Essen an sich überhaupt nicht.
"Hilf mir!", schrie ich ihm mit meinem Blick entgegen und er nahm ganz langsam eine Gabel und ein dazu passendes Messer in die Hände. Etwas erleichtert tat ich es ihm nach und blickte erneut in die Runde. Es lagen immer noch sämtliche Blicke auf mir und langsam fragte ich mich, wann wohl endlich der dampfende Braten auf dem Tisch interessanter werden würde.
"Ich möchte mein Glas erheben", sprach plötzlich die Frau neben Joffrey und nahm ihr Glas mit Wein, "Auf Lord Tywin und seine zukünftige Gattin Lena."
Tyrion, Joffreys Bruder und auch der König selbst hoben ihr Glas, während Cersei vernichtende Blicke verteilte. Dies nutzte ich und blickte Joffreys Verlobte lächelnd an.
"Ich danke Euch, Mylady...?"
"Margaery", erklärte sie lächelnd. Ich nickte verstehend.

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt