Kevan blieb lange bei seinem Bruder. Ich hatte mich in die Feldküche zurückgezogen und half beim Töpfe schrubben, da steckte plötzlich Ser Alrik seinen Kopf ins Zelt. Ich hatte ihn gebeten, mir Bescheid zu sagen, wenn der Löwe wieder allein war.
"Ser Kevan zieht sich zurück."
Ich nickte ihm dankbar zu, ließ den Topf bei den anderen stehen und holte tief Luft. Ich konnte das nicht ewig so zwischen uns stehen lassen. Und wenn ich auf mein Gefühl hörte, kam ich auch nicht damit klar. Dieses enttäuschte Schweigen seinerseits fühlte sich wesentlich schärfer an als jedes seiner Worte zuvor. Ich hoffte, meine Entschuldigung würde ihn dazu bringen, wieder mit mir zu sprechen.
Auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte, was ich ihm sagen sollte.
Ich hatte mir die ganze letzte Nacht und den gesamten heutigen Tag darüber Gedanken gemacht, doch zu einem Ergebnis war ich nicht gekommen. Nebenbei hatte ich innerlich gehofft, er würde von selbst über meine Dummheit hinweg sehen - wie er es auch auf Harrenhal immer getan hatte. Als Belanglosigkeit abgestempelt, nicht weiter wichtig für das Folgende.
Doch diesmal war der Fehler zu groß. Diesmal zog es Konsequenzen mit sich. Berechtigte Konsequenzen, denen ich mich nun stellen musste. Nur so wurde ich früh erzogen und daran würde ich mich halten. Ich war all die Jahre lang weggelaufen und nun musste ich meine angefangene Suppe wohl oder übel auslöffeln.
Es wäre natürlich leichter gewesen, hätte er mich nicht begleitet. Andererseits hätte er sonst wohl niemals die Intensität dahinter erkannt. Die Beweggründe für meinen Hass, für meinen stetig grimmigen Ausdruck.
Wenn er sie denn verstanden hatte.
Etwas unsicher ging ich meinen Weg zu seinem Zelt, meine Gedanken überschlugen sich förmlich. Wie würde er reagieren? Wie würde er sich danach verhalten? Ich hoffte, er würde wieder etwas sanfter mit mir sprechen. Obwohl ... er durfte auch gerne wieder schroff mit mir sein. Schroff und kalt, Hauptsache, ich musste dieses elende Schweigen nicht länger ertragen!
Ser Kevan war der Meinung, Tywin würde mich nicht hassen. Aber irgendetwas in der Art musste meine Dummheit doch in ihm ausgelöst haben. Tywin Lannister ließ sich nicht einfach so ungestraft reizen. Das hatte ich auf Harrenhal gelernt und mehrfach erlebt. Sollte er mir eine Hinrichtung androhen, sollte er seine Stimme mir gegenüber zu einem Brüllen erheben, es war mir egal. Es würde mich glücklich machen. Es war immer noch besser, als dieses schmerzhafte Schweigen.
Tywin nahm gerade einen Schluck Wein, als ich sein Zelt betrat. Sofort lag sein Blick auf mir, während er in einer kreisenden Bewegung seinen Kelch schwenkte.
"Lena. Ich wollte schon nach dir rufen lassen. Setz dich, wir haben zu reden."
Schon diese wenigen Worte waren Balsam für mich. Auch wenn mir der Inhalt deutlich weniger zusagte und die Panik in mir schürte. Ich deutete wie so oft einen Knicks an und nahm vorsichtig in dem Stuhl ihm gegenüber Platz.
"Lord Tywin, ich ... ähm", begann ich und blickte wütend über meine Unfähigkeit zu Sprechen zu Boden. Ich fuhr mir durch die kurzen Haare und betrachtete das Gras zu unseren Füßen. Nass fühlte es sich durch die Löcher meiner Ledersandalen an, getränkt durch Regen. Es entspannte mich ein wenig, jedoch immer noch nicht genug, um zu sprechen. Jetzt reiß dich zusammen, schalt ich mich selbst. Mach deinen Mund auf und entschuldige dich.
Ich blickte erneut zu ihm auf, begegnete seinem prüfenden Blick und stockte. Könnten Blicke Waffen sein, so wären seine vermutlich die Stärksten und Schärfsten gewesen. Ich schluckte schwer, dann krallte ich meine Finger in meine Oberschenkel und zwang mich zum Reden.
"Lord Tywin, ich muss mich ... bei Euch entschuldigen. Ich habe-"
Diesmal war er es, der mich unterbrach. Schweigend hob er die Hand und ich verstummte sofort.
"Ich habe mich wie ein Narr verhalten. Eine schlechte Entschuldigung, ich weiß. Lannisters benehmen sich nicht wie Narren. Aber es ist eine Tatsache. Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss. Du hast Menschen verloren, die dir die Welt bedeuteten. Und dies schon sehr früh. Du hast einen Mann dafür verantwortlich gemacht, der den Tätern Befehle erteilt. Nach dem, was man über mich sagt, liegt dies auch sehr nahe. Deine Loyalität ist bemerkenswert und ich bin sicher, dass du gekämpft hättest, wenn dir die Möglichkeit dazu gegeben gewesen wäre. Das habe ich dir bereits angesehen, als du das erste mal Feuer gemacht hattest und ich dich auf deinen Vater ansprach. Ich hege eine gewisse Bewunderung für dich und gerade deshalb ist es eigentlich unverzeihlich, wie ich dich seit diesem Vorfall behandelt habe. Du verdienst Verständnis und es ärgert mich maßlos, dass ich dieses zu spät aufgebracht habe."
Ich starrte den Lord vor mir sehr lange an, blinzelte mehrmals verständnislos. Hatte er sich gerade ernsthaft bei mir entschuldigt?! Er, von dem so viel Böses erzählt wurde. Er, dessen bestialisches Wesen die Welt unterjochen konnte, wenn er es wollte. Er, Tywin Lannister, der Lord von Casterlystein.
Ich schluckte schwer, ehe ich vehement den Kopf schüttelte.
"Ihr müsst Euch nicht entschuldigen, Mylord. Ihr seid kein Narr, ich bin es. Eine Idiotin. Ich hätte ahnen müssen, dass Ihr damit nichts zu tun hattet. Sonst hättet Ihr womöglich nicht nach ihnen gefragt."
Er strich sich nachdenklich über den Bart. Eine Geste, die unweigerlich mein zerstörtes Herz etwas erwärmte, weil sie so vertraut erschien. So oft schon hatte er dies während unserer Gespräche getan, ich hatte mich daran gewöhnt.
"Du bist klug, Lena. Aber wir alle machen Fehler, auch ich."
"Wenn es beliebt, Mylord, so würde ich sehr gerne zukünftig darüber schweigen."
"Ich stimme zu. Dein Ton passt sich mehr und mehr dem an, den das Leben bei Hof verlangt. Du lernst in der Tat sehr schnell."
Er verfiel in ein kurzes Schweigen, während mir ein Stein vom Herzen fiel. Er hatte mir also doch verziehen...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...