Zum Abend hin suchten wir eine Taverne für die Nacht. Meine beiden Soldaten ließen es sich mit Eintopf gut gehen, ich selbst musste mich zum Essen regelrecht zwingen. Ich wäre am liebsten sofort weitergezogen, Lena fehlte mir schrecklich! Sie hatte sich so gut um mich gekümmert während der letzten Wochen und nun erinnerte mich keiner mehr an das Essen oder die kleinen Ruhepausen. Und das machte sich langsam bemerkbar, ich spürte das rapide Schwinden meiner Kräfte.
"Trinkt nicht so viel, ich will morgen früh mit dem Sonnenaufgang weiter!", sprach ich zu meinen Soldaten und erhob mich, "Wehe, ihr kommt morgen früh nicht rechtzeitig in die Stiefel!"
"Ja, Mylord", erwiderten sie und aßen weiter. Ich ging die schmale Treppe hinauf in eines der Zimmer. Es war spärlich eingerichtet, aber für die Nacht sollte es reichen. Ich strich kurz über das Schafsfell unter der zurückgeschlagenen Decke, bevor ich mich auf das Bett setzte und die Riemen an meiner Rüstung öffnete. Wie ich diese Riemen hasste! Allein war das immer so ein mühseliges Unterfangen. Ich legte schließlich den Brustharnisch ab und stieg aus der Rüstung, bevor ich noch einmal kurz ans Fenster trat und mich schließlich seufzend hinlegte...
Lange hatte ich vermutlich nicht geschlafen, denn als ich aus meinen düsteren Träumen erwachte, schien der Mond durch das Fenster bis vor den Fußboden vor dem Bett. Ich fuhr mir durch die Haare, bevor ich aufstand und unruhig auf und ab ging. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, deshalb zog ich erneut meine Rüstung über und schritt über die schmale Treppe hinab zur Eingangstür. Lediglich die leuchtende Glut im Kamin sorgte für ein schummriges Licht. Ich musste blinzeln und ganz aufmerksam auf den Boden vor mir achten, um nicht zu stolpern. Die ganze Taverne schien zu schlafen, ich drückte die schwere Holztür auf und wurde gleich von einem kühlen Luftzug der Nacht überrascht. Ich sah im Mondlicht meinen Atem in kleinen Wölkchen verfliegen, ehe ich hinter mir die Tür zuzog und einige Schritte ging. Ich wusste nicht, wohin, aber das war mir auch eigentlich egal. Ich hoffte einfach, nun besser nachdenken zu können.
Ich lief einen Hügel hinauf und setzte mich auf einen großen Stein.
"Mein Löwe", wisperte es plötzlich an mein Ohr und ich erschrak.
"Lena? Bist du hier irgendwo?"
Ich konnte sie nicht sehen, hörte auch nur noch den Wind um mich herum. Ich seufzte und hob meinen Blick gen Himmel.
"Bist du hier?", fragte ich, dann richtete ich mich auf. Mein Verstand fing an, mir Streiche zu spielen. Ich hörte im Wind ihre Stimme und als ich die Augen schloss, bekam ich das Gefühl, sie wieder dicht bei mir zu spüren. Ich wurde wütend. Ich wollte mich nicht mit Träumereien zufrieden geben!
Ich holte tief Luft und ließ meiner Wut ausnahmsweise mit einem lauten Brüllen freien Lauf.
"WO BIST DU, LENA?!" ...~~~
Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und schlich weiter den Sandweg entlang in Richtung Wald. Erneut war ich aus schweren Alpträumen erwacht, doch diesmal hatte ich zum Glück niemanden geweckt. Im Haus hielt ich es allerdings auch nicht aus, ich fühlte mich eingesperrt. So hatte ich mich hinaus in die Nacht geschlichen. Ich wollte, nein, ich musste für mich alleine sein, ich hielt Alayne und Darian zusammen nicht mehr aus. Natürlich konnten sie nichts dafür, aber sie erinnerten mich einfach zu stark an Tywin und mich selbst. Im Wald würde ich vielleicht etwas Ruhe finden, hoffte ich.
So irrte ich über die in silbernes Licht getauchten Felder. Ich wusste nicht, warum, doch ich hatte diese nächtlichen Spaziergänge irgendwie vermisst. Mich durchflutete dieser Gedanke von Freiheit und für einen minimalen Moment konnte ich meinen Schmerz vergessen. Doch dann zog eine Brise auf und ich hätte schwören können, eine Stimme zu hören. Eine mir wohl bekannte Stimme.
"Meine Löwin..."
Ich blieb abrupt stehen, sah mich hektisch um. Ich war mir sicher, ich hatte eben Tywin gehört!
"Lena, ich bin hier..."
Unweigerlich begann ich zu laufen, immer schneller und schneller. Immer Tywins sanftem Flüstern nach, welches mich in Richtung Wald führte.
"Tywin, seid Ihr es?", fragte ich und rannte nun regelrecht über die Felder. Scharf wie ein Messer füllte die kühle Nachtluft meine Lungen, doch ich konzentrierte mich ganz auf die Stimme.
"Lena..."
"Ich komme, mein Löwe! Ich bin gleich bei Euch!", rief ich und erreichte den Wald. Ich blieb stehen und sah mich um. Ich schnappte nach Luft, während mein Blick schnell zwischen den Bäumen hin und her sprang. Plötzlich hatte ich das Gefühl, geschlagen worden zu sein. Es traf mich die eiskalte Erkenntnis - Meine Sinne hatten mir einen Streich gespielt. Tywin war nicht hier, ich war allein. Warum auch sollte er hier sein, fragte ich mich selbst und schüttelte den Kopf. Wie dämlich bist du eigentlich? Was soll er hier in den Flusslanden? Er ist in der Hauptstadt und hat dich wahrscheinlich längst vergessen.
Erzürnt über meine Dummheit, fiel ich auf die Knie und rammte meine Faust in den Dreck. Nebenbei brüllte ich vor Schmerz auf, ließ meine Selbstkontrolle komplett los. Hier durfte ich es, hier konnte mich sonst niemand hören. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er mich vergessen hatte. Es tat so unbeschreiblich weh! Aber du bist ja selbst schuld, rief dann die Stimme in mir. Du warst doch diejenige, die ihn wortlos zurückgelassen hat.
Aufgescheucht durch mein plötzliches Gebrüll hörte ich mehrere Vögel wegfliegen und spürte die heißen Tränen auf meinen Wangen. Die Faust löste sich langsam, meine Finger gruben sich in die kalte feuchte Erde. Schwer atmend und zitternd hob ich das Gesicht zum Himmel und schloss für einen winzigen Moment die Augen.
"Lena..."
"HÖR AUF, DU BIST NICHT ECHT!", brüllte ich nochmal in voller Rage und warf die Erde um mich, die ich in den Händen hielt. Ich spürte mein Herz regelrecht erneut brechen, dann schloss ich die Augen und brüllte ein letztes Mal. Ich brüllte seinen Namen und das so laut, dass ich es noch einige Augenblicke später zwischen den Wipfeln widerhallen hören konnte.
"MEIN TYWIN!" ...
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A Beast's Heart
FanfictionWenn dir die Menschen entrissen werden, die du liebst, dann wirst du zu einem Stein. Du hasst diejenigen, die sie dir weggenommen haben. Du willst sie alle tot sehen. Dieser Hass zerfrisst dich, macht dich eiskalt und unberechenbar - Du wirst eine B...