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Der Karren hielt und Darian sprang hinab, ehe er mir hinunter half. Mit großen Augen sah ich mich um, registrierte jeden Winkel dieser Lichtung. Binnen dieser wenigen Stunden hatten die Dorfbewohner etwas geschafft, das ich nicht für möglich gehalten hatte. Man hätte meinen können, dass die Hochzeit schon vor Tagen genau so geplant wurde. Überall hingen schöne Girlanden und kleine Laternen, auf der anderen Hälfte der Lichtung waren lange Tische und Bänke aufgebaut, dazu aufgestapelte Fässer mit Wein und weitere Tische mit Essen.
Jedes Augenpaar ruhte auf mir, da hakte sich Darian bei mir unter.
"Erlaubst du mir, dich an deines Vaters statt zum Altar zu führen?"
Mehr als nur dankbar sah ich ihn an und nickte.
"Du bist für mich wie ein Vater geworden, Darian. Es wäre mir eine Ehre."
Ich dachte zurück an die Nächte, in denen er mich im Arm gehalten hatte. Oder an die Tage im Freien, an denen er mich mit schiefen Gesängen hatte zum Lachen bringen müssen. Ich hatte wirklich wahnsinniges Glück gehabt! Trotzdem musste ich mich immer wieder fragen, was meine Eltern davon gedacht hätten, wenn sie mich so sehen könnten. Hätten sie sich für mich gefreut? Hätten sie meine Liebe zu Tywin toleriert?
Ich konnte mir darauf keine Antwort ausmalen, denn Darian ging langsam los und führte mich an den Dorfbewohnern vorbei, die mich allesamt anlächelten. Und als ich Tywin erblickte, der schon ganz gespannt vorne stand, konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. In einem schlichten roten Leinenhemd und einer passenden dunklen Stoffhose stand er da, mit hochgekrempelten Ärmeln und einem leichten Lächeln in dem sonst so markanten Gesicht. Auch ich musste lächeln, als ich mich ihm mit jedem Schritt näherte. Gleich würde ich ihn heiraten und mein Leben nur noch an seiner Seite verbringen - und das war alles, was ich noch wollte.
Darian ließ mich neben Tywin stehen, sah uns beide noch mit einem stolzen Lächeln an und stellte sich dann zu Merysa und Alayne in die erste Reihe. Merysa strahlte förmlich und hielt in ihren kleinen Händen einen Korb mit Blumen. Ich lächelte sie kurz an, dann richtete ich mein Augenmerk auf den Septon.
"Wir stehen hier im Angesicht der Götter und Menschen, um diesen Bund zwischen Mann und Frau zu bezeugen. Ein Leib, ein Herz, eine Seele, jetzt und für immer."
Er ergriff unsere Hände und legte sie übereinander, bevor er sie mit einem kleinen Band aus Leinen miteinander verband. Ich blickte aufgeregt zu Tywin hoch, kämpfte mit meinem Verstand. Ich durfte nicht die Worte vergessen!
"Sprecht nun die Worte."
Tywin drehte mich zu sich und ergriff noch meine zweite Hand. Wir sahen uns die ganze Zeit in die Augen und begannen gleichzeitig zu sprechen.
"Vater, Schmied, Krieger, Mutter, Jungfrau, Krone, Fremder..."
"Sie gehört mir und ich gehöre ihr..."
"Er gehört mir und ich gehöre ihm..."
"... Von diesem Tag an, bis zum Ende meiner Tage."
Jedes Wort sprachen wir gemeinsam, als Einheit. Und als wir einander in die Augen sahen, wussten wir, dass uns von nun an nichts mehr trennen konnte.
Tywin lächelte, dann beugte er sich zu mir hinab und küsste mich liebevoll. Ich verschlang die Finger meiner verbundenen Hand mit den seinen und legte meinen freien Arm um seinen Hals. Wieder geriet der Applaus und der Jubel in den Hintergrund und die Zeit schien stillzustehen, nur die Musiker konnte ich deutlich hören. Sie spielten die Regen von Castamaer. Von nun an war ich definitiv nie wieder alleine! Tywin war bei mir und würde mich stets begleiten, so wie ich ihn. Und das war gut so!
Wir lächelten uns an, dann hoben wir den Blick zu den Dorfbewohnern. Merysa und die anderen Kinder warfen die Blumen, während die Erwachsenen applaudierten. Eine junge Frau, die ich als Galina kennengelernt hatte, reichte der anderen jungen Frau neben sich ein Leinentuch. Dies war Rose, eine Bäckerstochter, der rührende Momente nach eigener Aussage immer sehr ans Herz gingen.
Ich sah genau, dass Alayne vor Freude Tränen in den Augen hatte und auch Darians Augen glitzerten etwas. Er war nicht die Sorte stahlharter Mann, dem nichts nahe ging. Er war sanft und mitfühlend gegenüber seinen Mitmenschen und gerade das mochte ich so an ihm.
Tywin löste geschickt das Band um unsere Hände, dann legte er beide Hände auf meine Schultern und führte mich zu den Tischen und Bänken, gefolgt von den vielen Dorfbewohnern, die uns allesamt umringten und mit ihren Glückwünschen überhäuften. Mein Löwe schien etwas überfordert, doch das ließ er sich wie immer nicht anmerken. Nur ich konnte das sehen, weil ich ihn am Besten kannte.

Plötzlich lag ich in den Armen von Alayne und Darian.
"Lena, auch wenn wir nicht deine Eltern sind, so hoffen wir dennoch sehr, dass du glücklich wirst!"
Ich schlang die Arme um beide und schloss die Augen.
"Für mich gehört ihr zur Familie dazu! Ihr und natürlich auch meine kleine Merysa!"
Ich beugte mich zu ihr hinab und gab ihr einen leichten Kuss auf das braune Haar. Sie warf die Arme um mich und zog mich fest an sich.
"Ich habe dich lieb, Lena! Meine große Schwester", flüsterte sie und ich spürte sofort die Wärme in meinem Herzen.
Die ersten setzten sich bereits an die Tische. Viele hatten ihr eigenes Geschirr mitgebracht. Auf den Tischen am Rand standen Schüsseln mit frischem Obst und Gemüse, auch kleine Brote waren gebacken worden. Außerdem stand ein frischer Schweinebraten daneben, braun gebraten und umringt von gekochten Zwiebeln.
Ich nahm neben Tywin Platz und konnte mein Glück immer noch kaum fassen. Ich hatte Sorge, all dies wäre nur ein Traum. Mein Löwe schien dies zu bemerken, denn er griff nach meiner Hand und legte einen Finger unter mein Kinn.
"Ich bin hier, Lena. Du bist bei mir und das wird sich nie mehr ändern!"
"Ich weiß, Tywin", erwiderte ich leise, "Und dafür liebe ich dich so sehr."
Die anderen redeten wild durcheinander, als ich mich aufrichtete und meinen Blick über die Menge warf. Tywin kam mir zu Hilfe, er nahm sein Messer und klopfte damit ein paar Mal gegen seinen Kelch. Plötzlich wurde es still und alle richteten die Aufmerksamkeit auf mich.
"Meine lieben Freunde", begann ich und lächelte etwas, "In einer meiner dunkelsten Stunden nahmt ihr mich in eure Gemeinschaft auf und ließt mich bei euch leben. Ich hatte großes Glück, wofür ich den Göttern sehr dankbar bin. Und als sie meinen Tywin zu mir führten, nahmt ihr die Arbeit auf euch, um uns jetzt dieses schöne Geschenk zu bereiten. Ich weiß gar nicht, wie ich euch jemals dafür danken könnte. Jedem von euch."
"Dem schließe ich mich an", sprach nun Tywin und erhob sich ebenfalls an meiner Seite, "Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als ich euer Dorf erreichte. Doch dann wurde ich eines besseren belehrt und stand meiner Löwin wieder gegenüber. Und nur euch ist es zu verdanken, dass wir heute Abend hier beieinander als Verheiratete sitzen dürfen. Somit ist es mir nun eine Ehre, mein Glas auf euch zu erheben."
Ich reagierte und schloss mich seiner Geste an. Erneut sprachen wir gemeinsam.
"Auf das Dorf und seine Gemeinschaft!"
"Auf das Dorf und seine Gemeinschaft", erwiderten die meisten, nur Merysa und die Kinder riefen mit ihren Gläsern voll Apfelsaft etwas anderes.
"Auf Tywin und Lena!"
Gelächter erfüllte die Luft, dann begann das Fest. Es wurde gegessen, viel getrunken und die Musiker spielten, was das Zeug hielt. An einem Tisch saßen Männer und würfelten, die Frauen unterhielten sich. Irgendwann erhob sich Tywin und zog mich mit sich.
"Tywin, was hast du vor", fragte ich, als er mich auf die freie Fläche zog.
"Ich glaube, man nennt es im allgemeinen Volksmund tanzen", antwortete er und ich starrte ihn geschockt an.
"Ich kann nicht tanzen, Tywin!"
Doch er ließ sich nicht beirren und zog mich an sich.
"So schwer ist das gar nicht. Pass auf, folge mir einfach."
Die Musiker setzten erneut zu einem Lied an und Tywin begann mich zu führen. Ich trat ihm andauernd auf die Füße. Es war mir unendlich peinlich, seine so majestätischen Bewegungen derartig zu zerfetzen. Irgendwann griff er erneut nach meinem Kinn und küsste mich, blieb dabei aber nicht ein einziges Mal stehen. Mein Denken setzte aus, als hätte man eine Kerze gelöscht. Ich schloss die Augen und folgte ihm plötzlich deutlich besser. Verblüfft sah ich in sein lächelndes Gesicht.
"Wie hast du das denn jetzt gemacht?", fragte ich und er lachte leise.
"Ein Lannister verrät niemals seine Tricks."
Das Lied endete und die anderen Dorfbewohner schlossen sich uns an. Ich erinnerte mich an meine Kindheit zurück, als sie einen großen Kreis bildeten und ihre Reigen zu tanzen begannen. Wie ich diese kleinen Spiele immer geliebt hatte! Diesmal war es Tywin, der nicht ganz folgen konnte. Doch er lernte natürlich sehr schnell und so tanzten und feierten wir ausgelassen bis in die Nacht...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt