9.

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Dichter Regen prasselte vom dunklen Himmel auf uns nieder, durchnässte meine Kleidung. Schwer zerrte sie an meinem Leib, ich fror und zitterte am ganzen Körper. Seit unserer Ankunft waren ein paar Stunden vergangen. Stunden, die ich genutzt hatte, um mir einen Überblick zu verschaffen.
In unserem Pferch waren wir ungefähr vierzig Seelen. Das war einfach herauszufinden, weil alle stumm und zitternd auf einem Punkt standen und auf den Boden starrten. Keiner sprach ein Wort, bis auf die Soldaten.
Die Ungeheuer in Rot räumten Stroh und Heu durch die Gegend und wirkten dabei eher orientierungslos.
"Das da ist der Berg", wisperte mir Arya ins Ohr und deutete auf Ser Gregor, "Ser Gregor Clegane. Er ist das Monster von Lord Tywin, während sein Bruder, der Bluthund, in Königsmund ist, um ... den König zu bewachen."
Ihre Stimme verfinsterte sich mit der Erwähnung des Königs. Ich sah sie kurz prüfend an, beließ es dann aber dabei.
"Woher weißt du das alles?"
"Das mit dem Berg hat mir mein Vater mal erzählt. Den Bluthund habe ich selbst schon einmal gesehen."
Ich stellte mir einen zweiten Ser Gregor vor. Arya erzählte weiter.
"Sein halbes Gesicht ist weggebrannt. Es heißt, dass Ser Gregor dafür verantwortlich wäre."
"Das ist ja Geschwisterliebe", murmelte ich sarkastisch und zog die Knie etwas fester an mich, während ich an dem Holzpfahl lehnte. Gendry und Heiße Pastete saßen stumm da, sahen über den Hof oder in den Matsch vor sich.
"Kommen wir hier jemals raus?", fragte Heiße Pastete irgendwann und eine alte Frau neben uns hob langsam den Blick. Ihre Augen waren leer, die grauen Haare matt und stumpf. Sie wirkte nur noch wie ein hohler Körper.
"Junge, wenn du dir diese Frage stellst, dann bist du ein Idiot."
Heiße Pastete zuckte zusammen und senkte den Kopf. Ich musterte die Frau noch ein wenig. In ihrem leeren Blick las ich Schmerz. Tiefen Schmerz. Plötzlich kam sie mir sehr vertraut vor, als würden wir uns schon eine Ewigkeit kennen.
"Warum bist du hier?", hörte ich mich selbst irgendwann fragen und die leeren grauen Augen richteten sich auf mich.
"Ich wurde mitsamt meiner Familie gefangen genommen, als sie unser Dorf plünderten."
"Wer ist deine Familie?", fragte nun Gendry und ihr Blick wanderte zu ihm. Sie machte eine zeigende Geste über den Hof.
"Überall verstreut. Sie sind alle tot. Ich bin die letzte. Ich hoffe, er wählt bald mich."
"Wer? Was meinst du damit?", kam es nun wieder von mir, doch die Alte verstummte, senkte ihren Blick wieder auf den Boden. Jetzt wusste ich, warum sie mir so vertraut vorkam. Sie erinnerte mich an mich selbst.
"Lenn, wir sollten versuchen, zu schlafen", flüsterte Gendry und ich sah zu ihm, "Wer weiß, was als nächstes passiert."
Ich nickte und schloss die Augen. Es regnete immer noch und mir war bitterkalt. Ich zog mich weitestgehend zusammen, doch es half nichts. Von unten kam der kalte Matsch und von oben der Regen. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, begann Arya wieder ihre Namen zu murmeln.
"Joffrey... Cersei... Ilyn Payne... Der Berg... Joffrey... Cersei..."
Langsam reichte es mir. Ich nahm etwas Matsch und warf ihn gegen Aryas Rücken.
"Kannst du das mal lassen?"
Sie drehte sich zu mir und funkelte mich böse an.
"Ich kann sonst nicht schlafen!"
"Dann denke dir deine Namen, wer auch immer das alles ist! Ich möchte schlafen und das kann ich nicht, wenn du die ganze Zeit murmelst!"
Arya drehte mir trotzig wieder den Rücken zu, verstummte aber schließlich. Ich kuschelte mich wieder so gut es ging ein und schloss langsam die Augen, während die Soldalten trotz Regen versuchten, einige Fackeln zu entzünden und fluchten...

Als ich das nächste mal die Augen öffnete, war ein junger Mann in meine Nähe gerutscht. Im Zwielicht konnte ich sein Gesicht nur sehr schwer erkennen, aber sein dünner Körper schien vor Kraft nur so zu strotzen. Unter dem dünnen, dreckigen Leinenhemd zeichneten sich deutlich die Muskeln ab. Ob er ein Bauerssohn war? Bestimmt.
Er schien meinen Blick zu registrieren, denn langsam hob er den Kopf und sah mich mit einem panischen Funkeln in den Augen an.
Ich erwiderte seinen Blick ruhig und er legte zaghaft seine Hand auf meine in Matsch, ehe er sich leicht in meine Richtung beugte.
"I-Ich...b-bin J-Jo-Jonathan...", stotterte er und ich runzelte die Stirn, ehe ich sofort die Hand wegzog.
"Was willst du?", fragte ich misstrauisch und er sah mich wie ein Häufchen Elend an.
"W-wenn ich h-heute dran b-bin...kannst du m-mir vielleicht s-s-sieben Segen wünschen?"
Ich legte verwirrt den Kopf schief, nickte aber langsam. Jonathan lächelte vage, ehe er sich wieder von mir entfernte und umdrehte. Immer noch etwas misstrauisch lehnte ich mich wieder aufrecht gegen den Pfahl hinter mir, schloss die Augen und wartete stumm den Sonnenaufgang ab. Ich registrierte die Soldaten, die über den Hof gingen und grölten, registrierte leises Schnarchen anderer Gefangener und zunehmend hörte ich auch wieder das Gekrächze von Krähen. Einmal landete eine direkt auf dem Pfahl hinter mir und erschreckte mich fast zu Tode. Mit ihren schwarzen glitzernden Augen starrte sie mich an und legte den Kopf schief, bis ein weiterer Soldat vorbeiging und sie sich sofort wieder erhob. Wie gerne wäre ich jetzt auch eine Krähe, dachte ich und musterte den Soldaten. Abfällig blickte er in unseren Pferch und ich sah die alte Frau vom Vortag, die die Hände zu ihm erhob.
"Polliver, bitte... nur ein bisschen trockenes Brot... wir verhungern."
Polliver sah lange zu ihr hinab, ehe er ausholte und ihr eine scheuerte.
"Bleib bloß weg von mir!"
Sie fiel wortlos in den Matsch und ich spürte, wie erneut die Wut in mir hochkam.
Das war das erste Mal, dass ich meine Beherrschung verlor. Ich richtete mich auf und stapfte an den anderen Gefangenen vorbei auf Polliver zu.
"Sag mal, geht's noch?", fragte ich und merkte, wie meine Stimme laut wurde, "Sie hat dir nichts getan!"
Zack! Da hatte er nochmal ausgeholt und sein eiserner Handschuh fand sich auf meiner Wange wieder. Er schleuderte mich einfach auf den Boden.
"Halt dich da raus, du Hurensohn!"
Stumm blieb ich einen Moment liegen und starrte böse ins Leere, während Polliver weiter ging. Gendry hielt mir die Hand hin und zog mich wieder auf die Füße.
"Bist du wahnsinnig?! Er hätte dich dafür foltern und hinrichten können!"
"Soll er doch", murmelte ich und wischte mir den Matsch aus dem Gesicht, "Was soll ich noch hier?"
Ich half der Alten hoch, als ein weiterer Soldat zu uns lief, den ich allerdings nicht erkannte. Er hatte eine relativ hohe Stimme, die mir durch Mark und Bein ging.
"Alle aufstellen! Ser Gregor will euch sehen!" ...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt