25.

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"Tywin..."
Dunkelheit umhüllte mich, wie ich selbst einst die toten Targaryen-Kinder in rote Lannistermäntel, während ich immer wieder ihre Stimme hörte. Glockenhell und zart, doch gepaart mit Angst. Jeder Ruf zunehmend panisch.
"Joanna? Joanna, wo bist du denn??"
Ich sah mich um, fand jedoch immer nur das pure Schwarz. Einmal sah ich blau-graue Augen durch die Dunkelheit blitzen, zu Joannas markerschütternden Rufen drang zusätzlich noch ein Wispern an mein Ohr.
"Hier, Mylord..."
Ich stolperte plötzlich und fiel zu Boden. Schnell sah ich auf und erblickte Joannas Totenbett. Still lag sie da, auch jetzt noch atemberaubend schön. Ein schlafender Engel. Ich ging langsam auf sie zu, blickte betrübt zu ihr hinab. Meine Hand fand die ihre, drückte sie fest. Sie war so kalt.
"Ich kam meiner Pflicht nicht nach. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen."
Ich strich ihr zart über das Haar, ehe ich die erste Träne spürte, die ihren Weg über meine Wange fand.
"Lord Tywin! Lord Tywin, wacht auf! Ihr habt schon wieder einen Alptraum!"...

~~~

Er öffnete die Augen und blickte sich hastig um. Ich trat wohlweislich einen Schritt zurück und ließ ihm seinen obligatorischen kurzen Moment Ruhe.
"Guten Morgen, Mylord", versuchte ich es vorsichtig, doch er brummte nur gereizt.
"Morgen."
Er setzte sich aufrecht, während ich schon von selbst das warme Wasser in seinen Waschzuber goss und ein frisches neues Gewand herauslegte.
"Ist der Tisch in meinem Arbeitsraum frei?"
"Ja, Mylord."
Langsam kehrte er in die Realität zurück.
"Kümmere dich um mein Frühstück und falls du vor mir fertig sein solltest, warte am Tisch."
Ich nickte und lief aus dem Turm in die Küche. Meine Wange schmerzte immer noch, aber die Schwindelgefühle waren weniger geworden.
"Guten Morgen", krächzte Margaret, "Wie fühlst du dich?"
"Deutlich besser, danke nochmal."
Ich steuerte zur Kochstelle und bereitete ein paar Scheiben Schinken vor.
"Lass das lieber die Köche machen."
"Bitte, Margaret. Meine Mutter hatte es mir mal gezeigt, als ich noch ganz jung war. Einmal in meinem Leben möchte ich mich daran versuchen."
Die ersten Mägde betraten verschlafen die Küche und die alte Frau nickte.
"Von mir aus."
So ließ ich den Schinken in die kleine Pfanne gleiten und sein lautes Zischen erfüllte die Stille. Margaret hatte sich hinter mich gestellt, während ich das Fleisch briet.
"Das machst du verdammt gut, das muss ich dir lassen. So, jetzt umdrehen... Sehr gut!"
Unter dem Lob wurde mir heiß und ich nickte dankbar. Als ich aufsah, erkannte ich Jeanny, die mich mit bösen Augen musterte, ehe sie sich ihrer Arbeit widmete und mir den Rücken zudrehte. Ich legte den Schinken auf einen Teller mit etwas Brot und brachte dies mit einem Krug verdünntem Wein zu Tywin. Der saß bereits am Tisch auf seinem Stuhl und blätterte in einem Buch.
"Setz dich."
Mit einer Handbewegung deutete auf den Stuhl zu seiner rechten und zögerlich nahm ich Platz. In dem aufgeschlagenen Buch sah ich nun ein Stück Papier mit untereinander aufgereihten Zeichen.
"Du machst deine Arbeit sehr gut, du bist pünktlich und gehorchst aufs Wort. Ich hätte noch weitere Arbeit für dich, doch dazu musst du lesen können."
Er wollte mir das Lesen beibringen? Perplex starrte ich ihn an, suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen für Hohn. Jedoch waren seine Züge wie versteinert. Er meinte das wirklich ernst!
"Ihr ... Ihr wollt mir das Lesen beibringen, Mylord??"
"Nein, ich habe nur zu viel Freizeit und schreibe aus Langeweile Buchstaben auf Papier", erwiderte er sarkastisch und blinzelte, "Bei deinem Verstand gehe ich davon aus, dass du nicht lange dafür brauchen wirst. Und bevor du auch nur daran denkst, abzulehnen - es ist ein Befehl!"
"Warum ich? Warum nicht jemand, der bereits lesen kann?"
Ich war ehrlich verwirrt darüber. Er war doch so ein praktischer Mensch und nutzte lieber das bereits Vorhandene!
"Du hast gesehen, dass selbst erfahrene Leser Fehler machen. Außerdem hast du am Tag immer noch sehr viel Freizeit, wie mir aufgefallen ist."
Er sprach komplett ruhig in kühlem Ton. Für ihn war es keine gute Tat, keine Absicht, mich zu erfreuen. Er sah nur seinen Profit darin, ich konnte es in seinen Augen sehen. Diesen Blick hatte er immer, wenn ihm irgendetwas nützliches zu Ohren kam.
Er legte mir den Zettel hin.
"Schau, das hier sind die einzelnen Buchstaben. Sieh auf den Zettel, in meinem Gesicht wirst du sie nicht finden!"
Ich konnte den Blick nicht von ihm nehmen, versuchte seine Absichten zu analysieren. Ich wollte verstehen, warum er mir das jetzt beibrachte, seine Antwort stellte mich nicht zufrieden.
Sein Ausdruck wurde zunehmend gereizt, deshalb gehorchte ich und senkte meinen Blick auf das Papier. In jeder Reihe standen zwei Buchstaben, der erste größer als der andere. Tywin begann währenddessen mit seinem Frühstück.
"Hat heute jemand anderes den Schinken zubereitet?"
"Ja, ich, Mylord."
Er sah mich kurz mit einem Funkeln in den Augen an und nickte knapp.
"Gut, dann bekommst du noch eine weitere Aufgabe. Ich verlange, dass der Schinken ab sofort nur noch von dir gebraten wird. Verstanden?"
Ich nickte und senkte meinen Blick wieder auf das Papier vor mir.
"Dies sind jeweils ein und dieselben Buchstaben, nur einmal groß und einmal klein geschrieben", erklärte Tywin und tippte auf die Reihen, "Das hier ist ein A, dies ein B, das da nennt sich C..."

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