3.

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Nebel kroch dicht über den Boden und bildete einen Teppich, den meine Füße mit jedem Schritt durchbrachen. Passend zu dem grauen Himmel. Es war recht kühl, deshalb kuschelte ich mich etwas mehr in den dünnen Umhang. Ich erinnerte mich, wie ich damals traurig durch unser nun leeres Haus gewandert war, um all das wenige Hab und Gut zu verkaufen, welches wenigstens einigermaßen Wert zu haben schien. Ich hatte mich nicht dazu durchringen können, in diesem Haus zu bleiben, zumal ich es eh nicht alleine halten konnte. In einer stürmischen Nacht war das Dach beschädigt worden, was ich nie hatte reparieren lassen können. Meine zahlreichen Hilfeleistungen, die ich in der Nachbarschaft erarbeitete, hätten nicht einmal für ein halbes Dach gereicht. So hatte ich mir mit dem restlichen Geld das Nötigste besorgt, um von hier wegzukommen. Einfach raus, in eine andere Richtung. Die Sehnsucht und der Schmerz waren einfach zu groß.
Es würde noch heute Regen geben, das wusste ich. Aber es würde mich nicht stören, denn ich mochte Regen. Ich mochte dieses direkte, kalte Gefühl auf meiner Haut, ich stellte mir jedesmal vor, dadurch etwas von der Vergangenheit wegwaschen zu können. Das war allerdings nicht möglich, wie ich immer wieder aufs Neue realisieren musste. Eine niederschmetternde Erkenntnis.
Ich zog weiter und hing meinen Gedanken nach. Erst sehr spät bemerkte ich das laute Hufgetrappel und die Rufe hinter mir.
"STEHEN BLEIBEN, HABE ICH GESAGT!"
Sofort blieb ich stehen und drehte mich langsam um. Was ich dann sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.
Auf einem Pferd kam mir ein Lannistersoldat entgegen. Natürlich erkannte ich diese Rüstung sofort. Dieses widerliche rot stand seit fünf Jahren auf meiner Hassliste ganz oben! Am liebsten hätte ich ihn attackiert, aber das würde sich ohne Waffen als verdammt schwierig erweisen. Noch dazu besaß ich leider keinerlei Ahnung vom Kämpfen. Warum auch? Ich hätte nie gedacht, dass einmal können zu müssen.
Deshalb sah ich einfach kalt zu ihm hoch und zwang mich zur Ruhe.
"Was kann ich für Euch tun?"
"Mein Herr wünscht keine elenden Landstreicher in seiner Nähe! Du kannst mich begleiten!"
"Wohin?"
"Harrenhal. Dort gibt es genug Arbeit, um Bengel wie dich zu beschäftigen! Ihr kommt uns schon nicht auf dumme Gedanken!"
Ich sollte einen Lannistersoldaten begleiten? In eine verdammte Ruine?! Was kam als nächstes?
"Danke, ich verzichte lieber."
"Das war keine Bitte! Es war ein Befehl!"
Ich sah ihn immer noch kalt an. Langsam reicht es mir.
"Ich befolge keine Befehle von einem Lannistersoldaten! Und vor allem bin ich kein elender Landstreicher, ist das klar?!"
Plötzlich zog er sein Schwert, sprang ab und hielt es mir an die Kehle.
"Ich glaube, ich habe mich eben verhört! Du wirst tun, was ich dir sage, sonst bereust du deine Entscheidung gleich!"
Der Stahl war eiskalt, als er meine Haut berührte. Langsam hob ich die Hände. Wenn du überleben willst, dann folge seinem Befehl, flüsterte eine Stimme in mir und ich kniff gereizt die Augen zusammen. Ich wusste ja nun schon lange nur allzu gut, was diese Monster mit Ungehorsamen machten, ich hatte keine andere Wahl. Oder könnte ich vielleicht fliehen? Ein Blick hin und her offenbarte mir nur offenes, freies Feld. Der rettende Wald war noch zu weit entfernt. Eine Flucht wäre unmöglich gewesen, hatte der Soldat doch sein Pferd dabei. Ich musste mich wohl geschlagen geben, wenn ich es lebend hier raus schaffen wollte.
"Ich warte!", knurrte der Soldat.
"Na gut. Nehmt bitte das Schwert von meinem Hals."
"Na also, geht doch!", er legte mir Fesseln an, "Ich bringe dich zu dem restlichen Haufen, dann gehen wir alle zusammen weiter."
Er hielt die Leine und stieg wieder aufs Pferd. Sollte ich ihm jetzt etwa hinterher gehen, während er gemütlich ritt? Er trieb einfach an, das hieß wohl ja.
So liefen wir in die Richtung, von der ich gekommen war. Dort drüben stand Callans Schenke und ich bereute es sofort, nicht dort geblieben zu sein.
"Mach schon, du dummer Arsch", wetterte der Soldat und zog an der Leine, sodass ich fast nach vorne fiel, "Wir haben nicht ewig Zeit!"
Dummer Arsch? Dachte er jetzt wirklich die ganze Zeit, ich sei ein Junge? Wie praktisch, schoss es mir sofort in den Kopf, so reist es sich doch tausendmal sicherer! Wer weiß, was er mit mir angestellt hätte, wenn er gewusst hätte, dass er es mit einer jungen Frau zu tun hatte?
Knurrend versuchte ich, mit seinem Pferd Schritt zu halten. Das Tier war mir lieber als sein Reiter.
Plötzlich riss er mir den Beutel von der Schulter. Ehe ich protestieren konnte, hatte er bereits darin herumgewühlt und das Brot in der Hand.
"Sehr ehrenhaft, jemandem sein letztes Brot wegzunehmen", sagte ich sarkastisch und der Soldat zuckte mit den Schultern.
"Es herrscht Krieg, man nimmt, was man kriegen kann! Und jetzt halt die Klappe und geh weiter!"
Ich schulterte erneut meinen Beutel und hoffte, er würde die Feldflasche unter meinem Umhang nicht bemerken.
Wir zogen weiter und ich spürte, wie sich durch den Nebel Feuchtigkeit in meinem struppigen, kurzen Haar festsetzte. Ein widerliches Gefühl! Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und richtete meinen Blick starr geradeaus.
Langsam aber sicher merkte ich die Müdigkeit in meinen Beinen. Doch der Soldat blieb unerbittlich, bis ich schließlich erschöpft umkippte und in den Matsch fiel.
"Steh auf", knurrte er und zerrte mich wieder hoch. Dann hob er mich, wenn auch widerwillig, auf das Pferd und trieb zum vollen Galopp an.
"Das ist ja nicht auszuhalten!", knurrte er ungeduldig.
Ich bin auch nicht sonderlich gerne hier, dachte ich und schloss erschöpft meine Augen...

"Lena, Hilfe!"
Ich sah auf. Alles war umgeben von grölenden Lannistersoldaten. Überall wehten ihre roten Umhänge im warmen Wind und ihre im Sonnenlicht glänzenden Rüstungen klapperten unter ihren Bewegungen. Die Schreie wurden lauter - und meine Wut wurde größer. Ich stürzte in die Menge, kämpfte mich an den vielen Soldaten vorbei zu den Schreien.
Nun war es nicht mehr nur meine Familie, die schrie. Auch Callan und Greta waren bei ihnen. Ich erstarrte komplett, musterte besorgt die Szene.
"Geht es euch gut?", hörte ich irgendwann meine eigene Stimme sagen, panisch und etwas zu schrill.
"Mach dir keine Sorgen, Mädchen", antwortete Greta dann, "Alles wird gut."
Plötzlich wurde ich von zwei Soldaten gepackt und festgehalten, während sich ein Koloss von Lannistersoldat vor mir aufbaute. Er war riesig, noch größer als die anderen und seine Stimme war scharf wie ein Messer.
"Tötet sie alle", befahl er den anderen und sah zu mir, "Damit du weißt, was dir bei ungehorsam blüht. Du wirst tun, was wir dir sagen!"
Ich musste hilflos mitansehen, wie sie sie einen nach dem anderen abschlachteten. Ich hörte meinen Bruder schreien, ich hörte meine Mutter weinen. Ich hörte Greta fluchen und meinen Vater knurren. Callan blieb stumm. Wut packte mich und ich begann, um mich zu schlagen. Ich musste sie retten! Ich musste meine Familie retten!
Plötzlich war ich wieder das zwölf Jahre alte Mädchen. Die Soldaten ragten über mir hoch und blickten höhnisch auf mich hinab, während sie weiter grölten und ihr Lied anstimmten.
"Regen nun beweint die Burg und niemand hört dich mehr! Ja Regen fällt auf deine Burg und niemand hört dich mehr!" ...

"Hey, aufwachen!"
Mit voller Kraft landete ich wieder im Matsch. Der Soldat musste mich vom Pferd gezogen haben. Es war verdammt kalt und diese Kälte schien bis auf meine Knochen vorzudringen. Zumindest fühlte es sich so an.
Panisch riss ich die Augen auf und sah mich hektisch um. Die Menge war verschwunden, das Sonnenlicht auch. Wir standen an einem Waldrand. Aber ich hörte trotzdem Stimmen in der Ferne.
"Wo ... sind wir?", fragte ich leise und richtete mich langsam wieder auf. Wie lange war ich weg? Was war währenddessen passiert??
"Einige von uns haben eine Gruppe aufgelesen, die zur Mauer wollten. Sie gehen jetzt ebenfalls erst einmal nach Harrenhal. Und denen schließen wir uns gleich an."
Ich nickte nur. Die Bilder des Alptraums blockierten meinen Verstand, ich konnte nicht einmal klar denken. Ich bekam kaum mit, wie wir weiter gingen. Erst, als ich die zunehmende Menge an Lannisterrüstungen sah, kehrten meine Sinne langsam zurück...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt