"Sie ist also der Grund dafür, dass du deine offizielle Ernennung zur Hand so lange herauszögerst? Die Schlacht ist schon zwei Tage her."
"Sei es drum, dann hat der König genug Zeit, um sich von seinem schrecklichen Kampf zu erholen."
Ich konnte Tywins bitteren Unterton deutlich heraushören, als ich erwachte. Doch die Frauenstimme war mir unbekannt.
"Was hätte ich denn machen sollen? Ihn dort draußen sterben lassen? Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ihr noch kommt!"
"Und das ist einer der Gründe, warum ich dir misstraue. Nun geh, sie braucht Ruhe. Und du hast sicherlich noch alle Hände voll zu tun, um das Chaos zu beseitigen."
Ich hörte erst die Tür, dann dichter kommende Schritte. Tywin hatte eine eigene Art, zu gehen, das war mir schon auf Harrenhal aufgefallen. Er stampfte nicht, aber er lief auch nicht vollkommen lautlos. Er ging stets anmutig und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, gefiel mir seine Gangart.
"Wie lange bist du schon wieder wach?", fragte er und ich konnte ein leichtes Lächeln in seiner Stimme hören. Als ich die Augen öffnete, nahm er gerade am Kopfende zu meiner Rechten auf einem Stuhl Platz, hinter ihm sah ich einen blauen Himmel durch das kleine Fenster. Tatsächlich betrachtete mich der Löwe mit einem kleinen Schmunzeln. Ich spürte endlich wieder Kraft in meinen Gliedern und hob den Arm, um fast schon zärtlich mit den Fingern über Tywins Wange zu streichen.
"Lange genug, um mich zu fragen, wem Ihr denn so misstraut, Mylord."
Er seufzte leise.
"Das war meine Tochter Cersei, die Königin."
Ich schnaubte amüsiert.
"Ich nehme mal an, mein Hofknicks ist noch immer zu schlecht."
"Das sollte unsere geringste Sorge sein. Und nenne mich endlich Tywin!"
Er stand auf und ging hin und her, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
"Setzt Euch bitte wieder hin, Tywin. Ihr macht mich ganz nervös."
Das tat er wirklich, jedoch nicht nur mit seinem Laufen. Nein, seine gesamte Anwesenheit machte mich nervös und das schon seit einiger Zeit, wie ich mir nun eingestand. Und jetzt, wo wir hier zusammen waren und meine Gedanken sich nur noch um ihn drehten, kamen Wünsche in mir hoch. Wünsche, die ich bis dato immer gewaltvoll verdrängt hatte. Ich wollte nicht mehr hier liegen, ich wollte in seinen Armen sein. Ich wollte dieses Gefühl von Wärme spüren, wollte ihn umarmen und ihm tausende Male dafür danken, dass er mich gerettet hatte. Aber ich wusste, dass das noch ein hartes Stück Arbeit werden würde, ließ ich mich ja bei vollem Bewusstsein nicht wirklich anfassen.
Er nahm wieder auf dem Stuhl Platz und ich sah ihn stumm an. Jetzt, wo mein Zorn verraucht und der Hass abgebaut war, betrachtete ich ihn aus einem anderen Blickwinkel. Er war für sein Alter immer noch unglaublich attraktiv, wie ich feststellen musste.
"Träumst du?"
Er fuchtelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum, ich schüttelte den Kopf.
"Wann darf ich hier endlich weg? Hier stinkt es abscheulich und kalt ist es auch!"
"Bald darfst du hier heraus, wenn dein Fieber vollständig verschwunden ist."
Wir beide hielten einen Moment inne, sahen uns lange an.
"Und wohin soll ich dann?", fragte ich leise in die aufkommende Stille. Von draußen hörte ich das Geschrei von Möwen.
"Ich weiß es nicht", erwiderte Tywin leise mit einem schmerzhaft bitteren Unterton, "Du stehst nicht mehr unter meinem Befehl. Das hatten wir doch so festgelegt."
"Ich hatte für mich auch damals festgelegt, Euch tot sehen zu wollen und nun schaut, was daraus geworden ist! An Eurer statt liege ich hier und kuriere Wundfieber aus, während meiner linke Seite hoffentlich ordnungsgemäß verheilt."
