44.

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"Lord Tywin?"
Am nächsten Morgen bevor wir aufbrachen, kam ich zu Tywin ins Zelt.
Der Löwe knurrte und wälzte sich in seinem Feldbett, während er leise murmelte.
"Lasst sie ... in Ruhe! ...Verschwindet ... bevor ich euch .... Beine mache..."
Ich legte etwas den Kopf schief und wartete noch einen Moment, bevor ich ihn weckte. Die Neugier war einfach zu groß.
"Lena ... es tut mir leid", murmelte er leise und ich erstarrte, "Ich konnte ... nichts tun..."
"Lord Tywin! Lord Tywin, Ihr träumt! Wacht auf!"
Ich rüttelte ihn sanft an der Schulter, dann riss er die Augen auf und setzte sich sofort aufrecht. Er sah sich einen Moment lang um, dann runzelte er die Stirn.
"Hilf mir in die Rüstung, wir müssen weiter."
Es hatte sich nichts geändert, er war immer noch kalt und kurz angebunden. Ich dachte an Kevans nächtliche Worte und schluckte, dann half ich ihm in die Rüstung und machte mich auf, den Soldaten beim Abbau und Aufbruch zu helfen. Schließlich ritten wir weiter, der Regen hatte einmal mehr gestoppt und über unseren Köpfen hing lediglich der altbekannte graue Wolkenteppich.
Tywin blickte grimmig drein wie immer und sprach den gesamten Tag lang kaum ein Wort. Mit mir wechselte er gar keins, höchstens mal mit Kevan über die bevorstehende Schlacht.
Zum Abend hin ließ er erneut das Lager aufschlagen und verzog sich in sein Zelt. Ich hielt das Schweigen kaum noch aus, doch bevor ich zu ihm konnte, lief sein großer Bruder zu ihm...

~~~

Ich biss gerade in einen Apfel, als ich Kevan erblickte.
"Was gibt es? Du siehst aus, als hätten dich Hunde gehetzt."
"Ein Gespräch. Von Bruder zu Bruder, wenn du verstehst."
Ich seufzte leise und biss ein weiteres Stück Apfel ab, ehe ich meinen Blick wieder auf meinen großen Bruder richtete.
"Ich bin ganz Ohr."
"Ich hatte gestern Abend ein interessantes Gespräch mit deiner Gehilfin Lena."
Ich verschluckte mich fast an meinem Apfel und starrte ihn an.
"Du hattest WAS? Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst dich da raushalten?"
Kevan lachte leise.
"Schon möglich. Aber mein lieber kleiner Bruder ist ein Sturkopf, der manchmal etwas Hilfe benötigt. Lord von Casterlystein hin oder her."
"Sprich nicht, als wären wir noch Kinder, dafür sind wir beide schon deutlich zu alt!"
Er nahm Platz und sah mich eindringlich an.
"Hat sie sich schon bei dir entschuldigt?"
"Nein. Und das braucht sie auch nicht. Mir etwas vormachen kann ich ebenso gut alleine. Sie hasst mich und das habe ich nun begriffen."
Kevan schnaubte belustigt. Ich zog verärgert eine Augenbraue hoch.
"Ich verstehe nicht, was daran nun so amüsant sein soll."
"Tywin, du bist ein alter Esel! Sie hasst dich nicht. Du kennst diesen Schmerz doch zu Genüge, versetz dich mal in ihre Lage. Ist für dich die Welt heiter und voller Sonnenschein?"
Wollte er mich gerade auf den Arm nehmen? Meine Wut steigerte sich, ich blickte ihn kalt an.
"Sehe ich für dich heiter und glücklich aus, hm?"
"Na siehst du. Und dann wunderst du dich, dass sie so hasserfüllt erscheint. Sieben Höllen, sie war ein Kind, als man ihr die Familie entriss! Unsere Männer! Von heute auf morgen war sie auf sich allein gestellt, das musst du doch auch erkannt haben!"
"Ja, das habe ich auch, aber-"
"Unterbrich mich bitte nicht, ich war noch nicht fertig."
Ich schnaubte und lehnte mich zurück. Kevan sprach weiter.
"Als du noch klein warst, hast du auch noch nicht differenziert, wenn dich jemand geärgert hat. Erst, als Vater es dir erklärt hat. Sie musste das selbst erlernen. Und woher sollte sie wissen, dass Soldaten auch gerne mal ihre Stellung ausnutzen und aus eigenem Willen heraus gewalttätig werden?"
"Komm auf den Punkt, Kevan."
Mich störte dieses Gespräch, ich sah darin keinen Sinn. Was wollte er von mir hören?
Mein Bruder setzte alles auf eine Karte, denn er beugte sich plötzlich etwas vor und musterte mich noch mehr als zuvor.
"Ich werde dir jetzt eine Frage stellen und du wirst sie mir ehrlich beantworten. In Ordnung?"
"Ja, ja. Beeile dich, wir müssen bald weiter", erwiderte ich und massierte mir genervt das Nasenbein. Er holte tief Luft.
"Magst du sie?"
Mit einem Poltern fiel mir der Apfel aus der Hand auf den Tisch, rollte darüber und fiel schließlich auf den Boden. Eine unerträgliche drückende Stille erfüllte die Luft, während ich den Blick nicht von Kevan nehmen konnte.
"Habe ich richtig gehört?"
"Soll ich die Frage erneut stellen? Ich möchte wissen, ob du Lena magst."
"Kevan, bist du noch ganz bei Trost? Sie ist eine Bedienstete, ich bin ein Lord. Es geht niemals darum, ob ich sie mag. Hauptsache, sie macht ihre Arbeit."
"Tywin Lannister! So haben deine Augen schon einmal geleuchtet! Leugne es gar nicht erst!"
Ich verdrehte die Augen und blickte zur Seite. Was hatte mein Bruder denn jetzt für ein Problem?
"Warum bist du plötzlich so versessen darauf? Wir ziehen morgen in eine Schlacht, falls du das vergessen haben solltest."
"Lass mich ehrlich zu dir sein: Seit fast 40 Jahren bist du für deine Mitmenschen unerträglich. Du hast unsere Schwester ein halbes Jahr lang ignoriert, weil sie etwas sagte, was dir nicht in den Kram passte. Wenn durch dieses Mädchen die Chance besteht, den etwas sanfteren Tywin wiederzusehen, dann unterstütze ich das. Du bist mein Bruder, ich möchte dich glücklich sehen! Aber du musst das dann auch mal zulassen."
"Kevan, hör auf! Dazu gehören immer zwei. Ich werde Lena gewiss nicht zu irgendetwas zwingen, was ihr zuwider ist."
Er griff triumphierend nach einem Weinglas.
"Also stimmt es ja doch! Du magst sie!"
"Sieben Höllen, ja verdammt! Bist du nun endlich zufrieden? Meine Güte, manchmal bist du wirklich schlimmer als Genna!"
Ich rieb mir erneut das Nasenbein und dachte darüber nach, was ich eben gesagt hatte. Plötzlich packte es mich eiskalt und ich runzelte die Stirn. Ich hatte mir eingestanden, Lena zu mögen. War ich Joanna nun untreu? ...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt