18 Das Meer

136 14 6
                                    


19 Das Meer

Die Fahrt zum Strand dauerte nicht all zu lange. Und obwohl die Sonne schon mit großer Kraft auf die Erde strahlte, war die Landschaft um sie herum noch wunderschön. Sie fuhren durch leichte Hügel, die in allen Farben leuchteten und von Unmengen verschiedenster Blumen und Gräser bewachsen waren. In einigen Wochen würde man hier das Grün mit der Lupe suchen müssen. Dann hätte die spanische Sonne das meiste der Vegetation bereits erbarmungslos verbrannt.

Paddy war im Einklang mit sich und der Welt. Er war einfach glücklich, hier mit seinen Geschwistern und Leo durch die Gegend zu fahren. Und sie hatten den ganzen Tag einfach Zeit. Keine Termine, keine Besprechungen. Keine Fans. Das vor allen Dingen.
Selten hatte Paddy sich so unbeschwert gefühlt. Angelo fuhr vorne weg, Leontina schräg hinter ihm. Patricia und Johnny ließen es gemütlicher angehen.
Er schaute kurz zurück und zu seiner großen Freude lächelte Leo ihm entgegen. Der Fahrtwind ließ ihre Haare hinter ihr her flattern und Paddy fand, dass sie ziemlich glücklich aussah. Irgendwie anders als das letzte Mal, als sie bei ihnen Im Haus gewesen war. Vielleicht ging es ihr ja wie ihm?

Leontina genoß den Fahrtwind, der ihr um die Nase wehte - sie liebte Wind. Ob es nun eine leichte sommerliche Brise war - so wie jetzt - oder ein peitschender Herbststurm, es war ihr gleich. In ihrem nächsten Leben - sollte es so etwas denn geben - würde sie als großer Vogel auf die Welt kommen: sich vom Wind einfach treiben lassen, überall hin - ja, das wäre genau nach ihrem Geschmack...
Paddy hatte etwas gebremst und fuhr jetzt genau neben ihr. Er hatte die Haare zu einem Zopf zusammen gebunden aber ein paar widerspenstige Haarsträhnen hatten sich befreit, und wenn er seinen Kopf in ihre Richtung drehte, flatterten diese ihm quer übers Gesicht. Er schüttelte mehrmals den Kopf um wieder klare Sicht zu haben und Leo musste lachen. Es sah einfach so unbeholfen aus. Sie mussten aufpassen, nicht ineinander zu fahren, der kleine Weg wurde immer schmaler. Da streckte Paddy auf einmal seine Hand in Leo's Richtung und schaute sie schüchtern an. Es war schon eine mittelgroße Herausforderung für Leo, seine Hand zu greifen, auf dem holprigen Pfad halbwegs geradeaus zu fahren und gleichzeitig nicht mit Paddy's Rad zu kollidieren. Sie kam sich ein bisschen vor wie im Zirkus und wunderte sich, wie Paddy neben ihr dabei noch lachen konnte.

Paddy konnte sich nicht mehr erinnern, wie Leos Hand sich das letzte Mal angefühlt hatte, da war er irgendwie weit weg gewesen - aber jetzt fühlte sie sich auf jeden Fall ziemlich anders an, als Paddy erwartet hatte. Keine zarte, weiche Mädchenhand - eher etwas rau und obwohl ihre Hand kleiner war als seine, konnte er fühlen, dass sie durchaus Kraft hatte.
Er konnte ja nicht wissen, dass die ständige Arbeit mit Pferden und alles was dazu gehörte auch an Leo nicht spurlos vorbei ging. Vor allem da sie nie ein Freund von Handschuhen gewesen war, dazu noch am liebsten alles selbst machte und die meiste Zeit ihres Lebens draußen verbrachte.
Für eine gerade 14-jährige hatte sie ziemliche Ausdauer und konnte es mit den Jungs in ihrem Alter sicher locker aufnehmen, was doch den ein oder anderen Lehrer ab und an schon erstaunt hatte...

Leider schaute sie ihn jetzt nicht mehr an, sie war zu beschäftigt ihr Rad unter Kontrolle zu halten, das ihr eigentlich etwas zu groß war - Paddy musste bei dem wackligen Anblick laut lachen.

Auf einmal ging es leicht bergab auf ihrem Weg, der immer sandiger wurde. Leontina ließ Paddys Hand los und blickte an Angelo vorbei nach vorne. Sie konnte schon die Dünen sehen, gleich würden sie am Strand ankommen. Was die vier wohl mit ihr vor hatten?
Weil es auf dem sandigen Boden immer schwieriger wurde zu fahren, stiegen sie ab und schoben die Räder schließlich mit größerer Mühe über die Dünen zum Strand. Als Leontina endlich freie Sicht hatte, war sie doch ziemlich überrascht, am Strand schon einige Leute zu sehen. Schnell erkannte sie den gesamten Rest der Familie Kelly. Unzählige Decken waren ausgebreitet, zwei Sonnenschirme steckten im Sand (Joey mühte sich gerade mit dem dritten ab), und Jimmy pumpte Luft in ein überdimensional großes Schlauchboot.

Growing up oder: lost and foundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt