89.

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Die nächsten zwei Wochen lang wurden alle nötigen Vorbereitungen für unsere zweite Hochzeit getroffen. Mein Ton passte sich mehr und mehr dem neuen Stand an, auch fiel es mir zunehmend leichter, Kleider zu tragen. An sich missfiel es mir natürlich weiterhin, doch Tywins Gesichtsausdruck machte die Misere stets wieder etwas wett. Abends saßen wir beisammen und er übte mit mir das Schreiben. Manchmal gesellte sich auch Prinz Tommen zu uns und lehrte es mich. Der kleine Bruder des Königs hatte Spaß daran gefunden, mir die Zeichensetzung zu erklären. Er schien mich als Familienmitglied voll zu akzeptieren. Ich liebte den jüngsten Löwen jetzt schon sehr.
"Wenn Ihr diesen Satz für Euch selbst einmal lest, was würdet Ihr sagen? Gehört ein Punkt an das Satzende?"
"Also für mich liest es sich wie ein Befehl, von daher würde ich eher ein Ausrufezeichen verwenden."
Tommen klatschte in die Hände.
"Sehr gut! Ihr macht das wirklich prima, Lena!"
Ich ließ es mir nicht nehmen, ihm sanft durch die blonden Haare zu wuscheln. Manchmal stellte ich mich mit Absicht etwas dämlich an, damit er mir auch etwas zu erklären hatte. Ihm schien die Rolle des Lehrers zuzusagen, denn seine Augen leuchteten jedes mal, wenn ich fragte.
"Wärst du so freundlich, mir das nochmal zu erklären, kleiner Löwe?"
Tywin saß am Schreibtisch und blickte kurz zu uns auf. Er schnaubte amüsiert, wenn der junge Löwe neben mir tief Luft holte und erneut die Regeln der Zeichensetzung erklärte. Nach Tywin war er mir der liebste Lannister. Und das ließ ich ihn auch gerne spüren. Zwar war er ein halber Hirsch, doch für mich war ein Löwe faszinierender als ein Hirsch. Dass ich ihn liebevoll meinen "kleinen Löwen" nannte, schien ihm auch zuzusagen, er lächelte dann immer.
"Ich bin froh, dass Ihr hier seid, Mylady", hatte er einmal leise geflüstert, bevor er sich verabschiedet und zu Bett verschwunden war. Ein Satz, der noch lange danach ein Lächeln auf mein Gesicht getrieben hatte.
"Tywin, er ist mit Gold nicht aufzuwiegen!", murmelte ich noch in derselben Nacht, als ich mich an meinen großen Löwen kuschelte, "Wir müssen mit aller Kraft dafür sorgen, dass er so bleibt, wie er ist!"
Tywin hatte nur geschmunzelt, ehe er einen betrübten Gesichtsausdruck annahm.
"Wenn doch sein Bruder nur ein bisschen was von Tommens Art hätte."
Vom dem König hatte auch ich mittlerweile sehr viel schlechtes gehört. Zu mir war er zwar stets höflich gewesen, doch was mir zu Ohren kam, erschreckte mich. Cersei schien gar keine Macht über ihn zu besitzen. Dies erzählte mir Margaery, als wir den Stoff für mein Hochzeitskleid auswählten.
"Ist er wirklich so schlimm?"
"Lady Sansa aus dem Hause Stark hat es mir erzählt. Und sie muss es wissen, sie war mit ihm verlobt, bis ihr Vater zum Verräter erklärt und hingerichtet wurde. Nach der Schlacht am Schwarzwasser - Ihr erinnert Euch gewiss daran - wandte er sich schließlich mir zu."
Lady Sansa war ich bisher nie wirklich begegnet. Zu sehr war ich mit anderen Dingen beschäftigt. Aber mindestens einmal würde ich mit ihr dennoch das Gespräch suchen. Bei ihrem Namen kam mir Arya wieder in den Sinn. Ob sie es nach Winterfell geschafft hatte? Vielleicht wusste Sansa ja etwas darüber.
"Ich finde, Eure Schultern sollten Löwen zieren, zusätzlich zu dem großen und starken Lord Tywin", schlug Margaery vor und der Schneider umrundete mich erneut.
"Ich gebe Euch recht, Mylady! Ich kann es schon bildlich vor mir sehen, dort und dort!"
Er legte mir die Hände auf die Schultern und ich blickte Margaery lange an.
"Eine schöne Idee, Lady Margaery. Ich denke, wir übernehmen sie. Yustos, ich verlasse mich auf Euch, dass alles perfekt wird!"
"Selbstverständlich, Mylady! Eurem Gemahl wird es den Atem verschlagen!"
"Das will ich schwer hoffen, zumindest im übertragenen Sinne", erwiderte ich noch, ehe er nickte und mitsamt seiner Notizen, Maße und einer tiefen Verbeugung Margaerys Gemächer verließ. Da Tywin die Ratssitzungen in seinen Turm verlegt hatte und ich einmal mehr gewillt war, ihm das Ergebnis vorzuenthalten, waren Margaery und ich eben in ihre Gemächer gegangen. Dort saßen wir nun, während Yara die Haken meines heutigen Kleides an meinem Rücken schloss.
"Eine äußerst gute Zofe habt Ihr da, Lady Lena", bemerkte Margaery und ich lächelte Yara liebevoll an.
"Meine beste Freundin, seid ich das erste Mal mit Tywin hierher kam. Ich möchte sie unter keinen Umständen missen", erwiderte ich und strich meiner Freundin kurz über den Rücken, bevor sich diese mit geneigtem Kopf diskret zurückzog.
"Freundinnen sind so wichtig zwischen all den Intrigen", murmelte Margaery und ich bedachte sie mit einem gewissen Seitenblick.
"

In der Tat, Mylady. Deshalb bin ich froh, sie zu haben."
"Ich hoffe, wir werden auch sehr gute Freundinnen", sagte Margaery und erntete wieder einen nachdenklichen Blick von mir. Ich würde ihr niemals mein Leben anvertrauen und von Tywin wusste ich, dass am Hof jeder mit seiner Freundschaft auch etwas verlangte. Was würde Margaery wollen? Mir war aufgefallen, wie oft sie meinen Löwen in den höchsten Tönen lobte. Zwar konnte ich ihr da immer nur zustimmen, jedoch gefiel mir das zunehmend weniger. Du bist schon wieder eifersüchtig, murmelte die Stimme in mir und ich biss mir auf die Lippen. Sei es drum, dachte ich dann. Er ist mein Löwe und ich dulde keine fremden Klauen, die sich um ihn legen.
"Wir werden sehen", antwortete ich der Lady vor mir schlicht. Ich machte keine leeren Versprechungen. Nicht ohne absolute Gewissheit.
Ich war gewillt, etwas über Margaery herauszufinden. Als ich mich von ihr verabschiedet hatte, lief ich deswegen sofort in die Gärten. Natürlich hatte mich Tywin zu den wichtigsten Gestalten am Hof - mit Ausnahme meiner zukünftigen Familie natürlich - weitestgehend aufgeklärt. Ziel meiner Suche war nun also Varys, ein glatzköpfiger Eunuch, dem ich erst einmal im Thronsaal nach der Schwarzwasserbuchtschlacht begegnet war.
"Lena, bei dem musst du ganz besonders vorsichtig sein", hatte Tywin gesagt, "Er weiß, was du willst, bevor du den Gedanken zu Ende führen konntest."
"Lord Varys!"
Tatsächlich stand die Spinne, wie ihn viele nannten, vor einer Hecke und inspizierte soeben die leuchtenden Blüten, ehe er sich zu mir umdrehte und die Hände elegant unter seinen Gewandärmeln verbarg. Seine Augen leuchteten.
"Die zukünftige Gattin der Hand! Lena, wenn ich nicht irre?"
Ich nickte und wir neigten gegenseitig die Köpfe.
"Was führt eine so reizende Frau an einem so schönen Tag zu mir?"
"Wisst Ihr, etwas fasziniert mich", erwiderte ich und blickte in seine fragenden Augen, "Wie könnt Ihr wissen, dass ich reizend bin, wenn wir uns doch noch nie wirklich unterhalten haben und uns nicht kennen?"
"Ich sehe es Euch an. Es war schon rührend, wie Ihr vor wenigen Wochen darum gebeten habt, in Lord Tywins Diensten zu verweilen. Und dann Eure plötzliche Flucht aus der Stadt... Was haben wir alle den Atem angehalten, als der große Löwe brüllte!"
"Woher wisst Ihr davon?"
"Ich lausche meinen Vögelchen. Sie erreichen jeden Winkel und singen mir all ihre Lieder. Zudem brüllt der Löwe recht laut, wenn ich das mal so anmerken darf."
"Dürft ihr", stimmte ich zu. Er wusste wahrlich viel. Aber wusste er auch von meiner Vergangenheit? Ich traute mich nicht, zu fragen.
"Ich denke jedoch nicht, dass die Gemahlin des großen Lord Tywin einfach so auf einen Plausch aus war. Richtig?"
"Ich war auf einen Spaziergang mit Euch aus. Und eventuell auf ein paar beiläufige Antworten."
"Natürlich. Dieses Leben muss Euch unbekannt sein, Ihr habt sicherlich viele Fragen."
"Ich kann nicht immer nur meinen Löwen mit Fragen löchern, das ist richtig. Deshalb hatte ich gehofft, Ihr könntet mir vielleicht etwas über unsere zukünftige neue Königin erzählen."
Wir begangen einen Weg entlang zu gehen.
"Und da fragt Ihr mich, nicht sie selbst?"
"Wie käme es denn Eurer geschätzten Meinung nach, wenn ich sie direkt über ihr Leben ausquetschen würde?"
"Lady Lena, Ihr seid eine kluge Person, wie mir scheint. Nun, was wünscht Ihr denn zu wissen?"
"Wo war sie, bevor sie die Verlobte des Königs wurde?"
"Sie war die Gattin des Königs Renly Baratheon, dem Onkel unseres Königs. Der jüngste der Baratheon-Brüder."
Ganz dunkel erinnerte ich mich an das Gespräch zwischen Tywin und Petyr Baelish auf Harrenhal.
"Achja, ganz eben entsinne ich mich! Es scheiden sich die Geister, wie er umgekommen ist, nicht?"
"Richtig. Und Lady Margaery war mit ihm verheiratet. Zum Beischlaf soll es allerdings nie gekommen sein."
"Danke, Lord Varys. Wisst Ihr, ich möchte Menschen gerne kennenlernen, bevor ich abwäge, ihnen mein Vertrauen zu schenken."
"Ein kluger Zug, Mylady. Ich kann es Euch nicht verdenken."
Wir gingen weiter den Weg entlang, genossen die wärmende Sonne. Wie sich das Wetter doch verändern konnte.
Zwar wusste ich nun etwas mehr über Margaerys Vergangenheit, doch brachte mir diese Information etwas? Ich würde definitiv noch einmal darüber nachdenken. Aber zu viel zu Fragen wäre auch auffällig gewesen. Zu auffällig für den aufgeweckten Varys.
"Vielen Dank, dass Ihr Euch die Zeit für mich genommen habt, Lord Varys."
"Es war mir eine Ehre und ein Vergnügen, Lady Lena. Mit Freunden lebt es sich deutlich leichter."
Ich nickte nur und ließ ihn gehen. Er war gefährlich, wenn er alles wusste. Dessen war ich mir voll bewusst. Aber er würde gewiss auch von Nutzen sein, kam es mir dann in den Sinn. Eine Spinne wartete und schnappte ihre Beute, wenn diese sich in ihrem Netz verfangen hatte. Auch eine Löwin beherrschte diese Methode. Und beizeiten würde ich mir weitere Informationen holen, das war sicher...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt