Überall war es still. Bis auf die typischen Nachtgeräusche in südlichen Gegenden – das Zirpen der Zikaden und ab und zu das Rascheln in den Büschen, vom Wind oder irgendwelchen kleinen, nachtaktiven Tieren. In dem Wohnhaus des alten Hofes waren die Lichter schon lange aus, aber trotz der späten Stunde war es draußen relativ hell – Vollmond.
Leontina lag hellwach in ihrem Schlafsack und hatte den Versuch, endlich einzuschlafen schon eine ganze Weile aufgegeben. Wie könnte es auch anders sein, das Einschlafen bei Vollmond war ihr schon immer mehr als schwer gefallen. Zudem noch waren die schlafenden Kelly-Geschwister neben ihr nicht gerade leise. Angelo links von ihr schnarchte sogar ziemlich laut. Maite auf ihrer anderen Seite und Barby schräg hinter ihr schnarchten zwar nicht, aber Leontina konnte sie trotzdem atmen hören: lange, gleichmäßige Atemzüge im Schlaf...
Der Einzige, von dem sie nichts hören konnte war Paddy, der beinahe Kopf an Kopf direkt hinter ihr – neben Barby lag. Leontina hatte am Nachmittag ihren Einfall verkündet, sie könnten doch alle zusammen auf dem Scheunenboden schlafen, ein kleines nächtliches Abenteuer sozusagen...
Die jüngere Hälfte der Familie Kelly war sofort Feuer und Flamme für diesen Vorschlag gewesen, Joey hingegen hatte kurz und bündig ausgesprochen, was die ältere Hälfte von der ganzen Sache hielt: „Ohne mich. Auf dem harten Scheunenboden schlaf ich keine Minute freiwillig..."
Und so waren sie nach dem Abendessen zu fünft, beladen mit Decken, Schlafsäcken und Isomatten in die die Scheune umgezogen. Gleich geschlafen hatte natürlich keiner – Maite und Barby hatten wirklich seltsame Gruselgeschichten erzählt und auch als es schon lange dunkel war hatte man noch Gekicher aus der Scheune hören können...
Leo hatte ihr Zeitgefühl komplett verloren, sie wusste nicht, wie lange es jetzt her war, dass Angelo seinen letzten Witz erzählt hatte. Sie wusste nur, dass sie es keine Minute länger aushalten würde hier still zu liegen während alle anderen um sie herum tief und fest schliefen. Wobei, still war etwas anderes – so wie sie sich schon die ganze Zeit hin und her drehte.
So leise wie möglich befreite sie sich aus ihrem Schlafsack, krabbelte um die anderen herum und stieg schließlich die alte Stiege vom Scheunenboden herunter. Zum Glück knarrten die Tritte nicht all zu laut... Sie schlich zum Scheunentor und schlüpfte durch den kleinen offenen Spalt hinaus. Draußen blieb sie erst einmal stehen und atmete die frische Nachtluft tief ein, während sie in den Himmel schaute. Es war einfach wunderschön. Der Mond war nichts anderes als perfekt. Und die Sterne – Leo war jedes Mal aufs neue fasziniert, wie viele und in welcher Tiefe man sie außerhalb von beleuchteten Städten sehen konnte. Es war eindeutig die beste Idee gewesen, aufzustehen und hier heraus zu kommen.
Auf einmal legte sich von hinten eine Hand über ihren Mund. Hilfe – was sollte das denn?! Gerade als Leo überlegte kräftig zuzubeißen, hörte sie eine Stimme neben ihrem Ohr flüstern: „Nicht erschrecken, ich bin's bloß." Die Hand verschwand und Leo drehte sich um. „Mensch Paddy, du hast mich total erschreckt!"
„Entschuldige. Was machst du denn hier draußen?" Paddys Stimme war immer noch ein Flüstern.
„Ich kann nicht schlafen. Und gerade fällt mir ein wo ich hin will..." Leontina schaute Paddy verschwörerisch an und streckte ihm die Hand hin. „Kommst du mit?"
Paddy zögerte keine Sekunde und gemeinsam stapften sie durch das feuchte Gras in die Nacht hinaus. Paddy war nicht besonders neugierig, wo Leo eigentlich hin wollte. Er war mit der Situation, so wie sie war, recht zufrieden. Mit ihrer Hand in seiner würde er auch die restliche Nacht bei Mondschein durch die Gegend laufen. Irgendwann würden sie wohl mal stehen bleiben, dann würde er ihr eine Weile in tief in die Augen schauen, ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht streichen und dann, ganz vorsichtig –
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Growing up oder: lost and found
RomanceSpanien 1994. Zwei Familien, zwei Geschichten. Beide sind Reisende aber aus unterschiedlichen Gründen. Beiden fehlt etwas, doch was sie finden, macht es nicht gerade leichter... Als wäre es Schicksal, kreuzen sich ihre Wege nicht nur einmal. Eine Ge...