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"Sie kann froh sein, dass ich nicht zu der Sorte Mann gehöre, die ihre Kinder schlagen", fauchte mein Löwe und ich zog ihn weiter. Der Mond schien silbern auf uns hinab und ließ Tywins Augen wie Saphire funkeln.
"Hör nicht auf sie, Tywin. Ich werde bei dir bleiben und immer zu dir halten!"
"Das habe ich gesehen", erwiderte er plötzlich schmunzelnd und ging weiter mit mir zur Küste hinunter. Das fahle Licht des Mondes spiegelte sich glitzernd im Wasser, eine leichte Brise brachte die Oberfläche zum Kräuseln. Ich hatte mich bei Tywin untergehakt und drückte den Kopf gegen seine warme Schulter.
"Hier ist es viel schöner als da drinnen. Hier sind nur wir."
Ich beachtete die Soldaten kaum, die sich entfernt postiert hatten und blickte zu Tywin hoch.
"Du bist so wütend geworden...", murmelte er und blickte zu mir.
"Natürlich. Niemand darf schlecht über meinen Löwen sprechen. Vor allem nicht, wenn ich dabei bin."
Er blieb plötzlich stehen und nahm mein Gesicht in seine Hände.
"Es tut mir leid, dass dir das widerfahren ist. Ich hatte gehofft, sie würde meine Entscheidung endlich akzeptieren."
"Ich habe mit Schlimmerem gerechnet. Und ich habe in meinem Leben auch schon schlimmeres über mich gehört."
Er küsste mich sanft, ehe er mich in eine Umarmung zog.
"Dennoch. Lannisters benehmen sich nicht wie Narren!"
"Beizeiten benimmt sich jeder wie ein Narr, mein Löwe. Und nun lass uns nicht weiter darüber nachdenken. Die Katze ist aus dem Sack, nun können wir uns anderen Dingen widmen."
"Der Planung unserer zweiten Hochzeit, zum Beispiel?", erkundigte er sich und ich blickte seufzend zu ihm hoch.
"Muss das denn wirklich sein? All diese Lords und Ladies, von denen ich nicht einmal eine Handvoll kenne! Und wenn ich nur ansatzweise an die bohrenden Blicke von den Ladies denke, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter."
Er nahm auf einem großen Stein Platz und zog mich auf seinen Schoß. Mit zwei Fingern ergriff er wieder mein Kinn, während unter unseren Füßen weiter der Kies knirschte.
"Was habe ich dich gelehrt?", flüsterte er mir ins Ohr, "Ein Löwe schert sich nicht um die Meinung seiner Schafe. Das beginnt schon bei ihren gaffenden Blicken. Du wirst über ihnen stehen und stolz auf sie alle herabschauen. An meiner Seite."
"Und mit ihnen Kuchen essen, während wir über halb Westeros lästern. Wie reizend."
Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.
"Wer sagt denn, dass du Kuchen essen musst?"
"Tywin!", rief ich empört aus und schlug ihm gegen die Brust.
"Lästere doch mal, nur zu. Ich bin gespannt."
Ich sah ihn ungläubig an, bevor ich überlegte und die Stimme verstellte. Schon ein paar Mal hatte ich die Ladies in den Gärten lästern hören und mich mit Yara hinter einer Hecke köstlich darüber amüsiert.
"Jetzt seht Euch den da mal an", rief ich gespielt entrüstet und verzog das Gesicht, "Ganz schrecklich! Sein Bart ist mindestens einen Zentimeter zu lang! Oder diese andere Lady... Ich hörte, ihre Stimme soll so klingen wie die einer Gans. Sie ist bestimmt eine!"
Tywin sah mich plötzlich ernst an und ich verstummte.
"Niemals! Niemals wird sich meine Löwin auf solches Niveau herablassen! Hast du mich verstanden?"
"Ich wollte mich schon erkundigen, ob du krank wirst. Keine Sorge, das ist mir zuwider."
Ich lächelte und küsste ihn sanft. Der Groll von vorhin schien vergessen und es breitete sich wieder die himmlische Ruhe um uns aus. Tywin zog mich fester an sich und seine Augen funkelten, ehe er mit neugieriger Hand über den Stoff meines Kleides fuhr.
"Suchst du etwas bestimmtes?", fragte ich schmunzelnd und beobachtete ihn. Tywin leckte sich kaum merklich die Lippen und sah mich durchdringend an. Dieser Blick ließ meinen Verstand schwinden.
"Ich bin sicher, die Antwort würde dir die Hitze in die Wangen treiben", raunte er dunkel und auch ich senkte die Stimme.