"Das tut sie, keine Sorge", krächzte plötzlich die alte Stimme, die ich schon einmal gehört hatte. Sie gehörte dem alten Mann mit langem Bart und der dicken großen Kette um den Schultern. Er fand sich zu meiner Linken ein und widerlicher Gestank machte sich breit. Ich unterdrückte ein Würgen und blickte kurz etwas hilflos zu Tywin.
"Keine Angst, Lena. Das ist Großmaester Pycelle. Er hat dich vor dem Tod bewahrt."
Der? Der hatte seine dreckigen Hände an meiner blutigen Seite? Soweit es mir möglich war, richtete ich mich langsam auf.
"Lena, die Idee ist nicht gut...", begann Pycelle und seine Stimme wurde leiser, als er Tywin ansah. Ich zog mich an der Schulter des Löwen hoch, zupfte ein wenig an meinem Hemd und begutachtete dann kritisch die Narbe an meiner Seite. Sie leuchtete noch rot und war ordentlich genäht worden. Etwas beruhigt blickte ich zu Tywin.
"Darf ich aufstehen? Ich brauche frische Luft."
Er verstand die Anspielung und blickte fragend zu Pycelle. Der Großmaester überlegte, dann nickte er.
"Keine Treppen steigen und nicht rennen. Sie darf nur kleine Schritte machen, sonst-"
"Reißen die Nähte, ich weiß", beendete ich seinen Satz und ließ langsam die Beine von der Liege rutschten. Sehr langsam kehrte das Gefühl in sie zurück, ich musste mich an Tywin festhalten, um nicht sofort umzufallen.
"Das Spiel kennen wir doch schon, erinnerst du dich?", flüsterte er mir ins Ohr, während er mich stützte. Natürlich erinnerte ich mich!
"Sie darf dann auch wieder in ein normales Zimmer... falls sie hierbleiben sollte.", erklärte Pycelle und Tywin nickte.
"Verstanden."
Langsam und sehr geduldig führte er mich nach draußen, hielt mich dicht bei sich. Ich zitterte, doch ich riss mich zusammen. Ohne ihn wäre ich längst nicht mehr am Leben.
"Ist dir kalt? Du zitterst so", bemerkte er, als wir durch einen Flur zu einem Tor gingen. Hier war die Luft gleich viel angenehmer.
"Ich ... es ist ungewohnt, dass mir jemand so nahe kommt."
"Und das heißt jetzt für mich was genau? Wenn ich dich loslasse, fällst du sofort hin."
Wir durchquerten das Tor und befanden uns hinter der Burg. Ich sah das Meer und über uns kreischten Möwen in der salzigen Luft. Wir waren allein hier.
"Wenn Ihr mich loslasst ... dann falle ich nicht nur, dann sterbe ich."
Er blickte mich geschockt an und ich konnte ein amüsiertes Schnauben nicht unterdrücken.
"Eine seltsame Ironie, ich weiß. Amüsant, nicht?"
"Du ... du meinst...?"
Ich drehte den Kopf zu ihm, uns trennte nicht viel. Langsam verlor ich mich in seinen blauen Augen und lächelte mein womöglich ehrlichstes Lächeln seit Jahren.
"Wenn Ihr das immer noch nicht gemerkt habt, dann weiß ich auch nicht mehr weiter."
Wir setzten uns auf einen großen Stein. Beziehungsweise er setzte mich auf den Stein und hockte sich vor mir auf den Boden in den Kies. Er wurde plötzlich ernst, sah mich lange prüfend an. In seinen Blick legte sich wieder ein trauriger Nebel.
"So gerne ich das zulassen wollen würde... Ich kann es nicht. Du gehörst in die Freiheit, nicht eingesperrt an meine Seite wie ein Hund! Ich habe es dir versprochen und ich halte mein Versprechen!"
Das kam so unerwartet, dass ich darauf nichts erwidern konnte. Es war, als hätte man mir erneut Stahl in den Körper gedrückt, diesmal jedoch ins Herz. Ich sah, wie er sich aufrichtete und den Kopf senkte.
"Ich lasse dir einen Soldaten rufen, der ... der dich dann wieder herein bringt, wenn du es wünschst."
Ohne ein weiteres Wort lief er zügig hinein, ließ mich dort sitzen. Was war plötzlich los? Warum zog er sich jetzt wieder zurück? ...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...