Mit jedem Schritt wuchs meine innere Unruhe. Tywin saß neben mir im Sattel und schnitt sich ein weiteres Stück aus einem Apfel. Er tat seit gefühlten Stunden nichts anderes, sein Blick war stur geradeaus gerichtet. Immer wieder ertappte ich mich selbst dabei, wie ich zu ihm herüberschielte und ihn musterte. Ich erinnerte mich an den Tag zurück, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Er wirkte jetzt genauso ruhig wie damals, nur lag in seinem Blick ein Funkeln. Ein Funkeln, welches ich trotz der vielen Zeit mit ihm immer noch nicht deuten konnte. Damals hatte ich ihn verabscheut, nun wollte ich ihm komischerweise nicht mehr von der Seite weichen. Was war los mit mir? Ich wusste, dass sich etwas verändert hatte. Aber ich kam einfach nicht darauf, was es war.
Denk doch mal nach, rief die Stimme in mir und ich blickte erneut zu ihm. Du magst ihn. Es ist mehr als nur offensichtlich.
Schnell blickte ich zur Seite und senkte etwas den Kopf. Ich durfte das nicht. Ich hatte letzte Nacht nicht bei ihm bleiben dürfen, es war falsch. Außerdem würde er es sowieso niemals zulassen, dachte ich daran, als er mir von Joanna erzählte. Seine mehr als nur traurigen Augen, seine zitternde Stimme. Nein, es war besser, wenn ich dem Angebot nachging, welches er mir in der letzten Nacht unterbreitet hatte. Nach der Schlacht - vielleicht auch schon davor - würden sich unsere Wege trennen. Er würde mich nicht mehr brauchen und ich war nicht gewillt, weiteren Schmerzen nachzujagen.
Ich will ihn nicht gehen lassen, schoss es mir plötzlich in den Kopf, dann schüttelte ich mich kurz. Reiß dich zusammen! Du tatest deine Pflicht, um am Leben zu bleiben, nicht seinetwegen! Euer Weg trennt sich heute, finde dich damit ab!
Plötzlich spürte ich ein leichtes Brennen in meinen Augen und blinzelte stark. Warum bei allen sieben Höllen musste ich jetzt weinen? Nein, das würde ich ihm nicht zeigen!
"Lena? Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte Tywin nun auch noch neben mir und ich nickte heftig mit geschlossenen Augen.
"Natürlich. Es ist bloß ... starker Wind."
Ich schwieg wieder und blickte geradeaus. Hätte ich ihn jetzt angesehen, wäre der letzte Rest in mir gebrochen, das wusste ich...Auf halber Strecke gesellten sich weitere Soldaten zu uns. Deren Banner zeigten eine Rose.
"Ser Loras Tyrell", grüßte Lord Tywin trocken den Ritter auf dem braunen Pferd, welcher sich neben ihm einfand. Dieser neigte den Kopf vor seinem Gegenüber.
"Lord Tywin. Nun kämpfen wir also als Verbündete Seite an Seite gegen Stannis."
"So ist es."
Ich beachtete den Ritter zu Tywins rechter Seite nicht weiter, meine Angst wurde von Sekunde zu Sekunde größer.
Es war bereits dunkel, als wir alle zusammen die Hauptstadt erreichten. Die Straßen waren leer, die Stadt wirkte wie verlassen. Nur eine Glocke läutete stetig. Hinter den Mauern am Horizont konnte ich bereits leuchtendes Grün erkennen, welches sich im dunklen Nachthimmel verlor. Lord Tywin stoppte sein Pferd kurz und ich hörte sein leise ausgestoßenes "Seefeuer".
"Ich werde den ersten Trupp anführen. Ihr folgt daraufhin", schlug Ser Loras vor und Tywin nickte nur kurz. Der Ritter zog mit seinen Soldaten voran, dann richtete Tywin seinen Blick plötzlich auf mich.
"Steig ab."
Ich rutschte sofort aus dem Sattel, mein Herz schlug mir bis zum Hals. In seinen Augen brannte kaltes blaues Feuer, der Lord sah mich durchdringend an.
"Du wirst in den roten Bergfried gehen, verstanden? Sag den Wachen, ich habe dir diesen Befehl gegeben! Versteck dich, bis die Schlacht vorüber ist!"
"Aber Mylord-"
"Geh!"
Mit diesen Worten zog er die Zügel an und sein Pferd stieg wiehernd, ehe es davon galoppierte und in den zunehmenden Rauchschwaden verschwand.
Ich konnte tausende Männer schreien hören. Ich konnte den beißenden Gestank riechen, Feuer, Blut und Verzweiflung. Doch wie konnte ich den Löwen nun noch allein lassen?
Ihr lehrtet mich Gehorsam, Mylord, dachte ich und meine Füße setzten sich unkontrolliert in Bewegung. Doch diesmal kann und will ich es nicht!
Mein Herz schmerzte, meine Lungen begannen durch all den Rauch zu brennen. Ebenso wie meine Augen. Immer schneller lief ich durch die Nacht und die verlassenen Straßen der Hauptstadt, immer das leuchtende Grün im Blick und dem Geschrei nach. Was blieb mir, wenn der Löwe fiel? Nichts. Absolut gar nichts. Das war mir nun endgültig klar geworden. Ich missachtete so eben wohl den wichtigsten Befehl seinerseits, doch es war mir egal. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, mich zu verstecken, während er hier draußen kämpfte und womöglich starb. Ich wollte bei ihm sein. Nur noch bei ihm. Kostete es, was es wollte! Mir blieb sonst eh nichts mehr!
Rauch waberte mir entgegen, gepaart mit dem leuchtenden Orange des Feuers. Immer lauter hörte ich den Stahl singen, als Schwerter gekreuzt wurden. Die Todesschreie hüllten mich ein in ihrer erschreckenden Sinfonie. Ich stolperte fast über den ersten Leichnam vor mir, neben ihm lag ein Schwert. Ich hob es zitternd hoch, Angst erfüllte mich, während sich meine Finger fest um den Griff schlangen. Lena, du kannst doch gar nicht kämpfen, schoss es mir plötzlich in den Kopf und ich seufzte leise. Du hattest wirklich schon bessere Ideen, du verdammter Hammelkopf!
Ich hielt das Schwert ausgestreckt vor mir und lief weiter. Ich sah dutzende Männer kämpfen und fallen, Blut spritzte in alle Richtungen. Pferde stiegen und wieherten laut, durch ihre Nüstern sah ich den Atem sich im Rauch verlieren. Doch wo war er? Wo war der große Löwe, das Oberhaupt der Lannisters? Wo war Lord Tywin? ...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...