"Vermutlich nicht nur in die Wangen. Aber ich denke, wir sollten derartige Gespräche nicht hier draußen führen."
"Wohin gedenkst du dann zu gehen?"
"In den Turm. So schnell es geht."
Mit einem Ruck stand er auf und hob mich hoch. Erschrocken keuchte ich auf und schlang die Arme um seinen Nacken.
"Willst du es nur bei Gesprächen belassen?", raunte er weiter, während er sich in Bewegung setzte. Ich grinste und begann langsam seinen Hals zu küssen.
"Wenn wir es auf Körpersprache ummünzen, dann bin ich sehr gesprächig, ja."
Er bekam leuchtende Augen und beschleunigte seine Schritte noch etwas, während hinter uns das Meer weiter leise seine Weisen in die Nacht flüsterte...
Das Licht der Kerzen spiegelte sich in Tywins Augen, verpasste ihnen zusätzlich noch einen goldenen Schimmer. Schwer atmend lehnte er über mir und sah zu mir hinab, strich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn. Meine Hände ruhten auf seinem Rücken, ehe ich ihm liebevoll über den Bart strich und um Fassung rang.
"Letztes mal hast du dich ziemlich zurückgehalten, wenn ich das so betrachte", hauchte ich und er grinste.
"Vergisst du denn alles sofort wieder, was ich dir beizubringen versuche? Zeige niemals sofort-"
"Deine Kräfte oder Verbündeten, sondern halte sie besser versteckt im Hintergrund. Nein, mein Löwe, das werde ich niemals vergessen."
Ich rollte ihn plötzlich auf den Rücken und fand mich kurz darauf über ihm wieder. Ich grinste frech, während ich über seine warme Brust strich, "Und ich halte mich sehr gut daran."
Diese Nacht war definitiv noch nicht zu Ende. Und das wusste nun auch er, denn seine Augen weiteten sich, ehe sie wieder dunkler wurden und ein leises Stöhnen seiner Kehle entwich...


~~~

Ich wachte erst spät am nächsten Morgen auf. Der gestrige Tag war einfach zu lang gewesen. Verschlafen blickte ich mich um, bemerkte kaum mein eigenes Lächeln. Sie war so gut gewesen! Ich gähnte laut und erinnerte mich an die vorige Nacht zurück. Ich genoss Lenas vollstes Vertrauen, das hatte sie mir selbst zugeflüstert und dieser Gedanke bescherte mir ein glückliches Lächeln. Ich würde sie niemals verletzen, das konnte ich gar nicht! Nein, sie weckte eine Seite in mir, die viel zu lange in meiner Dunkelheit verschlossen geblieben war. Die sanfte Seite. Und das faszinierte mich unheimlich, wo ich sie doch immer so gut verdrängt hatte!
Ich streckte den Arm zur Seite aus und war verwundert, als ich nicht über ihre zerzausten Haare, sondern über das Kissen strich. Ich blickte mich um und setzte mich erschrocken aufrecht, als ich mein Alleinsein erkannte. Wo war meine Löwin?!
"Lena?", rief ich und lauschte. Keine Antwort. Ich rief sie erneut und erhob mich, bevor ich in meinen dunkelblauen Morgenmantel schlüpfte und in mein Arbeitszimmer trat. Doch auch hier war Lena nicht aufzufinden. Unweigerlich machte sich Angst in mir breit. War ihr etwas passiert? Hatte Cersei ihr etwa erneut mit dem Tod gedroht?
"Nicht schon wieder", murmelte ich und eilte regelrecht aus der Tür zum erstbesten Soldaten.
"Wo ist Lena? Habt Ihr hier eine junge Frau vorbeikommen sehen?"
"Ja, Mylord. Ich soll Euch ausrichten, dass Ihr sie nicht suchen braucht. Sie wird gleich wieder bei Euch sein."
"Wohin ist sie gegangen?"
"In die Küche, Mylord. Soll ich sie holen gehen?"
Ich fuhr mir durch die Haare und zwang mich zur Ruhe. Darüber würden wir gleich definitiv noch sprechen!
"Nein. Noch nicht. Erst, wenn sie zu lange wegbleibt."
"Ja, Mylord."
Ich nickte und kehrte in den Turm zurück. Eine Magd kam angelaufen und brachte mir eine Schüssel mit warmen Wasser und etwas Seife. Lena musste endlich lernen, ihre Tätigkeiten abzulegen und bei mir zu bleiben.
Ich hatte mich gerade gewaschen und angezogen, als es an der Tür klopfte. Doch es war nicht Lena, die in der Tür stand...

A Beast's HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt